Kooperation mit dem Caritas-Krankenhaus
Der Kinder- und Jugendhospizdienst „Sonnenschein“ ist eine Kooperation der Malteser mit dem Caritas-Krankenhaus in Bad Mergentheim.
Die Malteser Hospizarbeit knüpft an die Tradition des Malteserordens als erster Krankenpflegeorden an. Heute gibt es deutschlandweit zirka 180 ambulante Kinder- und Jugendhospizdienste sowie rund 20 stationäre Kinderhospize. Das kostenfreie Angebot ist unabhängig von Nationalität, Weltanschauung und Konfession.
Ihre Arbeit orientiert sich an den Richtlinien des Deutschen Hospiz- und Palliativ-Verbandes (DHPV). Informationen unter www.malteser-hospizarbeit.de
Der ambulante Malteser-Kinder- und Jugendhospizdienst „Sonnenschein“ befindet sich in der Uhlandstraße 7 in Bad Mergentheim, Telefon 07931/582570, E-Mail sonnenschein@malteser.org, Internet www.malteser-kinderhospizdienst-maintauberkreis.de. Bürozeiten sind mittwochs von 9 bis 12 Uhr sowie nach Vereinbarung.
Das Angebot wird aus Spenden finanziert. Konto: Malteser Hilfsdienst, Volksbank Freiburg, IBAN: DE42 6809 0000 0005 7209 15, BIC/S.W.I.F.T: GENODE61FR1, Stichwort: Sonnenschein.
Bad Mergentheim. Elsbeth Kiesel ist seit fast genau zwölf Jahren Koordinatorin des ambulanten Kinder- und Jugendhospizdienstes der Malteser. Dass es diese Einrichtung mit dem Namen „Sonnenschein“ überhaupt gibt, ist ihrem Beruf – und ihrer Tante – zu verdanken.
Im April 2023 wird Elsbeth Kiesel 45 Jahre als Krankenschwester in der Kinderklinik des Bad Mergentheimer Caritas-Krankenhaus beschäftigt sein. „Als ich meine Ausbildung begann, war die Sterblichkeit auf der Frühgeborenenstation viel höher als heute. Damals war die Medizin noch nicht so weit“, sagt sie und erinnert sich: „Ich hatte immer das Gefühl, dass die Eltern alleine sind mit ihrer Trauer und ihrem Schmerz.“
Und dann war da die Tante in Frankfurt, die beschlossen hatte, ihre Krebstherapie abzubrechen und zuhause zu sterben. Elsbeth Kiesel kümmerte sich gemeinsam mit ihren Cousinen um sie. „In Frankfurt habe ich erlebt, wie gut eine Versorgung in den eigenen vier Wänden klappen kann, wenn eine Hospizgruppe und ein Palliativteam mit eingebunden sind. Ich dachte mir, wie schön es wäre, gäbe es so etwas auch für Kinder und Jugendliche.“
Sie begann zu recherchieren und erfuhr dadurch im Jahr 2009 von einer Initiative des Landes Baden-Württemberg, die das Ziel hatte, flächendeckend ambulante Kinderhospize zu etablieren. Elsbeth Kiesel fuhr zur Auftaktveranstaltung nach Stuttgart, und dann ging alles ganz schnell. Ein runder Tisch wurde ins Leben gerufen, zu dem sich an diesem Thema interessierte Menschen regelmäßig in Lauda trafen. Mit dabei war auch der damalige Chefarzt der Bad Mergentheimer Kinderklinik, Professor Dr. Reiner Buchhorn. Ihm ist die bis heute andauernde Kooperation zwischen den Maltesern und dem Caritas-Krankenhaus zu verdanken.
Nach verschiedenen Weiterbildungskursen und der Palliativ Care-Fachausbildung für den Kinder- und Jugendhospizdienst war es dann im Februar 2011 soweit: Die frischgebackene Koordinatorin Elsbeth Kiesel eröffnete den ambulanten Dienst mit dem Namen „Sonnenschein“ in der Bad Mergentheimer Uhlandstraße. Dort befindet sich nun das Büro, der Gruppenraum ist in der Schillerstraße angesiedelt.
