München. Davon zu sprechen, er sei ein Überbleibsel, wäre zweifelsohne ein wenig despektierlich. In der Tat ist Jannik Kohlbacher von den Rhein-Neckar Löwen aber neben Andreas Wolff der einzige Spieler im aktuellen Kader des Deutschen Handballbundes (DHB), der einen Titel mit der Nationalmannschaft gewann. 2016 war das, als sich das Team des damaligen Bundestrainers Dagur Sigurdsson sensationell EM-Gold holte. Kohlbacher war damals 20 Jahre alt, erst knapp drei Monate zuvor hatte er überhaupt sein Länderspieldebüt in Flensburg gegen Brasilien gefeiert. Zwei Tore gelangen ihm. Lang ist‘s her.
Mittlerweile trug der 30-jährige Kreisläufer in 124 Partien das Deutschland-Trikot. Nur Torwart Wolff (34 Jahre, 184 Länderspiele) ist älter und kommt auf mehr Einsätze in der DHB-Auswahl, in der sieben Spieler 23 Jahre und jünger sind. Mit dem erkrankten Justus Fischer wären es in der aktuellen Lehrgangswoche sogar acht.
Bei den Löwen ist Kohlbacher absoluter Stammspieler
Kurzum: Kohlbacher gehört zu den Routiniers. Übrigens auch bei den Löwen, wo er vor dieser Saison zum stellvertretenden Kapitän aufstieg. Spürt der Kreisläufer nun auch im Nationalteam ein höheres Verantwortungsbewusstsein? „Es wäre falsch, die Frage mit ,Nein‘ zu beantworten“, sagt Kohlbacher, der dennoch für eine differenziertere Sichtweise plädiert.
„Meine Rolle ist in der Nationalmannschaft eine etwas andere“, meint der Kreisläufer mit Blick auf die Tatsache, dass er bei den Löwen unumstrittener Stammspieler ist. Bei der DHB-Auswahl sieht das jedoch ein wenig anders aus: Kapitän Johannes Golla ist am Kreis gesetzt, Kohlbacher ist sein Vertreter und vor allem auch ein klassischer Rollenspieler für Überzahlsituationen, weil er sich mit Mittelmann Juri Knorr aus gemeinsamen Zeiten bei den Rhein-Neckar Löwen praktisch blind versteht.
Dass er in der Nationalmannschaft eher in der zweiten Reihe steht, ist für den Odenwälder allerdings überhaupt kein Problem. „Ich unterstütze immer gerne, gebe Hilfe“, sagt Kohlbacher, der am Sonntag (17.15 Uhr) in München auf seinen 125. Länderspieleinsatz kommt. Dann trifft das DHB-Team erneut auf Island. Gegen die Nordeuropäer hatten die Deutschen am Donnerstag in Nürnberg mit 42:31 gewonnen.
Kohlbacher sieht viele Nationen auf Augenhöhe
Die beiden Partien sind die letzten vor der unmittelbaren EM-Vorbereitung, im Januar steht das Turnier in Dänemark, Schweden und Norwegen an – und die deutsche Mannschaft durchaus unter Beobachtung. Denn nachdem das Team bei der Heim-Europameisterschaft 2024 das Halbfinale und ein paar Monate später Olympia-Silber gewonnen hatte, ging das Viertelfinal-Aus bei der WM in diesem Jahr gegen Portugal dann doch eher als Enttäuschung durch. Zumal auch die Auftritte in Vor- und Hauptrunde wenig überzeugend waren.
„Im internationalen Handball ist es mittlerweile fast genauso wie in der Bundesliga. Viele Mannschaften können sich gegenseitig schlagen, alles liegt vom Niveau eng beisammen“, sagt Kohlbacher und macht eine einzige Ausnahme: die Dänen. „Die sind momentan immer Favorit. Und wenn sie ihr Maximum erreichen, sind sie kaum zu schlagen.“
Kohlbacher: „Ein Lauf wird immer wichtiger“
Danach aber, meint der Kreisläufer, falle eine Klassifizierung schwer. „Die Franzosen wurden Europameister, wir haben sie aber bei den Olympischen Spielen besiegt, zusätzlich noch gegen ein paar andere wirklich starke Nationen gewonnen und Silber geholt“, erinnert Kohlbacher an den Coup von Paris.
Seiner Meinung nach sind die Zeiten vorbei, in denen fast immer Dänemark, Frankreich, Schweden und Spanien im Halbfinale stehen: „Das gibt es so nicht mehr, andere Nationen haben aufgeholt. Und zu denen gehören wir auch. Mittlerweile haben sechs, sieben Mannschaften eine Chance aufs Halbfinale und es wird immer wichtiger, innerhalb eines Turniers schnell seine Form zu finden und in einen Lauf zu kommen, einfach ein gutes Gefühl zu entwickeln. Bei den Olympischen Spielen ist uns das gelungen.“
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