Main-Tauber-Kreis. Schon mehrfach hat die Redaktion mit Branchenvertretern über die Corona-Situation und deren Auswirkungen auf die Geschäfte gesprochen. Nachdem sich die Stimmung im Spätsommer und zu Herbstbeginn merklich aufhellte, sinkt sie aktuell wieder dem Nullpunkt entgegen – Frank Bundschu, der Vorsitzende des Deutschen Hotel- und Gaststättenverbandes (Dehoga) im Main-Tauber-Kreis, spricht gar von einem furchtbaren „déjà vu“.
Lassen Sie uns kurz zurückblicken: Wie ist es der Gastronomie und Hotellerie in den vergangenen Monaten ergangen? Wie liefen die Geschäfte?
Frank Bundschu: Im Sommer und Herbst war die Nachfrage sehr gut. Die Gästen hatten Lust wieder wegzugehen und hatten das eigene Wohnzimmer und die eigene Küche, nach dem langen Lockdown satt. Der Trend zum Deutschland-Urlaub hat der Tourismusregion „Liebliches Taubertal“ bis in den Spätherbst zahlreiche Gäste gebracht. Hier zeigte sich deutlich, dass wir touristisch gut aufgestellt sind.
Oftmals konnte die Nachfrage nicht befriedigt werden, allerdings weil einfach zu viele Gäste kamen, nicht weil keine Mitarbeiter zur Verfügung standen. Unternehmerisch war der gute Sommer wichtig um mal wieder normale Umsätze zu machen und nicht auf finanzielle Hilfen angewiesen zu sein. Auch für die Psyche der Gastwirte und Mitarbeiter war das „normale Geschäft“ sehr positiv.
Wie ist nun die aktuelle Situation?
Bundschu: Die aktuelle Situation ist ein déjà vu-Erlebnis. Viele fühlen sich an das vergangene Jahr erinnert. Nur mit viel schlechteren statistischen Zahlen. Die Angst vor erneuten Betriebsschließungen macht sich breit.
Aktuell laufen die Vorbereitungen und Bestellungen für das Weihnachtsgeschäft, das es vielleicht auch in diesem Jahr nicht geben wird. Besonders die Mitarbeiter befürchten eine neue Runde der Kurzarbeit, mit allen negativen persönlichen und finanziellen Auswirkungen.
Immer informiert sein
Was sagen Sie zu den Entwicklungen auf Bundes- und ebenso auf Landesebene?
Bundschu: Politisch sind wir in der Falle des Föderalismus, Deutschland sollte nie mehr eine starke nationale Macht erhalten. Was vor 70 Jahren anders gedacht war, lähmt nun den Kampf gegen die Pandemie. Dazu kommt der Regierungswechsel, der wichtige Entscheidungen ebenfalls ausbremst.
Die beiden schärfsten Waffen, „Kontaktrückverfolgung“ und „Zutrittskontrollen“ werden von Unternehmen, Kunden aber auch von den Kontrollbehörden nicht ernst genommen. Die Luca-App ist faktisch ausgehebelt, nachdem die Gesundheitsämter überlastet sind und die Kontaktketten nicht mehr auflösen. Zutrittskontrollen werden in allen Bereichen nur lasch durchgeführt.
Wir spüren, dass sich Gäste dort sicher und wohl fühlen, wo die Regeln umgesetzt und kontrolliert werden. Der Dehoga Main Tauber unterstützt Maßnahmen zur Eindämmung der Pandemie. Aber bitte in allen Branchen und konsequent in der Umsetzung. Leider sind immer zuerst die gastronomischen Leistungen im Blickwinkel der Verordnungen, das finden wir ungerecht und überzogen.
Die kommenden Regeln im neuen Infektionsschutzgesetz müssen nun wieder in den Landesverordnungen ungesetzt werden. Der Dehoga spricht sich deutlich gegen eine „2G plus“-Regel aus, dies würde einem faktischen Lockdown gleich kommen, da die Gäste den Testaufwand scheuen. Da nur noch zertifizierte Tests, keine betrieblichen Testergebnisse oder von geschulten Laien durchgeführte Test anerkannt werden, wird der spontane Gastronomiebesuch ausgeschlossen. Viele Betriebe werden dann lieber ganz schließen anstatt alleine mit ein paar Gästen in der Gaststube zu sitzen.
Wie geht es jetzt weiter?
Bundschu: Wir brauchen schnellstmöglich Sicherheit über die Regeln der nächsten Tage und Wochen. Ein weiterer Lockdown wäre ein erneuter Schlag für die Branche, die sich gerade neu aufgestellt hat. „2G plus“ ist für unsere Branche nicht akzeptabel. Auch im Hinblick auf die Mitarbeiter ist unerlässlich, dass es eine Sicherheit für die Betriebe gibt. Im Falle von Schließungen oder Teilschließungen müssen die finanziellen Hilfen aufgestockt werden, so dass Unternehmen und Mitarbeiter ohne finanzielle Verluste über die Zeit kommen. 60 Prozent Kurzarbeitergeld vom üblichen Nettogehalt ist eben zu wenig. Steuerfreie Zuschläge und Trinkgelder bleiben unberücksichtigt und führen zu weiteren Einschnitten im Geldbeutel.
Für die Unternehmer tritt nun wieder Krisenmanagement an die erste Stelle, Kurzarbeit beantragen, Überbrückungshilfe berechnen anstatt Weihnachtsbraten bestellen.
Spüren Sie gerade eine Flut an Absagen von Weihnachtsfeiern oder Familienfeiern vor und an Weihnachten?
Bundschu: Es läuft derzeit wie im Vorjahr. Alle Weihnachtsfeiern werden storniert. Das gleiche gilt für Seminare und Betriebsveranstaltungen. Urlaubsgäste sind keine mehr unterwegs. Die Gästegruppen in den Gastronomien werden kleiner. Dort wo vor 14 Tagen noch Ausnahmezustand an vollen Tischen herrschte, ist nun gähnende Leere.
Einen kompletten Lockdown wird es nicht geben, aber das Sicherheitsgefühl der Gäste ist zerstört und diese kommentieren dies mit „zu Hause bleiben“. Der Dehoga Main Tauber vertritt deutlich die Meinung, dass dort wo Hygienekonzepte, Zutrittskontrollen und Kontaktrückverfolgungen durchgeführt werden, die Gäste sich sicher fühlen können. Kleine Weihnachtsfeiern, Familienfeiern und schöne Restaurantabende sind nicht die „Hotspots“ der Pandemie.
Wie groß sind die personellen Probleme in der Branche?
Bundschu: Die personellen Probleme waren vor der Pandemie schon da. Aber wie soll man eine „gute Mannschaft“ einstellen, wenn der Betrieb, wie im Frühjahr geschlossen ist. Mit welchem Horizont soll ein Arbeitgeber jetzt Mitarbeiter einstellen, wenn wir im Winter immer ausgebremst werden.
Bei den Mitarbeitern rührt ein großes Problem von den Aushilfen her, diese werden in der Kurzarbeit nicht berücksichtigt und konnten so nicht über die Schließungszeit „gerettet“ werden.
Ein guter Stamm von eingelernten Aushilfen ist langfristig und eine Fleißaufgabe, das ist und war in den vergangenen Monaten nicht möglich. Daher bleibt der feste Mitarbeiterstamm mit Fachkräften, die allerdings nur sehr begrenzt vorhanden sind.
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