Main-Tauber-Kreis. Die Mitteilungen der überregionalen Baubranche sind selbst für hartnäckige Optimisten nur schwer verträglich. Von einer „für Unternehmen bedrohlichen Situation“ ist da die Rede, die Erwartungen für die Branche sind laut dem Institut für Wirtschaftsforschung ifo so negativ wie seit Jahrzehnten nicht mehr.
Der Verband Bauwirtschaft Baden-Württemberg, mit rund 1600 Mitgliedsunternehmen einer der größten Bauverbände in Deutschland, sieht eine sich zuspitzende Lage mit „existenzgefährdendem Preisniveau“ und immer düstereren Aussichten für die Unternehmen im Land.
Die aktuelle Gemengelage ist denkbar ungünstig. Mit der Corona-Pandemie ist die letzte Krise kaum vergangen, da sorgt bereits der Krieg in der Ukraine für erneute wirtschaftliche Verwerfungen in Form hoher Energiepreise und starker Inflation. Zusätzlich sorgen steigende Bauzinsen, der anhaltende Personalmangel sowie Lieferkettenschwierigkeiten für Probleme in der Baubranche bundesweit.
Doch wie beurteilen die Bauunternehmen im Main-Tauber-Kreis ihre Situation? Und wie blicken sie in die unmittelbare Zukunft? Wir haben hierzu bei mehreren regionalen Firmen nachgefragt, jedoch nur von der Hälfte eine Rückmeldung erhalten.
Thomas Deeg, Geschäftsführer der in Weikersheim-Nassau ansässigen Firma Karl Deeg GmbH, beurteilt die derzeitige Situation noch vorsichtig positiv. „Aktuell haben die steigenden Zinsen und die hohen Baukosten noch keine Auswirkungen. Die Auslastung ist durch einen großen Auftragsbestand noch derart groß, dass bis weit ins Frühjahr hinein stark gebaut wird“, so der Bauunternehmer.
Wolken am Horizont
Allerdings sieht er die dunklen Wolken am Horizont: Von mehreren Seiten höre er, dass potenzielle Bauherren den Wunsch nach einem Eigenheim zurückstellen oder sogar aufgeben und bereits reservierte Grundstücke wieder zurückgeben. Da das Bauunternehmen derzeit ausschließlich im Wohnungsbau der Main-Tauber-Region tätig ist, stellt man sich auf zukünftig deutlich reduzierte Auslastungen ein. Wobei diese Prognose von Seiten der Firma nicht ausschließlich negativ betrachtet wird: „Wartezeiten normalisieren sich wieder und man kann wieder früher auf Kundenwünsche reagieren“, so Thomas Deeg.
Insgesamt zieht er dennoch ein durchwachsenes Fazit: „Deshalb blicken wir zwar eher pessimistisch, aber auch vorbereitet in die Zukunft. Wir sind technisch und personell gut aufgestellt und werden nach sechs bis sieben guten Jahren auch mal zwei engere Jahre überstehen. Kurzarbeit ist noch absolut kein Thema – dieses Mittel hatten wir zuletzt 2007 in Anspruch nehmen müssen“, signalisiert der Geschäftsführer vorsichtigen Optimismus.
Klaus Hoppe, Geschäftsführer des Bauunternehmens Behringer in Kreuzwertheim, sieht die Lage ähnlich. Im Umkreis von 70 Kilometern um Wertheim sei man aktiv und bemerke zwar einen Rückgang, der jedoch bislang eher gering ausfalle.
Dieser Rückgang betreffe vor allem den privaten Hausbau, weswegen der Bauunternehmer einen Tipp parat hat: „Kleiner und kostengünstiger bauen, am Anfang nicht gleich alles fertig stellen, sondern über die folgenden Jahre verteilt das Haus fertigstellen“, empfiehlt er (angehenden) Bauherren in der aktuellen Situation.
Nur kurze Eintrübung erwartet
Ähnlich wie Thomas Deeg rechnet auch die Wertheimer Baufirma mit geringerem Auftragsvolumen im kommenden Jahr, erwartet jedoch Nachholeffekte bereits für 2024 und somit eine grundsätzlich beherrschbare Situation mit nur kurzfristiger Eintrübung.
Christian Baumann, Prokurist und Gesellschafter der Firma Brandel Bau in Tauberbischofsheim, sieht seine Firma solide aufgestellt. Mit einem Tätigkeitsgebiet im Radius von rund 80 Kilometern um Tauberbischofsheim und Schwerpunkten im Raum Heilbronn, Aschaffenburg, Würzburg und Tauberbischofsheim in Kombination mit einem starken Bezug auf kommunales Bauen ist die Geschäftsgrundlage auch derzeit stabil. So sei eine gewisse Zurückhaltung bei potenziellen Investoren zwar zu merken, die sich allerdings aufgrund dieser Ausrichtung weniger stark auf die Gesamtlage auswirke. Dennoch beobachtet er insgesamt im Vergleich zu Vorjahren aktuell weniger Ausschreibungen zu Bauvorhaben im privaten und gewerblichen Bereich.
Der Auftragsbestand für das laufende Jahr sei aber sehr gut und auch für einen guten Jahresbeginn 2023 ist aus unternehmerischer Sicht gesorgt. Auch dem Personalmangel trotzt die Firma aus Tauberbischofsheim durch verbesserte Nachwuchsarbeit und so gewonnene Auszubildende, welche die natürliche Fluktuation ausgleichen können.
Problematisch sind aus Sicht von Baumann vor allem die steigenden Materialkosten, die das Arbeiten an Bestandsaufträgen aufgrund fehlender Preisklauseln weniger wirtschaftlich machen.
Zufriedenstellend
Dennoch zieht Christian Baumann ein ähnlich optimistisches Fazit wie seine Kollegen: Die vergangenen „Corona-Jahre“ 2020 und 2021 waren für die Firma zufriedenstellend und auch 2022 wird sich im Bezug auf den Umsatz als durchschnittliches Jahr trotz erster Krisenanzeichen nicht negativ in die Firmenhistorie einreihen.
Und so könnte sich bewahrheiten, was bereits in der Corona-Krise zu beobachten war: Die Baubranche trotzt der allgemein schlechten Konjunktur und präsentiert sich als „Anker“, wobei dieses Mal die regionale Baubranche nochmals positiv innerhalb der Branche hervorzustechen scheint.
Viele Baugenehmigungen
Tatsächlich ergibt eine Anfrage beim Landesverband für Bauwirtschaft, dass sich der optimistische Eindruck der regionalen Bauunternehmen zumindest insofern statistisch untermauern lässt, als dass im Main-Tauber-Kreis bedeutend mehr Baugenehmigungen erteilt werden als im Rest von Baden-Württemberg. Dieser Indikator kann auf eine (noch) vergleichsweise hohe Bautätigkeit hindeuten. Während diese Zahl im Land Baden-Württemberg im ersten Halbjahr mit einem Minus von 12.5 Prozent deutlich zurückging, ist das Plus im Kreis von fast zehn Prozent umso bemerkenswerter.
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