Fechten - Anne Sauer, Leonie Ebert und Björn Hübner sprechen über die Beweggründe ihres Wechsels vom FC Tauberbischofsheim zu „Future Fencing“ in Werbach

„Entscheidungen für Sportler treffen“

Von 
Michael Fürst
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Der Vereinswechsel der Spitzenfechter Anne Sauer, Leonie Ebert, Carolin Golubytskyi und Björn Hübner vom Fecht-Club Tauberbischofsheim zum FC Werbach (wir berichteten) hat nicht nur in Fechter-Kreisen hohe Beachtung gefunden. Es war sozusagen der negative Höhepunkt jahrelanger Querelen und Missverständnisse. Im großen FN-Interview sprechen Anne Sauer, Leonie Ebert und Björn Hübner noch einmal über die Gründe des Wechsels und ihre Pläne. Als Trotzreaktion wollen die Nationalmannschaftsathleten diesen Wechsel allerdings nicht verstanden wissen – vielmehr als bewussten Schritt.

Frau Sauer, Frau Ebert und Herr Hübner, sind Sie nun erleichtert, dass die Entscheidung über den Vereinswechsel gefallen und dieser nun auch vollzogen ist?

Leonie Ebert: Ja. Björn Hübner: Ich habe nie gedacht, dass ich die letzten anderthalb Jahre meiner Karriere nicht mehr für „Tauber“ starte. Aber nun ist es so, und es ist gut so. Anne Sauer: Wir haben jetzt unsere Ruhe und keinen Stress mehr, was die Vereinsangelegenheiten beim FC Tauberbischofsheim angeht. Zudem sind wir in Werbach in guten Händen. Wir haben einen Verein gefunden, der uns unterstützt. Wir fühlen uns willkommen.

Wie äußerte sich dieser Stress?

Ebert: Die Atmosphäre hat nicht mehr gestimmt. Wir hatten auch nicht mehr das Gefühl, dass alle an einem Strang ziehen. Im Gegenteil: Man hatte Angst, dass Vereinsfunktionäre gegen Athleten arbeiten. Hübner: Man hat beim FC das Ziel aus den Augen verloren. Es geht seit Jahren nicht mehr um den Sport. Es gibt ständig Querelen, Machtkämpfe, und es geht darum, bestimmte Jobs zu erhalten. Es geht nicht mehr um die Sache, um das, was wir eigentlich lieben. Man hört nicht mehr zu und versucht nur noch, Löcher zu stopfen. Es wird nicht mehr nach vorne gedacht.

Wie waren die Reaktionen?

Hübner: Ich habe schon Gegenwind bekommen. Und jetzt merkt man an den Blicken im Fecht-Zentrum, dass die Entscheidung der Mädels manchen missfällt. Ebert: Ich schaue da schon gar nicht mehr drauf. Ich bin befreit und freue mich einfach, dass ich jetzt mein Ding machen kann. Sauer: Ich blende das aus. Meine Stimmung ist seit dem Wechsel besser. Hübner: Wir Athleten wurden in den vergangenen Monaten überall angesprochen und mussten uns permanent rechtfertigen über negative Dinge aus dem Fecht-Club, über die wieder berichtet worden war. Das nervte ungemein. Ebert: Es hat sich in den vergangenen Jahren herauskristallisiert, dass wir Athleten immer mehr unterschiedlicher Meinung mit den Führungspersonen im Club waren. Das hat mit der Kündigung von Andrea Magro begonnen.

Aber Sie, Frau Sauer und Frau Ebert, trainieren ja immer noch in dieser „Atmosphäre“.

Sauer: Ja, aber wir haben mit den Interna nichts mehr zu tun. Bei uns in der Trainingsgruppe ist die Stimmung ja gut. Ebert: Man weiß, dass man nicht mehr von manchen Leuten abhängig ist und fühlt sich deshalb erleichtert.

Was war letztlich der ausschlaggebende Punkt für den Wechsel? Mangelnde Wertschätzung der Führung oder dann doch der Weggang von Rita König?

Sauer: Ein respektvoller Umgang miteinander und auch die Wertschätzung unserer Arbeit ist die Basis eines erfolgreichen Miteinanders. Dieser Rückhalt hat uns am Ende gefehlt und war mit der ausschlaggebende Punkt. Ebert: Das einzige, was einen Sportclub fördert, sind die Erfolge der eigenen Athleten. Wenn die Erfolge da sind, und die Athleten erfahren keine Wertschätzung, dann läuft etwas falsch bei der Prioritätenvergabe. Sauer: Rita Königs Entscheidung, die SMT zu verlassen, hatte nichts mit unserem Wechsel zu tun. Sie war aber zum Schluss unser letzter Ansprechpartner, wenn es um Sport ging.

