Main-Tauber-Kreis. „Vorbereitet für alle Fälle – was hilft Menschen mit Behinderung bei einem Blackout oder in anderen Notsituationen?“ heißt der Vortrag, den Peter Büche am Dienstag, 22. November, in Tauberbischofsheim hält. Büche ist Geschäftsführer der Lebenshilfe für Menschen mit Behinderung Main-Tauber-Kreis.
In seinem Vortrag greift er auf Wissen zurück, das er selbst in über 15 Jahren als ehrenamtlicher Helfer beim Bevölkerungsschutz gesammelt hat. Er sagt: „Am schwierigsten sind Notsituationen, wenn man nicht darauf vorbereitet ist. Schon die gedankliche Vorbereitung, was passieren kann und wie man sich dann behelfen kann, gibt Sicherheit. Oft sind es die kleinen Dinge und nicht die großen Anschaffungen, die einem das Leben in einer Notsituation erleichtern. Das gilt ganz besonders für Familien mit Menschen mit Behinderung.“
Im Vortrag wird erläutert, wie man sich allgemein auf Notsituationen wie einen Blackout vorbereiten kann. Besonders wird Peter Büche auf die Bedürfnisse von Menschen mit Handicap und Pflegebedürftigen in diesen Situationen eingehen. Die Informationen können auch in vielen anderen Situationen hilfreich sein, zum Beispiel bei Feuer, Hochwasser oder Lockdowns.
Vorab gab Peter Büche den FN folgendes Interview.
Herr Büche, die Lebenshilfe Main-Tauber-Kreis bietet einen Vortrag an, in dem es um einen möglichen Stromausfall und seine Konsequenzen für Menschen mit einer Behinderung geht. Über dieses Thema weiß man nicht viel – warum ist das eigentlich so?
Peter Büche: Menschen mit Behinderung und deren Familien sind häufig stark mit dem Alltag belastet – durch Pflege, Bürokratie und dem Kampf für eine bestmögliche Versorgung. Da ist der Kopf nicht frei, um sich mit Themen wie einem vielleicht möglichen Blackout zu befassen.
Andererseits sind Menschen mit Behinderung häufig nicht im Fokus von Politik und Forschung. Wohnheime und Werkstätten für Menschen mit Behinderung wurden damals „vergessen“, als die ersten Corona-Impfungen möglich waren. In einer über 250 Seiten umfassenden Studie mit dem Titel „Was bei einem Blackout geschieht“ kommen Menschen mit Behinderung gar nicht vor. Aber natürlich lässt sich vieles, was dort über Alten- und Pflegeheime geschrieben steht, auch auf Behinderteneinrichtungen übertragen.
Welches sind denn die größten Sorgen gehandicapter Menschen und ihrer Angehörigen momentan?
Büche: Ich habe beim letzten Eltern-Treff der Lebenshilfe direkt die Familien gefragt. Die größten Sorgen sind der Personalmangel in den Einrichtungen für Menschen mit Behinderung, der Mangel an Kurzzeitpflegeplätzen, lebenslange Bürokratie und die Gefahr, dass Menschen mit Behinderung durch Herausforderungen wie Personalmangel und Kostensteigerungen ganz aus dem Blick geraten.
Wie viele Anrufe erhält die Lebenshilfe diesbezüglich aktuell?
Büche: Das Telefon klingelt bei uns den ganzen Tag. Wegen der Vorbereitung auf Notsituationen wie einem Blackout ruft hier aber niemand an. Genau deshalb wollen wir mit dem Vortrag darauf hinweisen, dass man sich mit einfachen Mitteln vorbereiten kann – und diese Vorbereitung in vielen Fällen helfen kann, nicht nur bei einem Blackout.
Was können Menschen denn tun, die zu Hause auf einen elektrisch betriebenen Rollstuhl, auf einen Treppenlift, auf ein elektrisch verstellbares Pflegebett oder auf gekühlte Medikamente angewiesen sind? Müssen sie sich teure Notstromaggregate kaufen?
Büche: Das ist eine gute Frage, denn es muss ja nicht unbedingt ein Blackout sein, der zum Ausfall dieser elektrischen Geräte führen kann – es kann sich auch um einen einfachen Defekt oder das angebaggerte Kabel bei der Baustelle nebenan handeln. Für solche Fälle sollte jede Familie wissen, wie sie sich selbst helfen kann. Man könnte die Pflegeberatung der Krankenkassen oder eines Pflegedienstes auch mal daraufhin ansprechen, wie man die pflegebedürftige Person am leichtesten vom Bett in den Rollstuhl bekommt, wenn der elektrische Lifter streikt. Genau vor dieser Frage stand vor rund drei Jahren meine Nachbarin, als der Lifter versagte und ihre pflegebedürftige Tante vom Rollstuhl ins Bett musste. Wir waren gar nicht vorbereitet und haben es – leidlich und irgendwie – geschafft.
Notstromaggregate können sinnvoll sein, wenn es um überlebenswichtige Geräte geht und jemand zur Verfügung steht, der das Aggregat auch bedienen kann. Ich kenne einen Mann mit einer Lungenerkrankung, der jede Nacht einen Sauerstoffkonzentrator und ein Gerät zur Verstärkung der Atmung benötigt. Beides braucht Strom. Die Frage war: Was passiert, wenn die Geräte nicht funktionieren? Er braucht die Geräte, um zu überleben. Eine Möglichkeit wäre sicherlich, in einer solchen Situation ins Krankenhaus zu fahren. Oder eben selbst Strom zu erzeugen.
Er hat ein Aggregat gekauft, das seine Frau bedienen kann. Außerdem hat er einen entsprechenden Kraftstoffvorrat angelegt und ein Kabel vom Elektriker legen lassen, denn das Aggregat selbst muss ja außerhalb des Hauses stehen, wenn es läuft.
Wenn es andere Möglichkeiten gibt, sich zu helfen, wird sich ein Aggregat und der damit verbundene Aufwand wie Wartung, Leitungen, Kraftstoffvorrat kaum lohnen. Die Frage ist doch: Wer könnte den Rollstuhl schieben? Muss ich in so einer Situation überhaupt die Treppe hinunter? Wer könnte mich, eventuell mit einem Tragestuhl oder Tragetuch, heruntertragen? Wie behelfe ich mir, wenn der Motor des Pflegebetts streikt? Habe ich in der Gefriertruhe genug Platz für ein paar große Kühl-Akkus, die ich dann nach und nach in den Kühlschrank legen könnte, um mein Insulin zu kühlen?
Können die Besucher nach dem Vortrag auch Fragen stellen?
Büche: Selbstverständlich können nach diesem kostenlosen Vortrag Fragen gestellt werden. Die Teilnehmenden erhalten ebenfalls gratis eine Checkliste und den Hinweis, wo weitere Informationen, auch in leichter Sprache, verfügbar sind.
Der kostenlose Vortrag von Lebenshilfe-Geschäftsführer Peter Büche findet am Dienstag, 22. November, um 18 Uhr in der barrierefreien Begegnungsstätte „Mittendrin“, Hauptstraße 43a, in Tauberbischofsheim statt. Der Eingang befindet sich neben der Manggasse 1.
Eine Anmeldung ist erforderlich unter Telefon 09341/845524.
Ab Mittwoch, 23. November, ist der Vortrag auch als Video auf der Internet-Seite www.lebenshilfe-main-tauber.de verfügbar.
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