Mannheim. Michel Abt spielte in der Jugend für die Rhein-Neckar Löwen und stand später auch für die Profis in der Handball-Bundesliga auf dem Feld. Früh entschied er sich für eine Trainerkarriere, die ihn zunächst als Chefcoach zur Drittliga-Mannschaft des zweifachen Meisters und Pokalsiegers führte und dann zum Zweitligisten Eulen Ludwigshafen. Zur neuen Saison wird er Co-Trainer bei den Löwen an der Seite des neuen Chefs Maik Machulla.
Michel, Sie waren zuletzt Cheftrainer in der 2. Bundesliga bei den Eulen Ludwigshafen und werden künftig der Assistent von Maik Machulla bei den Rhein-Neckar Löwen sein. Co-Trainer - können Sie das überhaupt?
Michel Abt: Eine gute Frage, die ich mir auch gestellt habe, als die Anfrage von den Löwen kam.
Warum?
Abt: Ich habe immer gerne Entscheidungen getroffen und vertrete eine starke Meinung zu verschiedenen Handball-Themen.
Das klingt nicht zwingend nach Co-Trainer. Aber Löwen-Sportchef Uwe Gensheimer kennt Sie und hat Ihnen den Job dennoch angeboten. Waren Sie überrascht?
Abt: Ja. Aber es hat mich ebenso gefreut. Uwe musste mich auch nicht überzeugen. Ich musste vielmehr erst einmal selbst meine Gedanken ordnen und Maik Machulla und ich mussten uns gegenseitig kennenlernen. Deswegen habe ich eine Videokonferenz mit ihm gemacht. Maik und ich haben ehrlich miteinander gesprochen. Es ging um die Fragen: Was ist ihm wichtig? Was ist mir wichtig? Und danach war klar, dass ich das machen möchte. Unter dem Strich ist das die perfekte Lösung für mich. Ich wohne in Kronau, ich kann - wenn auch mit reduzierter Stundenzahl - meinen Lehrerjob in Östringen fortsetzen und nicht zuletzt sind die Löwen mein Heimatverein. Besser geht es nicht.
Was war Ihnen wichtig?
Abt: Dass ich auch als Co-Trainer eine Mit-Verantwortung übernehmen darf, wir mindestens ein ähnliches Handballverständnis haben, ich viel lernen kann und meine Stärken, wie zum Beispiel in der Nachwuchsförderung, einbringen kann.
Und wie wird ansonsten Ihre Rolle bei den Löwen aussehen?
Abt: Mein Job ist es, Maik zuzuarbeiten. Er ist der Chef, er macht die Vorgaben, er trifft die Entscheidungen. Und ich freue mich darauf, mit ihm zusammenzuarbeiten. Nicht zuletzt auch deshalb, weil ich eben davon überzeugt bin, dass ich von Maik noch sehr viel lernen werde. Deswegen empfinde ich diesen Job als Co-Trainer nicht als Rückschritt - zumal ich solch eine Rolle noch nie zu 100 Prozent ausgefüllt habe. Bei Martin Schwalb (Ex-Löwen-Trainer: Anm. d. Red.) habe ich das mal für ein paar Monate übergangsweise gemacht, bei Kristján Andrésson (Ex-Löwen-Trainer: Anm. d. Red.) habe ich in der Videoanalyse mitgearbeitet. Aber das ist jetzt etwas anderes.
Was wird Ihnen aus Ihrer Arbeit als Cheftrainer bei Ihrem künftigen Job helfen?
Abt: Mir fällt ein Vergleich schwer. Letztendlich bewegen wir uns bei den Rhein-Neckar Löwen auf einem höheren Level als bei den Eulen Ludwigshafen. Was ich sicherlich gelernt habe, ist die Bedeutung der Kommunikation mit dem Team. Es ist für einen Trainer sehr wichtig, wie er mit den Spielern spricht und dass er jedem seinen Wert vermittelt und ein gutes Gefühl gibt.
Was ging Ihnen durch den Kopf, als die Löwen Maik Machulla als neuen Trainer präsentierten?
Abt: Ich dachte mir: Das ist eine sehr gelungene Verpflichtung für den Club in der jetzigen Situation. Maik ist ein Fachmann, er steht für eine klare Linie und eine klare Kommunikation. Sein Netzwerk ist riesengroß, seine Kontakte, sein Wissen und seine Einblicke werden den Löwen bei manch einer Personalie helfen können. Er kennt sich einfach sehr gut aus auf dem Spielermarkt, hat einen guten Überblick. Und nicht zuletzt steht er für eine Spielidee, die zu den Löwen passt. Ich bin davon überzeugt, dass Maik den Löwen guttun und den Verein voranbringen wird.
Worüber tauschen Sie sich bereits mit ihm inhaltlich aus?
Abt: Es ist wichtig, dass wir uns auf dem Laufenden halten und zu allen Themen einen gemeinsamen Kenntnisstand haben. Zum Beispiel: Wenn ich mir also jetzt hier vor Ort Spiele der Drittliga-Mannschaft oder der A-Jugend anschaue, gebe ich Maik Rückmeldung. Er wiederum lässt mir Material von unseren Neuzugängen Edwin Aspenbäck und Mathias Larson aus der dänischen und norwegischen Liga zukommen.
Sie selbst waren Jugendspieler bei den Löwen und danach für die Profis am Ball. Später übernahmen Sie verschiedene Trainerfunktionen. Was bedeutet Ihnen dieser Verein?
Abt: Wenn mir jemand zu meinen Zeiten als Jugendspieler gesagt hätte, dass ich bei diesem Club als 35-Jähriger in der Bundesliga als Co-Trainer auf der Bank sitze - das hätte ich nicht geglaubt. Für mich ist es etwas ganz Besonderes, diese Aufgabe bei diesem Verein übernehmen zu dürfen. Das ist schon ein wenig verrückt, ich spüre eine extreme Verbundenheit zu den Löwen.
Die Löwen sind immer noch ein großer Verein.
Sie kennen die Löwen, vor allem die erfolgreichen Zeiten des Vereins. Der Kontakt ist nie abgebrochen, Sie leben in Kronau. Trotzdem haben Sie zuletzt eher eine Beobachterrolle eingenommen. Von außen betrachtet: Warum sind die Löwen nicht mehr der Verein, der er nach den Meisterschaften 2016 und 2017 war?
Abt: Die Bundesliga ist erst einmal viel enger zusammengerückt, die Leistungsdichte ist unheimlich groß. Das war vor acht, neun Jahren noch anders. Umgekehrt muss man aber auch festhalten - und damit will ich niemandem zu nahetreten: Diese Ausnahmespieler wie Andy Schmid, Uwe Gensheimer, Kim Ekdahl du Rietz oder Alexander Petersson - die gibt es in dieser Vielzahl momentan bei den Löwen nicht.
Meine These lautet: Spieler dieses Formats bekommen die Löwen aber auch kaum noch. Was also tun?
Abt: Um wieder nach oben zu klettern und Topspieler zu bekommen, müssen wir auch Dinge außerhalb des Feldes besser machen.
Was bedeutet das konkret?
Abt: Man hat kein Alleinstellungsmerkmal, was die Gehälter betrifft, weil mittlerweile ohnehin in sehr vielen Clubs in Europa gut bezahlt wird. Also muss man andere Konzepte und Argumente anbieten. Bei den Löwen haben wir immer noch eines der besten Trainingszentren in Deutschland. Das müssen wir ausbauen und fördern, also eine herausragende Infrastruktur bieten, um wieder in die Tabellenbereiche zu kommen, die hier erwartet werden. Die Löwen sind immer noch ein großer Verein.
Glauben Sie das wirklich?
Abt: Die Mannschaft steht im Final Four des DHB-Pokals. Sie hat in der Bundesliga sicherlich ein paar Probleme - aber eben auch Verletzungssorgen gehabt. Ich glaube fest daran, dass es für die Löwen in den nächsten Jahren weiter nach oben geht.
Ich will Ihnen keine Angst machen: Aber nach Erfolgscoach Nikolaj Jacobsen hatte es kein Trainer einfach bei den Löwen. Einige wurden vorzeitig entlassen, andere gingen und gehen nach Vertragsende freiwillig. Liegt es am Verein? Liegt es an der Erwartungshaltung? Oder an den Trainern?
Abt: Jeder Verein hat seine ganz eigene Funktionsweise. Es gibt das Umfeld, die Fans, den Aufsichtsrat, die Sponsoren, die Geschäftsführung, die Mannschaft. Wichtig ist immer, dass ein Trainer zu dem Verein und den handelnden Personen passt und es ein gutes Miteinander und Zusammenleben gibt. Dazu ist es bei den Löwen in der Vergangenheit ganz offensichtlich nicht immer oder zumindest nicht langfristiger gekommen. Irgendwas hat nicht gepasst. Ich will die Einzelfälle aber gar nicht bewerten, das steht mir weder zu noch könnte ich das von außen. Ich möchte stattdessen lieber den Blick in die Zukunft richten. Und diesbezüglich kann ich sagen: Uwe Gensheimer, Maik Machulla, Patrick Jahnke (neuer Torwarttrainer: Anm. d. Red.) und ich ziehen alle an einem Strang.
Seit 2019 wurde bei den Löwen in schöner Regelmäßigkeit nach jedem Trainerwechsel vom Umbruch oder Neustart gesprochen. Bis zur Verpflichtung von Sebastian Hinze im Sommer 2022 sah es immer ein wenig danach aus, dass der Club mit dieser Sprachregelung Zeit gewinnen will, um die gravierenden Fehler der Vergangenheit zu kaschieren. Hören wir diese Vokabeln im Sommer 2025 wieder?
Abt: Ich bin kein Freund von derartigen Formulierungen - sei es Neustart oder Umbruch. Natürlich wird die Situation in diesem Sommer herausfordernd, weil das Trainerteam getauscht wird und wir nicht nur mit Juri Knorr einen Leistungsträger verlieren, sondern auch andere Spieler gehen. Das sind Fakten. Ich sehe das aber aus einer anderen Perspektive.
Aus welcher?
Abt: Personalwechsel gehören zum Sport dazu. Entweder, weil Spieler sich dazu entscheiden, einen anderen Weg zu gehen. Oder eben auch, weil der Club eine Veränderung möchte. Die wenigsten Vereine starten mit unveränderten personellen Voraussetzungen in eine neue Saison. Streng genommen dürfte also jeder Verein jedes Jahr von einem Umbruch sprechen, aber darum geht es ja nicht. Und deswegen sage ich: Umbruch und Neustart - das gehört nicht zwingend zu meinem Handball-Wortschatz.
Zum Löwen-Weg soll weiterhin gehören, dass Spieler aus dem eigenen Nachwuchs ins Bundesligateam eingebaut werden. Kommt man so auch in der Bundesliga nach oben?
Abt: Im Löwen-Nachwuchs gibt es sehr, sehr talentierte Spieler. Ab einem bestimmten Zeitpunkt sind diese Spieler aber in gewisser Weise auch für sich selbst verantwortlich. Wir werden ihnen genügend Türen öffnen. Aber es ist auch immer klar, dass gerade in der Bundesliga letztendlich nicht das Alter, sondern die faktische Qualität entscheidet und gebraucht wird. Deswegen geht es um clevere Lösungen und man muss das eine oder andere Talent vielleicht einmal zwei Jahre woanders hingehen lassen, damit es danach vielleicht für die Löwen infrage kommt.
Ich frage trotzdem noch einmal nach: Über allem steht immer noch das Ziel, wieder mit den absoluten Topteams mithalten zu können. Und wenn ich dann sehe, welche Spieler die aktuellen Spitzenclubs holen und welche Verträge dort verlängert werden, dann muss ich sagen. Es könnte im Vergleich dazu eng werden für die Löwen, bei der angestrebten Rückkehr an die Spitze auf die Karte Jugend zu setzen.
Abt: Wenn du oben rankommen willst, wirst du es nur durch sehr gute Nachwuchsarbeit nicht schaffen. Das ist klar. Und trotzdem glaube ich, dass es sehr wichtig ist, gute Nachwuchsarbeit zu leisten. Man kann seine Topspieler haben, aber zum Beispiel eben auch als zweiten Mann auf manch einer Position ein paar Spieler, die man selbst ausgebildet hat und die Gas geben. Nicht zuletzt machen doch auch gerade die Löwen mit David Späth und David Móré vor, dass es sich lohnt, auf die Jugendkarte zu setzen.
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