Gab es noch eine Alternative zum FC Werbach?

Ebert: Wir haben uns recht schnell für Werbach entschieden. Wichtig dabei, war in der Region zu bleiben. Sauer: Mich haben mehrere Vereine angesprochen. Aber wir sind hier aus der Region, und da war Werbach die beste Lösung.

Ist der Wechsel bis 2020 „befristet“?

Ebert: Nein, wir fokussieren uns nur voll auf 2020. Hübner: Ich musste über die Aussage von Lothar Derr schmunzeln, der hoffte, dass die Mädels bald wieder zurückkehren werden.

Was konkret passiert jetzt beim FC Werbach?

Hübner: Erst einmal haben wir uns umbenannt: Wir heißen jetzt „Future Fencing“. Wir wollen dort etwas aufbauen. Anne unterstützt mich jetzt auch schon beim Training, wenn ich in Dormagen auf Säbel-Lehrgang bin. Wir haben ein Konzept erstellt. Es war kein leeres Versprechen, dass wir in Werbach etwas bewegen wollen. Wir haben ein neues Logo entwickelt und arbeiten am Aufbau unserer Homepage. Sauer: Wir wollen zusammen überlegen und zusammen Entscheidungen für die Sportler treffen. Ebert: Wir wollen für die Zukunft etwas aufbauen, und die Athleten gestalten mit. Das Futuristische an unserem Verein ist, dass die Athleten von Anfang an mitgestalten. Wir schauen nicht tatenlos zu, sondern können aktiv für unsere Interessen einstehen. Das ist das Konzept.

Das klingt jung und dynamisch. Ist es das, was Ihnen am FC Tauberbischofsheim am Ende gefehlt hat?

Ebert: In den letzten zwei Jahren haben wir, wenn wir mit den Entscheidungen des Vorstandes nicht einverstanden waren, oftmals unsere Stimme erhoben. Aber es ist eben nichts passiert. Umso mehr bedeutet es mir jetzt etwas, dass wir alle an einem Strang ziehen wollen. Hübner: Wir haben den Vorteil, dass wir kurze Wege haben. Wenn wir etwas ändern möchten, dann machen wir das. Das war beim Fecht-Club Tauberbischofsheim mit all den Gremien wie Vorstand und Beirat zu kompliziert. Wir können hier noch gestalten. Wir haben dem Fecht-Club Tauberbischofsheim viel zu verdanken, im Grunde alles, was wir geworden sind. Doch jetzt haben wir eben keinen Fortschritt mehr gesehen. Es ist nichts mehr passiert, und jetzt haben wir unsere Zukunft eben selbst in die Hand genommen. Sauer: Wir sind dem FC Tauberbischofsheim sehr dankbar für all die Unterstützung in den vergangenen Jahren. Wir hatten ja auch gute Jahre dort und wollen nicht nachtreten. Aber jetzt war der Punkt erreicht, wo wir getrennte Wege gehen mussten, um uns weiterzuentwickeln.

Aber Sie treten jetzt in Konkurrenz zum FC Tauberbischofsheim.

Hübner: Das ist vielleicht gut so. Sauer: Ja, es kann ja nun sein, dass wir bei Deutschen Florett-Meisterschaften gegeneinander fechten. Hübner: Und beim Säbel-Nachwuchs kann das auch passieren.

Wird bei „Future Fencing“ bald auch Florett gelehrt?

Sauer: Wenn es Interessenten gibt, sagen wir da nicht nein. Ebert: Es gibt ja schon Anfragen. In Zukunft wollen wir schon Florett-Nachwuchs in den Verein holen.

Dann war das nicht nur ein Lippenbekenntnis, dort in Werbach etwas aufzubauen?

Sauer: Ich glaube, dass wir etwas belächelt worden sind, lag mit daran, dass wir uns nicht ausführlich dazu geäußert haben. Das hatte aber den Grund, dass wir im Urlaub waren und unsere Ruhe haben wollten. Es stand von Beginn an eine Idee und ein Konzept dahinter. Es war keine Trotzreaktion – so wie es oft dargestellt wurde.

Carolin Golubytskyi ist noch in der Babypause, ist aber mit nach Werbach gewechselt. Wir, die Sportredaktion der FN, haben Sie bereits kontaktiert und gefragt, ob dieser Wechsel gleichbedeutend mit einem Comeback ist, haben aber bisher leider keine Antwort erhalten. Wissen Sie schon mehr?

Hübner: Sie ist mitgewechselt. So viel steht fest. Sie plant alles, wie es für sie laufen könnte. Ob es klappt, dass sie wieder in die Olympia-Qualifikation einsteigt, wissen wir auch noch nicht. Wir machen ihr keinen Stress. Die Familie ist erst einmal wichtiger. Ebert: Caro war unsere Top-Fechterin. Sie hat das Team angeführt. Wenn sie zurückkommt und wieder nach oben will, dann wird sie das auch schaffen. Aber es liegt nicht in unserer Kompetenz, für Caro zu sprechen. Sauer: Sie organisiert gerade alles, und das ist nicht so einfach. Aber ich weiß: Sie ist motiviert.

