Hauptlese in den Weinbergen beginnt in Kürze - Gespräch mit Vertretern der WG Markelsheim und der WG Beckstein. Kostensteigerungen. „Solide Quantität und gute Qualität“

Taubertal: Klimawandel bereitet allen Weingärtnern große Sorgen

Die Hauptlese in den Weinbergen der Region wird in den nächsten Tagen beginnen – in Beckstein voraussichtlich am 12. September, „aber erst nach einer genauen Traubenprobe um den exakten Reifegrad zu ermitteln“.

Von 
Bernd Hellstern
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Die Verantwortlichen der Winzergenossenschaft (WG) Beckstein, Vorstand Michael Braun (Mitte), Kellermeister Florian Döller (links) und der Mann fürs Marketing, Michael Spies (rechts), prüfen gemeinsam fürs Foto in den Weinbergen den Reifegrad der Trauben. © Hellstern

Main-Tauber-Kreis. Über die anstehende Hauptlese in den Weinbergen, die Erwartungen an die Ernte und die Trockenheit der vergangenen Monate sprach unsere Zeitung mit Verantwortlichen der Winzergenossenschaft Beckstein und der Weingärtnergenossenschaft Markelsheim.

In den vergangenen Tagen wurden in Markelsheim und Beckstein die diesjährigen Federweißer-Lesen durchgeführt, die dank der guten Wetterbedingungen recht zügig über die Bühne gehen konnten. Auf dem Leseplan in Markelsheim standen unter anderem die Sorten Müller-Thurgau und Solaris (weiß) und Acolon (rot), zusätzlich wurde für den Traubensaft und für den alkoholfreien Secco gelesen. In Beckstein wurden für den Federweißen die Sorten Müller-Thurgau (weiß) und Regent (rot) gelesen.

Den Vorstandsvorsitzenden der WG Markelsheim, Michael Schmitt, trafen die Fränkischen Nachrichten bei der Lese in der Lage „Roggenberg“. Auf Nachfrage erläuterte er kurz die augenblickliche Situation des Weinbaus im Allgemeinen und die derzeitige Situation rund um den Markelsheimer Wein bezüglich Leseplan, Qualität und Zeitpunkt. Der Geschäftsführende Vorstand der Becksteiner Winzer, Michael Braun, Kellermeister Florian Döller und Michael Spies, zuständig für Marketing und Events, standen während einer Inspektion der Trauben vor Ort, in der Weinberglage am Becksteiner Pavillon, Rede und Antwort.

Der Vorstand der Weingärtnergenossenschaft (WG) Markelsheim, Michael Schmitt, hier bei der Lese in der Lage „Roggenberg“. Er erwartet in der Menge ein mittlere Ernte und in der Qualität einen guten 2022er Wein. © Bernd

Die Hauptlese, so die Gesprächspartner, werde innerhalb der nächsten Wochen beginnen. In Beckstein, so Michael Braun, voraussichtlich am 12. September, aber erst nach einer genauen Traubenprobe um den exakten Reifegrad zu ermitteln. Die nächsten Tage, so Michael Schmitt, hätten die Trauben genügend Zeit die noch benötigte Restreife zu erlangen. Man erwarte eine durchschnittliche Ernte in der Menge. Bezüglich der Qualität gehe er von einem guten Jahrgang aus.

Die Trauben seien sehr gesund und fruchtig. Das bestimmende in diesem Jahr seien zweifellos die langen Trockenzeiten gewesen. Aufgrund des heißen Sommers hätten die Reben kräftig Durst gelitten, was besonders an jungen und auf etwas ungünstigem Boden stehenden Rebstöcken zu beobachten war.

Bewässerung teilweise nötig

Um einerseits die Erträge abzusichern, aber auch um zu verhindern dass die Stöcke nicht zu sehr zu leiden hatten und gar kaputt gehen, musste deshalb teilweise mit zusätzlicher Bewässerung geholfen werden. Was nicht nur ihn nachdenklich mache, so Schmitt weiter, „sondern der gesamten Weinwirtschaft Sorge bereitet“, sei der sich in vollem Gange befindliche Klimawandel.

Ein Indiz dafür seien nicht nur die sonst nicht gekannten Wetter- Extreme, man denke nur an die schreckliche Flutkatastrophe im Ahrtal, sondern auch den viel früheren Beginn der Hauptlese unmittelbar nach den Sommerferien. Er erinnere sich noch gut daran, so Schmitt, als sich in früheren Jahren die Lese oft von Oktober bis in den November hinein zog.