28 ehrenamtliche Mitarbeiter
Elsbeth Kiesel und ihre 28 ehrenamtlichen Mitarbeiter sind für den gesamten Main-Tauber-Kreis zuständig. Da sich das Einzugsgebiet des Caritas-Krankenhauses bis in den Hohenlohekreis hinein erstreckt, ist das „Sonnenschein“-Team auch dort im Einsatz. Reichen diese 28 Ehrenamtlichen denn aus? Elsbeth Kiesel schüttelt den Kopf und sagt: „Eigentlich nicht, weil wir diese große Fläche abdecken müssen. Mein Traum wären zwei Mitarbeiter in jeder Stadt des Kreises.“ Die nächsten ambulanten Dienste befinden sich in Schwäbisch Hall, Mosbach und Würzburg. „Wir sind alle sehr gut vernetzt, tauschen uns aus und helfen uns gegenseitig“, sagt sie.
Ohne diese ehrenamtlichen, speziell geschulten Mitarbeiter würde die Hospizarbeit nicht funktionieren, ist Elsbeth Kiesel überzeugt. Der Anrufbeantworter ist immer aktiv. Mindestens einmal in 24 Stunden wird er abgehört, und der Dienst setzt sich dann umgehend mit den Hilfesuchenden in Verbindung.
Seine „Schützlinge“ sind Familien mit Kindern und Jugendlichen, die an einer lebensbegrenzenden oder -bedrohlichen Erkrankung leiden oder die mit dem Tod eines Elternteils konfrontiert sind.
Die Mitarbeiter begleiten die betroffenen Familien ab dem Zeitpunkt der Diagnose durch die gesamte Lebens-, Sterbe- und Trauerzeit hindurch. Dabei orientieren sie sich an den Bedürfnissen der erkrankten Kinder und Jugendlichen, ohne den Blick auf die gesamte Familie zu verlieren.
Der Hospizdienst ist auch dann da, wenn ein Familienmitglied etwa durch einen Autounfall von jetzt auf nachher aus dem Leben gerissen wurde, wenn der Tod ohne Vorwarnung eintrat. Oder wenn ein Kind im Mutterleib starb. Zusammen mit der Klinikseelsorge des Caritas-Krankenhauses begleitet der Dienst zweimal im Jahr auch die Sammelbestattungen auf dem Neuen Friedhof in Bad Mergentheim. Dabei werden Babys mit einem Gewicht unter 500 Gramm, so genannte „Sternenkinder“, beerdigt.
„Jede Familie, jede Situation ist anders“, sagt Elsbeth Kiesel. Corona war eine besonders schlimme Zeit, auch für sie selbst: „Es ist ganz schwierig, wenn man eine weinende Mama nicht in den Arm nehmen darf, wenn man das Gesicht hinter der Maske nicht sehen kann.“ Sie betont aber gleichzeitig, dass niemand ungefragt berührt oder gar gedrückt werden darf - weder von ihr noch von ihren Mitarbeitern.
Vor den Feiertagen haben alle Familien, die der Hospizdienst begleitet, eine Weihnachtskarte bekommen. Außerdem findet in Tauberbischofsheim immer am zweiten Advent ein Gottesdienst für verwaiste Eltern statt. Weihnachten, der Geburtstag des verstorbenen Familienmitglieds oder auch die Kommunion, die das Kind nicht erleben darf, sind besonders schwierige Tage für die Hinterbliebenen.
Wie kann man als Nachbar oder Bekannter trauernden Familien helfen? „Indem man sich so normal wie möglich verhält, ein Nein oder auch eine verschlossene Tür akzeptiert“, meint Elsbeth Kiesel. „Wenn sich die Menschen in einem tiefen Loch befinden, wollen sie auch mit uns nicht reden. Dann rufen wir sie zu gegebener Zeit eben wieder einmal an. Ganz schlimm ist es jedoch, den Blickkontakt zu vermeiden oder gar die Straßenseite zu wechseln, um einer Begegnung zu entgehen. Das spüren die Familien und empfinden das als furchtbar.“ Sie rät, darüber nachzudenken, was man selbst in einer solchen Ausnahmesituation nicht haben wollte, was einen selbst stören würde, was einem aber vielleicht auch gut tun würde – und dann erst zu handeln.