Zur Olympia-Qualifikation: Wie laufen die Vorbereitungen, und ist der Abschied von Andrea Magro endgültig abgehakt?

Ebert: Ich bin 19 Jahre alt und noch in der Lernphase. Es hätte mich zurück geworfen, wenn ich ihm weiter nachgetrauert hätte. Und deshalb habe ich mich voll und ganz auf das Training mit Giovanni Bortolaso eingelassen. Sauer: Wir wollen das Beste herausholen. Giovanni Bortolaso ist fachlich ein genauso guter Trainer wie Andrea Magro. Wir haben uns als Team voll auf ihn eingelassen.

Wie schwer wird die „Quali“?

Sauer: Sehr schwer. Wir wissen, dass es eine intensive Zeit wird, aber wir sind mega motiviert. Da wir „Future Fencing“ nun im Rücken haben, wird es für uns etwas einfacher. Ebert: Wir sind ein Team, bei dem jede für jede einsteht. Deshalb kämpfen wir im Grunde noch mehr als hundert Prozent.

Wie beurteilen Sie den Zustand des Deutschen Fechter-Bundes?

Sauer: Ich denke nicht, dass es unsere Aufgabe ist, den Zustand unseres Verbandes zu beurteilen. Wir haben nach der WM in China mitbekommen, dass der Verband schlecht gemacht worden ist. Ich kann allen versichern, dass wir immer versuchen, Medaillen zu holen. Aber es klappt eben nicht immer. Ebert: Vielleicht könnte der Verband unsere Leistungen manchmal etwas besser darstellen und mehr aufzeigen, wo das Potenzial bei einem liegt und dafür weniger öffentlich kritisieren. Das ist destruktiv. Hübner: Es ist spätestens seit der Leistungssportreform immer mehr eine Geld-Frage. Als Beispiel: Wir bräuchten jetzt einen Top-Athletik-Trainer. Aber da wird leider nichts gemacht. Man erwartet von uns Athleten immer Professionalität, aber oft geben die Strukturen des DFeB überhaupt keine Professionalität her. Dann wundert man sich, dass es immer weniger Erfolge gibt. Aber wir jammern nicht: Ich habe mir selbst einen Athletik-Trainer besorgt.

Ist das nicht extrem nervig, wenn Sie als Athleten den ganzen Tag alles für „Ihren“ Sport geben, und vom Verband fehlt die letzte Unterstützung?

Sauer: Klar ist man genervt. Aber der Verband kann ja auch nur bedingt etwas dafür, weil die Verteilung der Gelder von oben kommt. Ich mache jetzt meinen eigenen Trainingsplan in Sachen Athletik und bin sozusagen mein eigener Athletiktrainer. Ebert: Ich mache mein Athletiktraining individuell. Wenn wir alle immer zusammen trainieren könnten, nicht nur im Fechten, dann wäre das viel, viel besser. Wir sollen in der Weltspitze mithalten, aber andere Nationen wie Russland oder Japan haben professionelle Verhältnisse, wie Athletiktrainer und medizinische Zentren, wir nicht. Sauer: Franzosen und Italiener haben ihre Athletik-Trainer sogar auf den Weltcups dabei. Wir haben beim DFeB und beim Fecht-Club immer für einen Athletiktrainer gekämpft, nur für sechs Stunden in der Woche. Aber es hat sich leider nichts getan. Ebert: Bei der Junioren-WM hatten wir nicht einmal einen Physiotherapeuten dabei. Ich musste bei den Italienern um eine Massage betteln. Aber: Immer nur lamentieren, bringt uns auch nicht weiter.

Frau Sauer und Frau Ebert, Sie stehen aktuell so gut auf der Weltrangliste, dass Sie auch die Olympia-Qualifikation im Einzel ohne Mannschaft schaffen können. Hat trotzdem das Team Priorität?

Ebert: Wir kämpfen schon so viele Jahre zusammen und wollen es unbedingt als Team schaffen. Für mich hat die Mannschaft Priorität. Außerdem ist es doch so: Wenn wir drei Fechterinnen nach Tokio in die Einzelkonkurrenz bringen, ist die Wahrscheinlichkeit höher, dass wir dort eine Medaille holen. Sauer: Mein Ziel ist es definitiv, im Einzel und im Team bei Olympia 2020 starten. Zudem hätten wir somit auch zwei Medaillenchancen.

Ressortleitung Reporterchef und Leiter der Sportredaktion

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