Tag der Kinder- und Jugendhospizarbeit

Malteser Main-Tauber-Kreis: Familien durch Corona noch isolierter

Zum Tag der Kinder- und Jugendhospizarbeit an diesem Donnerstag weisen die Malteser auf die besonderen Herausforderungen für Familien hin, in denen ein Kind lebensverkürzt erkrankt ist.

Von 
sk/pm
Lesedauer: 
Die Koordinatorin des ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes „Sonnenschein“im Main-Tauber-Kreis, Elsbeth Kiesel, an ihrem Schreibtisch. © Malteser

Main-Tauber-Kreis. Psychosoziale Hilfe, praktische Unterstützung, Therapien oder einfache Momente der Entspannung fallen für viele Eltern und Kinder weg. Zudem sind die Familien nicht in der ersten Priorität der Corona-Impfungen vorgesehen. „Die Angst, dass das schwer erkrankte Kind zusätzlich mit Corona infiziert wird, führt bei allen Familien zu extremen Einschränkungen. Die Eltern sind permanent in Hab-Acht-Stellung, denn auch die gesunden Geschwisterkinder können Covid-19 mit nach Hause bringen“, sagt Elsbeth Kiesel, Koordinatorin des ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes „Sonnenschein“ im Main-Tauber-Kreis. Die Malteser fordern, dass den betroffenen Familien sehr schnell das Angebot zur Impfung gemacht werden muss.

Strenge Selbstisolation

In Familien kümmert sich meist ein Elternteil vollständig um das erkrankte Kind und die Geschwister, ein Elternteil geht arbeiten. In Corona-Zeiten aber wird das Wohnzimmer zum Homeoffice und zum Schulort für die Geschwister. „Die Familienmitglieder isolieren sich meist sehr streng gegenüber außen, um die Ansteckungsgefahr für das schwerkranke Kind Richtung Null zu drücken“, sagt Kiesel.

Immer informiert sein

Die wichtigsten News des Tages

FN Mittags Newsletter - Jetzt anmelden!

Mehr erfahren

Das bestätigt auch die Leiterin des Familienbegleitdienstes der Malteser in Berlin, Antje Rüger-Hochheim. Hier kümmern sich Ehrenamtliche um Familien, in denen ein Elternteil schwerstkrank ist. „Eine Frau, die ihren kranken Partner zu Hause hat und drei kleine Kinder betreuen muss, leistet Extremes. Aus Angst vor einer Infektion werden auch die Kinder zuhause bleiben – was die psychische Belastung auf kleinem Raum für alle Familienmitglieder noch erhöht. Und wie soll ein Kind mit dieser Verantwortung umgehen können?“, fragt Rüger-Hochheim.

Hospizkoordinatorin Elsbeth Kiesel appelliert an die Menschen im Freundeskreis oder der Nachbarschaft: „Es sind die kleinen Gesten, die in diesen Zeiten helfen: Einkaufen gehen für die Familie, einen Kuchen vor die Türe stellen, eine selbstgebastelte Postkarte schreiben statt einer Handy-Nachricht und natürlich aber auch mit Telefon und Videochat für Ablenkung sorgen.“

Ohne Begleitung geht es nicht

Für manche Betroffene geht es auch in Corona-Zeiten nicht ohne direkte Begleitung, also einen Besuch der Ehrenamtlichen. Im Rahmen einer Härtefall-Regelung stehen die Malteser auch hier bereit. Und stoßen auf ganz unterschiedliche Nachfrage. Während in Berlin die Nachfrage sehr hoch ist, ist es im Main-Tauber-Kreis eher ruhig.

