Abfallwirtschaft - Kreistag dreht wegen größerer Restmüllmenge und allgemein höherer Kosten an der Preisschraube

Müllgebühren im Neckar-Odenwald-Kreis steigen im neuen Jahr

Von 
Ralf Scherer
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Ist das aktuelle System der Müllentsorgung im Neckar-Odenwald-Kreis noch zeitgemäß? Darüber soll im kommenden Jahr im Kreistag diskutiert werden. © Ralf Scherer

Neckar-Odenwald-Kreis. Ob Energie, Baustoffe oder Lebensmittel – die Preisspirale bei vielen Waren und Dienstleistungen dreht sich seit Monaten immer schneller. Seit Montag steht fest: Auch der Neckar-Odenwald-Kreis dreht kräftig an der Preisschraube mit. Im neuen Jahr steigt die haushaltsbezogene Grundgebühr für die Abfallentsorgung um 1,8 Prozent. Die Gebühren für die Müllbehälter verteuern sich um 6,6 Prozent. Einem entsprechenden Beschlussvorschlag der Landkreisverwaltung stimmten die Kreistagsmitglieder in ihrer Sitzung im Merchinger Schloss mehrheitlich zu. Grüne und AfD lehnten die Preiserhöhungen ab.

Weshalb der Landkreis seinen Bürgern bereits zwei Jahre nach Einführung des aktuellen Gebührensystems erneut tiefer in den Geldbeutel greift, hatten eingangs Landrat Dr. Achim Brötel und Dr. Mathias Ginter, Vorstand der Kreislaufwirtschaft im Neckar-Odenwald-Kreis (KWiN), erläutert. Als Ursachen nannten sie ein Defizit aus den Jahren 2019 und 2020 in Höhe von insgesamt rund einer Million Euro, eine entgegen den Erwartungen gestiegene Menge an Restmüll und allgemeine Kostensteigerungen aufgrund der hohen Inflationsraten. „Viele gute Gründe“, wie Brötel konstatierte.

Die mit der Einführung der Bioenergietonne verbundene Hoffnung auf einen Rückgang der Restmüllmenge habe sich nicht erfüllt, ergänzte Ginter. Im Gegenteil. Im Jahr 2020 sei sogar eine Steigerung zu verzeichnen. „Die ursprünglich kalkulierten Einsparungen haben sich insofern nicht realisieren lassen“, heißt es in der Sitzungsvorlage.

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Neben den gestiegenen Entsorgungskosten ging Ginter auf die aktuell hohe Inflation und weitere zu erwartende Preissteigerungen im kommenden Jahr ein. Vor dem Hintergrund des bereits bestehenden Defizits sei es deshalb notwendig, einen Puffer in der Kalkulation der Gebühren zu berücksichtigen. Durch die Erhöhung rechnet Ginter im kommenden Jahr mit einem Überschuss in Höhe von 530 000 Euro. „Bis Ende 2023 soll der Verlustvortrag ausgeglichen werden“, betonte er.

Für das kommende Jahr stellte Ginter eine Diskussion über den Leistungsumfang der Abfallwirtschaft im Neckar-Odenwald-Kreis in Aussicht. In einem solchen Rahmen solle überprüft werden, welche Angebote tatsächlich genutzt werden, welche Möglichkeiten die Digitalisierung bietet und wie die Müllmenge reduziert beziehungsweise das Gebührensystem verändert werden kann. „Wir haben zu viel Volumen“, skizzierte Ginter das Kernproblem. Das Thema Müllvermeidung müsse deshalb stärker in den Blick genommen werden.

„Kein nachhaltiges Handeln“

Deutlichen Widerspruch ernteten Brötel und Ginter für ihre Darstellung von Kreisrätin Amelie Pfeiffer (Grüne): „Das Defizit ist nicht vom Himmel gefallen.“ Sie monierte, dass es keine Möglichkeit gegeben habe, im Rahmen einer Klausurtagung über Leistungen und Gebühren zu diskutieren, um die Situation einschätzen zu können. Es sei lediglich eine neue Kalkulation vorgelegt worden. „Das ist kein nachhaltiges und vorausschauendes Handeln“, so Pfeiffer. „Alternativen hätte es gegeben, wenn wir rechtzeitig gehandelt hätten“, sagte sie mit Verweis auf die Vorgehensweise anderer Landkreise. Um Anreize für eine Müllvermeidung zu setzen, werde beispielsweise die Restmülltonne im Main-Tauber-Kreis nur alle vier Wochen geleert. Jede zusätzliche Abholung müsse extra bezahlt werden. „Das ist jetzt zeitlich aber nicht mehr umsetzbar“, so Pfeiffer. Die Abfallkalender für das kommende Jahr seien längst verteilt worden. Die Einführung des neuen Systems vor zwei Jahren bezeichnete sie als strategischen Fehler. Das durch die Bioenergietonne verfügbare Behältervolumen habe sich verdoppelt. „Und das wird auch gefüllt.“ Aus der Sicht ihrer Fraktion sei eine Chance verpasst worden. „Jetzt müssen wir wieder ein Jahr warten“, so Pfeiffer.

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Alois Gerig (CDU) betonte, dass es darum gehe, „ein möglichst komfortables Erfassungssystem für Abfälle und Reststoffe zu gestalten und gleichzeitig dafür Sorge zu tragen, dass die Gebühren dafür erträglich bleiben“. Die Herausforderungen seien im Entsorgungsbereich enorm. Neue Gesetze und Verordnungen brächten funktionierende Systeme ins Wanken. Der Rückgang der Restmüllmenge sei nicht wie erhofft eingetreten und die Corona-Pandemie sei dafür sicherlich auch zu einem Teil mitverantwortlich.

In der Summe gebe es somit einige Gründe für „eine kurzfristige, wenn auch halbwegs moderate, Anhebung der Müllgebühren“, so Gerig. Er hoffe, dass Müllmenge und Rohstoffpreise nach dem Ende der Pandemie wieder sinken und die Entsorgungsgebühren für einige Jahre stabil gehalten werden können.

„Moderate Erhöhung“

Marco Eckl (Freie Wähler) verwies auf ein komfortables Müllentsorgungssystem im Neckar-Odenwald-Kreis, das seinen Preis habe. Dieser Aspekt gerate jedoch allzu häufig in den Hintergrund. Eine funktionierende Ver- und Entsorgung sei für viele selbstverständlich geworden, dürfe aber wenig oder am besten gar nichts kosten. „Wir sind der Meinung, dass grundsätzlich die durch die Nutzer verursachten Mehrkosten auch durch diese zu tragen sind“, so Eckl. Seine Fraktion stimme solchen Erhöhungen nicht leichtfertig zu. Der Umfang sei jedoch moderat und ein Abwarten bis zum Ende der Verrechnungsfrist unverantwortlich. Dann müssten die Gebühren nämlich in einem großen Sprung angehoben werden.

Dass der kalkulierte Rückgang der Entsorgungskosten nicht eingetreten sei, „geht auf unser aller Konto“, sagte Dr. Dorothee Schlegel (SPD). Oberstes Ziel sei jedoch der Erhalt einer funktionsfähigen Abfallwirtschaft. Schlegel legte in ihrer Stellungnahme den Schwerpunkt auf das Thema Abfallvermeidung: „Machen Sie Ihrem Geldbeutel und der Umwelt zuliebe regen Gebrauch davon, um weniger Müll zu erzeugen, um damit die Gebühren bald wieder zu senken.“

„Eine gute Leistung muss auch gut bezahlt werden“, sagte Ralf Barwig (AfD). Die geplante Erhöhung lehne seine Fraktion dennoch ab. „Niemand produziert absichtlich Müll. Es ist Zeit für andere Lösungen“, betonte er auch aus Sorge um zunehmend wilde Müllablagerungen im Fall steigender Gebühren.

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