Zeitzeugencafé

50 Jahre NOK: Emotionaler Rückblick auf die Kreisgeschichte

Mit einem „Zeitzeugencafé“ im Kultur- und Begegnungszentrum „fideljo“ in Mosbach setzte der 1973 neu entstandene Landkreis seine Jubiläumsfeierlichkeiten fort.

Von 
Ursula Brinkmann
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Neckar-Odenwald-Kreis. Der Neckar-Odenwald-Kreis feiert Geburtstag. Man könnte auch sagen: Goldene Hochzeit. Beides Grund zum Feiern. Mit einem „Zeitzeugencafé“ im Kultur- und Begegnungszentrum „fideljo“ in Mosbach setzte der 1973 neu entstandene Landkreis seine Jubiläumsfeierlichkeiten fort und ließ von Bäcker- und Konditormeister Siegfried Brenneis eine besondere Torte kreieren. Man könnte es für eine ironische Notiz der Geschichte halten, dass mit dem Jubiläumskuchen nun das genaue Gegenteil dessen geschah, wofür er steht: Er wurde zerteilt – 50 Jahre nachdem aus den beiden Landkreisen Mosbach und Buchen der heutige Neckar-Odenwald-Kreis wurde.

Gehaltvolle Mischung

Inhaltlich gibt sich die Torte jubiläumskonform mit einer gehaltvoll-wohlschmeckenden Mischung (überwiegend) Neckar-Odenwälder Zutaten. Brenneis verriet, was drin steckt: „Dinkel- und Grünkernmehl, Walnüsse, Butter, Sahne, Kuvertüre, Waldhonig, Apfelmarmelade – und Schnaps.“ Zum Gaumen- kredenzte das Landratsamt den Ohrenschmaus; Festspiel-Intendant Rainer Roos begleitete die Kaffeehausrunde mit Kaffeehausmelodien, vielfach Wiener Provenienz. Zu Kaffee, Kuchen, Musik und Austausch waren Zeugen und Zeuginnen der vergangenen 50 NOK-Jahre geladen, rund 150 an der Zahl; die XXL-Version der Jubiläumstorte – die Brenneis, assistiert von Landrat Dr. Achim Brötel, fachgerecht zerteilte – reichte dafür locker aus.

Dass die Kreisreform 1973 damals vielen nicht schmeckte, ist bekannt. Manchem steckt sie noch immer wie ein Kloß im Hals. Das zeigte sich beim Hauptprogrammpunkt des Nachmittags. Man habe, erläuterte Achim Brötel, Zeitzeugen für „Rückblicke, Einblicke und Ausblicke“ geladen, die die Entstehung und die Entwicklung des neuen Kreises miterlebt und aktiv mitgestaltet hätten.

Auf der Bühne standen sieben Stühle bereit, in der Mitte (als einzige Frau) SWR-Journalistin Friederike Kroitzsch, die sich als Zeitzeugen-„Dompteuse“ entpuppte. So würde sie der Landrat am Ende des Gesprächs loben, das zeigte, dass die Blickwinkel, aus denen die Kreishistorie betrachtet werden sollte, genauso unterschiedlich waren, wie sie von Brötel angekündigt wurden.

Von Heinz Janalik wollte Kroitzsch als Erstem wissen, wie er das damals erlebt habe, als Nicht-Politiker, als Vertriebener, als in beiden ehemaligen Kreisen Lebender, als „personifiziertes Kind des Gesamtkreises“, wie ihn Achim Brötel charakterisierte? Als Sportfunktionär, der er war, gehöre für ihn eine gesunde Gegnerschaft dazu. „Aber nicht ohne Fairness!“

Das Verbindende auf den Handlungsfeldern des Sports habe er damals gesehen und er begrüße es heute noch, zumal Janalik sich vom Verlauf des Podiumsgesprächs „im Nachhinein erschüttert“ zeigte. So eine „Heftigkeit“ wie auf dem politischen Handlungsfeld könne er in anderen Bereichen des gesellschaftlichen Zusammenlebens nicht feststellen.

