Handball

Das erwartet Andy Schmid von den Rhein-Neckar Löwen

Andy Schmid ist eine Legende der Rhein-Neckar Löwen und mittlerweile Trainer der Schweizer Handball-Nationalmannschaft. Im Interview spricht er über den Bundesligastart und seinen Ex-Club.

Von 
Marc Stevermüer
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Seit zwei Jahren Trainer der Schweiz: Andy Schmid. © picture alliance/dpa

Mannheim. So war er schon als Spieler. Andy Schmid zieht das Telefonat am späten Abend vor. Dann hat der frühere Weltklasse-Spielmacher einen klaren Kopf. Im Interview mit dieser Redaktion macht sich der Schweizer Gedanken um die neue Bundesliga-Saison.

Andy, da Sie als Nationaltrainer direkt betroffen sind. Die Doping-Affäre um Ihren Schweizer Torwart Nikola Portner vom SC Magdeburg ist beendet. Wie glücklich sind Sie darüber?

Andy Schmid: Es war eine heftige Leidenszeit für Nikola und es hat mich beeindruckt, wie er die Situation angenommen und gemeistert hat. Mich hätte solch eine Geschichte wahrscheinlich gebrochen. Ich bin froh, dass bei dem Thema nun Ruhe herrscht.

Mehr als die halbe Schweizer Nationalmannschaft ist in der Bundesliga unter Vertrag. Es scheint in Ihrer Heimat voranzugehen?

Schmid: Es ist eine coole Entwicklung für den ganzen Schweizer Handball. Wenn ich mich erinnere, als ich bei den Löwen gespielt habe, war ich eigentlich meist der einzige Schweizer in der Liga. Vielleicht waren es mal zwei. Das ist jetzt ganz anders. Der Schweizer Handball hat sich extrem entwickelt.

Die vier bedeutendsten Titel im Club-Handball gingen an vier unterschiedliche deutsche Vereine: Der SC Magdeburg gewann die Champions League, die SG Flensburg-Handewitt die European League, die Füchse Berlin wurden Meister und der THW Kiel Pokalsieger. Was sagt uns das?

Schmid: Vor sieben oder acht Jahren wurde die Angst geschürt, dass es in Zukunft häufiger der Fall sein wird, dass sich keine deutsche Mannschaft für das Final Four der Champions League qualifiziert (2017 bis 2019 war das so: Anm. d. Redaktion). Und ich muss zugeben, dass ich das auch gedacht habe. Ich war der Überzeugung, dass es mit dem Pensum in der Bundesliga nicht möglich ist, gleichzeitig in der Champions League erfolgreich zu sein. Aber ich habe mich getäuscht und es zeigt sich, dass sich solide wirtschaftliche Arbeit wie in der Bundesliga auf lange Sicht durchsetzt und dass die Clubs in Deutschland unglaublich viel richtig machen.

Inwiefern?

Schmid: Die Stärke in der Breite dieser Liga ist beeindruckend. Dass sich die Mannschaften gegenseitig hochschaukeln, hilft ungemein. Reibung erzeugt Wärme, der ständige Wettbewerb macht jeden besser. Und man muss ehrlich sagen: Diese Reibung haben andere Mannschaften wie der FC Barcelona oder One Veszprém in ihren nationalen Ligen wenig oder gar nicht.

Wir haben die vier großen Teams angesprochen, die MT Melsungen mischte dieses Quartett in der vergangenen Saison auf. Befindet sich der Club auf Augenhöhe mit den anderen Topclubs?

Schmid: Die Melsunger haben sich extrem angenähert. Aber sie sind noch ein wenig hinter den anderen Vereinen, mit Elvar Örn Jónsson haben die Melsunger vor der Saison außerdem einen ihrer wichtigsten Spieler verloren.

Alle schwärmen von Mathias Gidsel von den Füchsen Berlin. Ist er für Sie der größte Spieler aller Zeiten oder kommt niemand an Nikola Karabatic heran?