Die Sommer würden immer heisser, mit heuer in der Spitze an die 40 Grad – auch in Markelsheim gemessen. Und obwohl Rebstöcke die Wärme mögen und eigentlich gut vertragen, hätte es dazu geführt, „dass einzelne Trauben am Stock regelrecht verbrannt sind“.

Die diesjährige Ernte, so der Vorstandsvorsitzende, läute ja auch das Jubiläum „125 Jahre Weingärtnergenossenschaft Markelsheim“ ein. Und die Weine, die nun geerntet werden, begleiteten dann dieses stolze Jubiläum. Deshalb freue er sich nun auch mitteilen zu können, dass sich das Mostgewicht im hohen bis höheren Bereich bewegt.

Nicht zu süß

Beim Rotwein sei dies gewünscht, bei Weißwein sei man etwas zwiegespalten, da hohe Oechslegrade auch einen höheren Alkoholgehalt ergeben, was man beim Weißwein nicht unbedingt anstrebe. Man mache deshalb die Lese weniger am Zuckergehalt fest, sondern mehr am Verhältnis von Säure zu Süße. Dies könne dazu führen, dass man die Weißweinsorten früher liest als geplant, damit sie nicht zu süß werden.

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Laut Michael Braun von der WG Beckstein sitze man bezüglich der klimatischen Veränderungen und der damit verbundenen Erschwernisse für die Weinwirtschaft im gleichen Boot. Die in den letzten Jahren verstärkte Trockenheit mit sehr wenig Niederschlag stresse vor allem die Jung-Anlagen, auch aufgrund des noch nicht so ausgeprägten Wurzelwerks.

Auch wenn der Rebstock sehr widerstandsfähig und in der Lage ist eine Durststrecke auch Mal zu überbrücken, müsse irgendwann aber der Regen kommen. Es sei eine der Herausforderungen für die nächsten Jahre, die klimatischen Veränderungen in den Griff zu bekommen, dennoch solle man nicht in Panik verfallen. Letztendlich geht es laut Braun um Lebensmittel, wobei die Frage zu stellen sei, was man (in Deutschland) bereit sei, dafür aufzubringen.

In Beckstein beginnt die Hauptlese mit den Sorten Müller-Thurgau, Bacchus (weiß), Regent und Schwarzriesling (rot). Danach folgen die (Haupt-)Sorten Grauburgunder und Chardonnay sowie die Selektionsprogramme, mit Schwerpunkt „Qualität“ durch Ertragsreduzierung. Erwartet wird kein Jahrhundertherbst, durch die intensive Sonnenbestrahlung aber eine solide Quantität und eine gute Qualität.

In der Preisentwicklung sind den Verantwortlichen der beiden WG´s teilweise die Hände gebunden, da man in einem sehr preissensiblen Segment unterwegs sei. Deswegen wurde im Mai in Beckstein nur eine sehr moderate Preisanpassung vorgenommen, die Hersteller wie Konsument gleichermaßen tangiert. In der Materialbeschaffung (alle Lieferanten aus Deutschland) habe man rechtzeitig die Zeichen der Zeit erkannt und vorausschauend gehandelt, womit in diesem Bereich deshalb keine Engpässe entstehen können.

Absatz ins Ausland

Bezüglich des Weinabsatzes haben die politischen Ereignisse im Osten Europas auf beide WG´s nur bedingten Einfluss, da ihre Absatzgebiete vor allem in der Bundesrepublik, den westlichen Anrainerstaaten und in Übersee und in Asien (wichtigster Markt Japan) liegen.

Mit der Traubenlese, so Michael Spies (Beckstein), ist auch ein erhöhter Kundenverkehr (unter anderem in der Vinothek) zu beobachten. Man bietet Weinwanderungen an, um den Kunden oft und gezielt das Thema Wein und Natur nahe zu bringen.

Für die Winzer beider Genossenschaften ist es jedenfalls die schönste Zeit des Jahres. Sehr spannend und sehr arbeitsreich, aber auch mit einer gewissen Vorfreude auf die Belohnung für die Arbeit des ganzen Jahres.

Die Weinliebhaber und Viertelesschlotzer landauf und landab dürfen sich jedenfalls auch dieses Jahr wieder auf edle Tropfen des Jahrgangs 2022 aus den Kellern in Markelsheim und Beckstein freuen.

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