Landrat Dr. Achim Brötel sowie Bäcker- und Konditormeister Siegfried Brenneis schnitten die Torte an. © Ursula Brinkmann

Danach, wie er sich damals gefühlt habe, fragte Friederike Kroitzsch als Nächsten den früheren Bürgermeister der Stadt Buchen und langjährigen Kreisrat Josef Frank. Sie weckte damit offenbar ein Gespenst. „Man hat uns die Wahrheit verweigert“, reagierte Frank empfindlich, mit der Arroganz der Mosbacher habe er sich sehr schwergetan. „Doch als Demokraten haben wir die Entscheidung akzeptiert und gewaltig am Werden des NOK mitgewirkt“, lenkte Frank später ein, „wir haben das verkraftet, sind ein Teil dieses NOK geworden und haben daran gearbeitet, dass der Kreis so aussieht, wie er sich darstellt.“ Dafür bekam er Applaus.

Er, der 1969 nach Obrigheim gezogen sei, fühle sich nicht als Mosbacher, sondern als Neckar-Odenwälder, bekannte Karl Heinz Neser. Er ist der Rekordhalter unter den Kreisräten und gehörte dem Gremium von 1973 und dann 46 Jahre lang an. „Die Zeit heilt die Wunden, und man muss ja zusammenleben“, plädierte der Christdemokrat für Zusammenhalt und machte dafür den Zusammenhalt der Fraktionen aus. „Da raufte man sich zusammen – für den neuen Landkreis.“

Als einen, der im Jahr Null der Kreisreform Personalratsvorsitzender des alten Landratsamtes Buchen, dann Bürgermeister im Landkreis Karlsruhe und später Kreisrat im NOK war, bat die Moderatorin Klaus-Dieter Heller um einem Vorher-Nachher-Vergleich. „Haben Sie nach ihrer Wiederkehr noch die alten Grenzen gespürt?“

„Denkwürdige Auseinandersetzungen“ im Kreistag und auch hinter den Kulissen vorher fielen Heller da ebenso ein wie – nachher – der gute Wille, einen aus den beiden Kreisen zu machen. „Gut und positiv über alle Fraktionen hat man zusammengearbeitet, damit der Kreis in der Region nicht an den Rand gerät.“

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Von Peter Knoche, 1973 Bürgermeister der Gemeinde Seckach und SPD-Kreisrat der ersten Stunde, wollte Kroitzsch an Ende der Kaffeehausrunde wissen, was der NOK aus heutiger Sicht gewonnen habe? „Die Kreisreform war eine gute Sache für die Bürgerinnen und Bürger, der NOK steht heute, beispielsweise was die Zahl der Arbeitsplätze betrifft, gut da.“ Karl Heinz Neser pflichtete ihm bei: „Der Landkreis hat seine Chancen genutzt, auch wenn er manchmal die ‚rote Laterne’ trägt wie beim Steueraufkommen.“

Vorzüge und Schwächen

Die Vorzüge des Lebens im ländlichen Raum können Manfred Pfaus dennoch nicht überzeugen, zurückzukehren. Auch er war Kreisrat der ersten Stunde, „vehementer Kämpfer“ (Kroitzsch) für die Kreisreform, später Landtagsabgeordneter, der heute in Berlin lebt. Der NOK habe sich vorzüglich entwickelt und die Erwartungen erfüllt, blickte er zurück. Pfaus sieht (aus der Ferne) aber auch Strukturschwächen, wie die Verkehrsanbindung und die Situation der Krankenhäuser.

Dem entgegnete Klaus-Dieter Heller: „Wir als Familie finden den Neckar-Odenwald-Kreis supertoll und sind nach 20 Jahren frohen Herzens zurückgekehrt!“

Sein Herz, gab abschließend auch Heinz Janalik die erbetene Liebeserklärung ab, habe immer beiden Teilen gehört. Das Knirschen im Gebälk, das auch 50 Jahre nach dem Zusammenschluss noch zu spüren war – Friederike Kroitzsch will in 50 Jahren wieder zusammenkommen und die letzten Wunden geschlossen sehen.

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