Schmid: Diese Diskussion ähnelt der im Basketball. Wer war der Beste - LeBron James oder Michael Jordan? Das Gesamtpaket Nikola Karabatic bleibt wahrscheinlich unerreichbar, aber ein Vergleich ist schwierig. Vielleicht war auch Ivano Balic der Beste.

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Oder Andy Schmid?

Schmid (lacht): Ohne internationalen Titel mit der Nationalmannschaft….vermutlich eher nicht.

Bleiben wir bei den Berlinern. Sie haben mit Gidsel den aktuell besten Spieler der Welt, sind Meister geworden und haben gerade den Supercup gewonnen. Ist der Hauptstadtclub erneut der Topfavorit auf den Titel?

Schmid: Meiner Meinung nach liegt der SC Magdeburg ein kleines bisschen vor Berlin. Was der SCM in der vergangenen Saison gezeigt hat mit Vize-Meisterschaft und Champions-League-Sieg - und das trotz der vielen Verletzten -, zeigt die Tiefe, die Breite und damit auch die Stärke des Kaders. Berlin muss zwei, drei Spieler in Watte packen, von denen die Füchse sehr abhängig sind. Das kann klappen, so wie in der vergangenen Saison. Aber die Berliner bewegen sich auf dünnem Eis.

Bei Rekordmeister THW Kiel ist die Unzufriedenheit groß, weil erneut der Einzug in die Champions League verpasst wurde. Reicht‘s nicht mehr für ganz oben?

Schmid: Wenn man ehrlich ist, hat der THW Kiel in den vergangenen Jahren den Anschluss an Magdeburg und Berlin verloren. Nach einem gefühlten Jahrzehnt auf der Erfolgswelle ist es vielleicht aber auch ganz normal, dass mal drei, vier, fünf Jahre kommen, in denen es nicht wie früher läuft. Der THW treibt gerade seinen Umbruch voran, das kostet allerdings Zeit. Und man muss wirklich die richtigen Spieler finden und sie auch bekommen. Wir haben eben darüber gesprochen, dass es in Deutschland mittlerweile fünf Mannschaften gibt, die wirtschaftlich und sportlich für jeden Spieler attraktiv sind.

Werden die Plätze eins bis fünf von den gleichen Mannschaften belegt wie in der vergangenen Saison und spielen alle anderen darum, die Besten vom Rest zu sein?

Schmid: Ja. Der SC Magdeburg und die Füchse Berlin spielen um die Meisterschaft, dahinter kommen die SG Flensburg-Handewitt und der THW Kiel. Auf Rang fünf sehe ich Melsungen. Und dann geht es eben für viele andere um Rang sechs, vor allem für den VfL Gummersbach, die TSV Hannover-Burgdorf und auch die Rhein-Neckar Löwen.

Wenn Sie Ihren Ex-Club schon ansprechen. Acht neue Spieler müssen bei den Löwen eingebaut werden. Sie sind Trainer. Wie schwer ist das?

Schmid: Ich bin ja erst seit zwei Jahren Trainer, deswegen habe ich sowas noch nicht erlebt. Aber klar, das ist verdammt schwierig, weil auch ein neuer Trainer mit Maik Machulla da ist, der wiederum ein neues Spielsystem implementieren will. Sieben von acht Zugängen kennen außerdem die Bundesliga nicht, das ist nicht zu unterschätzen und ein bisschen ein Sprung ins kalte Wasser.

Andy Schmid



Andy Schmid spielte von 2010 bis 2022 für die Rhein-Neckar Löwen in der Handball-Bundesliga. In den Jahren 2014 bis 2018 wurde er jeweils zum besten Spieler der Saison gewählt.

Erfolge mit den Löwen: Meisterschaft (2016, 2017), Pokalsieg (2018), EHF-Pokal (2013), Supercup (2016, 2017, 2018).

Anfang 2024 beendete er seine aktive Karriere. Der 41-Jährige ist seitdem Schweizer Nationaltrainer .

Trainer Machulla sprach im Interview mit dieser Zeitung davon, dass die Löwen momentan ein mittelmäßiger Bundesligaverein sind. Was halten Sie davon?

Schmid: Ich finde es richtig, dass es mal so gesagt wurde, dass sich der Verein auch wirklich mal zur Realität bekennt. Die Erwartungshaltung war in den zurückliegenden Jahren falsch, weil man einfach den Anschluss verpasst hat. Es gibt eben fünf Clubs, die deutlich vor den Löwen liegen. Andererseits werden die Löwen für mich persönlich nie ein Mittelfeld-Club sein.

Warum?

Schmid: Die Arena, die Infrastruktur, das Zuschauerinteresse, das wirtschaftliche Umfeld - das alles passt nicht zu einem Durchschnittsverein. Oder besser gesagt: Ein Club mit diesen Möglichkeiten, darf sich in dieser Tabellenregion nicht allzu lange aufhalten. Es wäre fatal, wenn sich die Löwen die nächsten Jahre damit anfreunden, dass sie ein Club aus dem Tabellenmittelfeld sind. Weil dann sind sie es irgendwann wirklich. Es muss jetzt bei den Löwen schrittweise wieder nach oben gehen.

Was könnte schon jetzt helfen?

Schmid: Die Aufbruchstimmung. Mit den neuen Gesichtern in der Vereinsführung, mit Uwe Gensheimer als Sportchef und Maik Machulla als erfahrenem Trainer - das sind Argumente dafür, dass ein neuer Schwung reinkommt. Die Löwen können unbelastet in die Saison starten, haben wenig Druck. Das ist einfach etwas anderes, als wenn du vorher die Europapokalteilnahme als Ziel ausrufst. Denn wenn du der Realität knallhart ins Auge siehst und weißt, woher du kommst und was du aktuell leisten kannst, dann ist die Chance auf etwas Überraschens deutlich größer, als wenn du zu hohe Ziele ausgibst.

Andy Schmid spielte zwölf Jahre für die Löwen. © AS Sportfoto/ Binder

Gibt es innerhalb der Liga einen Transfer oder Personalwechsel, den Sie besonders spannend finden?

Schmid: Misha Kaufmann als neuer Trainer beim TVB Stuttgart, das ist interessant. Stuttgart hat in den vergangenen Jahren immer unter den eigenen Möglichkeiten gespielt. Dabei hat der ganze Raum Stuttgart auch mit seiner Wirtschaftskraft ein riesiges Potenzial. Mit Misha ist jetzt ein Trainer dort, der es nicht akzeptieren wird, dass der TVB irgendwo unten in der Tabelle mitspielt. Ich traue Stuttgart zu, die große Überraschung zu werden.

In Ihren zwölf Jahren bei den Löwen haben Sie Seite an Seite mit Patrick Groetzki gespielt, der im nächsten Sommer seine Karriere nach 19 Jahren bei den Löwen beenden wird. Was geben Sie ihm für seine letzte Saison im gelben Trikot mit auf den Weg?

Schmid: Wenn ich seine Beine so sehe, muss ich sagen: Die werden nicht mehr dicker. Es wird also Zeit, aufzuhören (lacht). Natürlich wünsche ich ihm, dass er diese Reise verletzungsfrei und unbeschwert absolviert, dass er den nötigen Respekt von den Gegnern bekommt. 19 Jahre Bundesliga - und alle 19 Jahre bei einem einzigen Verein. Das gibt es eigentlich nicht mehr. Ich hoffe, dass er eine gute Saison spielt und ab und zu vielleicht daran denkt, dass hinter ihm mit Gino Steenaerts ein junger Schweizer auf der Bank sitzt, dem auch ein bisschen Licht ganz guttun würde (lacht).

Redaktion Handball-Reporter, Rhein-Neckar Löwen und Nationalmannschaft

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