Viele ehrenamtliche Begleiter bleiben „ihrer“ Familie auf jeden Fall per Netz verbunden. Messenger-Dienste mit Videofunktion dienen dazu, zum Beispiel doch noch zusammen zu basteln. Während die Kinder am heimischen Küchentisch schneiden und kleben, verfolgt ihre Begleiterin von ihrem Zuhause aus die Fortschritte und gibt Tipps. In einem anderen Fall bleibt über diesen Weg das gemeinsame Gebet mit den Erwachsenen bestehen. „Online verbunden zu sein ersetzt in keinem Fall die persönliche Begleitung, doch funktioniert es in der jetzigen Situation sehr gut“, sagt Elsbeth Kiesel die seit elf Jahren den Dienst leitet. Sie ist froh, dass die Ehrenamtlichen auf diese Weise auch vor Ansteckung geschützt sind und ihre wichtige Unterstützung nicht einstellen. Denn Familien mit einem schwer erkrankten Mitglied können sich nicht noch mehr isolieren. „Der Spielraum ist aufgebraucht“, konstatiert Kiesel.

„Momentan“, sagte Elsbeth Kiesel auf FN-Anfrage, „begleiten wir neun Familien mit einem erkrankten Kind, vier Familien, in denen der Vater oder die Mutter gestorben sind, und eine Familie, der das Baby kurz nach der Geburt gestorben ist.“

2021 haben die Malteser im Main-Tauber-Kreis 14 Familien mit Sternenkindern begleitet, neun Familien, in denen der Vater oder die Mutter erkrankt oder gestorben sind, und zehn Familien mit einem erkrankten Kind. Elsbeth Kiesel gestaltet seit zwei Jahren zusammen mit Susanna Herr, der evangelischen Krankenhauspfarrerin, zwei Mal im Jahr die Sammelbestattung der Schmetterlingskinder auf dem neuen Friedhof in Bad Mergentheim.

Mehr zum Thema

Spendenübergabe

Tauberbischofsheim: 750 Euro für den „Herzenswunsch-Krankenwagen”

Veröffentlicht
Von
feu
Mehr erfahren
Kinder- und Jugendhospiz „Sonnenschein“

Ein Lachen ist für ihn der schönste Lohn

Veröffentlicht
Von
Hans-Peter Kuhnhäuser
Mehr erfahren
Gemeinschaftsschule Weikersheim

Rennen, rollen oder gehen: Fast 500 Kilometer für gute Sache fortbewegt

Veröffentlicht
Von
ib
Mehr erfahren

Aktuell verfügt der Kinder- und Jugendhospizdienst „Sonnenschein“ über 29 Ehrenamtliche, 25 Frauen und vier Männer. Diese Ehrenamtlichen stammen wie die betreuten Familien aus dem gesamten Main-Tauber-Kreis. Viele davon sind im Rentenalter. 2020 fand ein Befähigungskurs für neue Ehrenamtliche statt, der im Frühjahr 2021 abgeschlossen wurde. Dabei wurden elf neue Ehrenamtliche ausgebildet. Der Kurs hat zum Teil unter Corona-Bedingungen stattgefunden, was für alle eine Herausforderung war.

Corona habe laut Elsbeth Kiesel in den vergangenen zwei Jahren ein völlig neues Begleiten in den Familien erfordert: „Viele Familien konnten nicht in Präsenz besucht werden und der Kontakt hat sich auf Telefon, WhatsApp, manchmal Spaziergänge und Treffen im Freien reduziert. Familien dürfen auch heute noch nur mit Sondergenehmigungen und strengen Auflagen besucht werden.“

Elsbeth Kiesel freut sich über einen neuen Raum in der Schillerstraße, in dem sie hofft, bald mit verschieden Kindertrauergruppen anfangen können. Die Einweihung dieses Raumes ist jedoch genauso Corona zum Opfer gefallen wie das geplante Fest zum zehnjährigen Bestehen von „Sonnenschein“ und alle anderen Veranstaltungen.

Elsbeth Kiesel hofft, dass „wir unsere Familien bald wieder mehr in Präsenz und ohne Angst, sie anzustecken, besuchen können. Denn durch Corona sind diese Familien noch mehr isoliert gewesen.“ Die Koordinatorin dankt den Ehrenamtlichen dafür, dass sie sich Gegebenheiten angepasst haben, immer zur Stelle sind, wenn man sie braucht, und mit sehr viel Vorsicht und Verantwortungsbewusstsein in die Familien gehen, damit diese geschützt sind. sk/pm

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten