Gesundheitspolitik

„Wir lassen niemanden im Regen stehen“

Die Krankenhauslandschaft befindet sich im Umbruch. 50 Prozent der Kliniken im Land schreiben rote Zahlen. Eine Reform der Finanzierung soll Besserung bringen.

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Der SPD-Landtagsabgeordnete Florian Wahl war am Freitag mit dem Thema „Unser Krankenhaus und die Reform“ zu Gast in Tauberbischofsheim. Zuvor sprach er in Wertheim, wo das abgebildete Foto mit dem SPD-Kreisvorsitzenden Thomas Kraft entstand. © Katharina Buchholz

Tauberbischofsheim. Ein voller Erfolg war am Freitagabend die durch den SPD Kreisvorsitzenden Thomas Kraft moderierte Veranstaltung „Unser Krankenhaus und die Reform“ mit dem Landtagsabgeordneten Florian Wahl in Wertheim. Wahl, als gesundheitspolitische Sprecher seiner Fraktion Fachmann in Sachen Krankenhäuser, gab einen Überblick über die Situation der Krankenhäuser im Land. Der im Schutzschirmverfahren um das Wertheimer Krankenhaus Generalhandlungsbevollmächtigte Mark Boddenberg und sein operativer Berater Christian Höftberger sprachen über ihre Versionen für Wertheim im Besonderen.

Im Anschluss an die Veranstaltung in Wertheim fuhren Florian Wahl und Thomas Kraft direkt nach Tauberbischofsheim. Dort bot die SPD die gleiche Veranstaltung unter dem Titel: „Unser Krankenhaus und die Reform“ an. Die Zahl der Interessenten war hier überschaubar. Florian Wahl erläuterte, dass er diese Erfahrung immer mache. Das sei ein gutes Zeichen für das Krankenhaus Tauberbischofsheim. Die Zahl der Besucher sei immer dann hoch, wenn das Problem, die Unsicherheit oder die Verärgerung groß seien. In Tauberbischofsheim seien die Menschen offensichtlich mit ihrem Krankenhaus zufrieden und machen sich keine Sorgen um die weitere Entwicklung. Das freute Thomas Wigant, den Regionalleiter der BBT-Gruppe für Tauberfranken-Hohenlohe.

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Zunächst skizzierte Florian Wahl die Lage der Krankenhäuser im Land, die deutlich schlechter sei als die in anderen Bundesländern: Fast 50 Prozent der 297 Kliniken schreiben rote Zahlen, betonte der Politiker vor dem Hintergrund, dass das Land seit 2008 schon einen Konsolidierungsweg eingeschlagen habe. Fast 50 Häuser wurden bis heute geschlossen.

Finanziert werden die Krankenhäuser in Deutschland über ein duales System, wobei der Bund für die Betriebskosten, das Land für Investitionskosten (Bau, Unterhalt) aufkommt. „Die Baden-Württembergische Krankenhausgesellschaft sagt, dass wir 800 Millionen dafür jährlich bräuchten, um diesen Anspruch erfüllen zu können“, so der Vorsitzende des Sozialausschusses. Tatsächlich zur Verfügung stehen 440 Millionen Euro.

Diese Situation kritisiere die SPD als Opposition zwar ausdrücklich und stimme da mit den anderen Parteien überein. Der Sozialminister könne sich jedoch nicht so durchsetzen, dass er eine auskömmliche Finanzierung bekommt. Dies werde dadurch abgefedert, dass 69 Prozent der Häuser im Land in öffentlicher Trägerschaft sind. „Das Geld das fehlt, gleichen dann die Kreistage aus.“

Länder müssen sich beteiligen

Wahl forderte einen Diskurs darüber, welche medizinische Leistung wo im Land gebraucht wird und was diese kosten darf. „Durch die Politik des goldenen Handschlags des Sozialministers werden die Konflikte auf die kommunale Ebene verlagert.“ Stattdessen brauche es eine Definition der Krankenhausstandorte auf der Landkarte, statt über Standorte im Einzelnen zu sprechen. Durch die auf Bundesebene forcierte Reform der Krankenhausfinanzierung werde dies nun auch kommen. In der Entwicklung weg von Fallpauschalen hin zur Vorhaltevergütung sieht der Gesundheitspolitiker einen wichtigen Schritt. „Diese Reform wird im ländlichen Raum Standorte retten und finanzierbar halten“, sagte er. Beim immer wieder geforderten Vorschaltgesetz sei die SPD-Fraktion in Richtung der frei-gemeinnützigen und privaten Träger gesprächsbereit. Aber: „Ein Vorschaltgesetz braucht die Beteiligung der Länder“, so Wahl. Diese seien im Vergleich zu Kommunen und Bund in der vergangenen Zeit gut weggekommen. Der Haushaltsüberschuss lag zuletzt bei 6,8 Milliarden Euro. „Wir werden uns einsetzen und dann gilt hoffentlich auch der Satz des Sozialministers, dass wir in der Krankenhauslandschaft aufgrund der aktuellen Situation niemanden im Regen stehen lassen“, betonte Wahl abschließend.

Nach dem Vortrag von Wahl ergänzte Thomas Wigant seine Erfahrungen und Einschätzungen. Ein Grundproblem sei, dass Kliniken mit zwei Wirtschaftssystemen arbeiten müssen. Auf der Einnahmeseite seien die Preise für Leistungen festgesetzt, wie in einer Planwirtschaft. Bei Ausgaben herrschen aber die Bedingungen des Marktes. Sachkosten, Energie und Personal steigen durch Inflation oder Tarifverhandlungen. Diese Steigerungen werden aber bei den Leistungsvergütungen nicht, nicht vollständig oder erst später berücksichtigt. Die Klinik zahlt Tariflohn und vertritt die Auffassung, dass die Arbeit im Krankenhaus gut entlohnt werden muss. Es entstehe aber eine Schere zwischen Einnahmen und Ausgaben.

Die Reform der Krankenhausvergütung sei grundsätzlich positiv. Ein kleineres Haus muss zu einem beachtlichen Teil Leistungen vorhalten. Dadurch entstehen Kosten. Die Inanspruchnahme finde aber natürlich nach Bedarf statt. Das sei in manchen Bereichen kaum wirtschaftlich zu organisieren. Durch die Vorhaltepauschale werde dies berücksichtigt.

Die spannende Frage liege aber im Detail. Es sei noch nicht klar, was hier eingerechnet werde. Die Wirksamkeit werde ab 2027 erwartet. Durch die aktuellen Entwicklungen seien die drei Jahre bis dahin eine große Herausforderung. Hier hofft Wigant auf Maßnahmen, die helfen, diese Zeit zu überbrücken. Die Reform biete insgesamt aber Chancen für die Krankenhäuser auch im ländlichen Raum.

In der anschließenden Diskussion kamen eine Reihe von Themen auf. So wurde angesprochen, dass sich die demografische Entwicklung in den Krankenhäusern doppelt auswirke. Einerseits steige die Zahl der Patienten, andererseits gingen mehr Menschen in Rente als in den Beruf einsteigen.

Es sei daher erforderlich, Menschen im Ausland anzuwerben. Dies finde auch bei uns bereits für die Ausbildung statt. Patientenverhalten sei für die Notaufnahmen eine Herausforderung. Von Menschen, die diese in Anspruch nehmen würden lediglich 38 Prozent anschließend stationär aufgenommen. Eine Patientensteuerung würde helfen, dass die Inanspruchnahme tatsächlich nur im Notfall stattfinde.

Ein Teilnehmer erläuterte ein System in Österreich, das sehr wirksam sei. In der Betrachtung der Krankenhauslandschaft wurde gefordert, die gesamte Raumschaft von Wertheim bis Öhringen zu berücksichtigen. Vorteile seien immer durch Verzahnung und Zusammenarbeit zu erreichen. Ein Zitat von Johannes Rau „Gesundheit ist keine Ware“ steuerte ein Teilnehmer bei. Es fand viel Zustimmung der Teilnehmenden. kabu/spd

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