Ein kleines Stückchen Normalität
Ihrer Erfahrung nach würden sich gerade Kinder sehr freuen, wenn man etwa einen Kuchen oder Plätzchen vor die Türe stellt. Ein kleines Stückchen Normalität tut vor allem ihnen gut. Das spürt Elsbeth Kiesel immer auch dann, wenn sie es mit jungen Gesprächspartnern zu tun hat: „Selbst wenn der Tod eines Geschwisterkindes oder eines Elternteils der Grund unseres Treffens ist, kann es sein, dass wir dann auch mal über ,doofe’ Lehrer oder die zickige Freundin reden. Und wenn der Tod Thema ist, dann fragen wir die Kinder, wie sie ihn sich vorstellen. Es ist uns wichtig, ihnen ihre Gedanken zu lassen und ihnen nicht das, was wir Erwachsene denken, überzustülpen. Außerdem raten wir dazu, Kinder von einem toten Familienmitglied Abschied nehmen zu lassen. Erwachsene haben da so viele Ängste und wollen sie schützen, doch Kinder begreifen mit allen Sinnen. Wenn sie nicht sehen, dass dieser Mensch tot ist, können sie es auch nicht glauben.“
Ein großes Anliegen ist es ihr, Kindern Schuldgefühle zu nehmen: „Wenn ein Geschwisterkind stirbt, geben sie sich oft die Schuld, weil sie vielleicht einmal böse zu ihm waren. Wir sagen ihnen immer wieder, dass niemand stirbt, weil ein anderer einmal nicht lieb zu ihm war.“ Wer jedoch aus seinen Schuldgefühlen nicht mehr herausfinde – das gilt natürlich genauso für Erwachsene –, dem vermittelt der gut vernetzte Dienst auf Wunsch eine Therapie bei einem Psychologen.
Was entgegnet sie denn Menschen, die durch den Verlust eines Familienmitglieds auch den Glauben an Gott verlieren? Elsbeth Kiesel antwortet: „Natürlich denkt man immer, warum musste dieses Kind sterben? Warum traf es diese Familie? Dieses Warum kommt immer. Doch das ist eine der großen Fragen, die wir nicht beantworten können. Das Hadern ändert nichts. Ich erlebe immer wieder, dass der Glaube Familien einen stärkeren Halt gibt oder sie ,besser’ mit dem Verlust zurechtkommen. Es gibt Dinge zwischen Himmel und Erde, die wir nicht begreifen. Ich bin in einem christlich geprägten Haus aufgewachsen. Dieser Gedanke, dass es da etwas gibt, das wir aber nicht begreifen können, ist hilfreich und wichtig für mich.“
Durch ihre nicht gerade leichte Arbeit hat sie gelernt, gelassen zu werden. „Vieles, worüber man sich aufregt, ist doch gar nicht wichtig. Das Wichtigste ist, gesund zu sein.“
Niemand schaut auf die Uhr
Die Dauer der „Sonnenschein“-Besuche ist ganz unterschiedlich. „Niemand von uns schaut auf die Uhr und sagt, jetzt muss ich aber gehen. Es gibt keinen Zeitdruck. Bei einer Familie, deren Baby gestorben ist, blieb ich sogar den ganzen Tag.“ Sie betont, dass die Unterstützung des Hospizdienstes völlig vertraulich ist und zu nichts verpflichtet: „Wenn wir uns mit einer Familie zu einem Gespräch treffen und sie danach keinen weiteren Kontakt haben möchte, akzeptieren wir das. Wichtig ist aber, dass sich die Betroffenen überhaupt trauen, sich bei uns zu melden und nicht zu lange damit warten.“ Sie weiß, dass Trauer nie aufhört. „In unserem Trauercafé rollt niemand die Augen, wenn jemand nach zehn Jahren immer noch von dem verstorbenen Familienmitglied erzählt. Hier sagt keiner, ,nun ist es aber auch mal gut‘. Man kann reden, man kann aber auch schweigen und einfach nur zuhören. In der Trauer gibt es nichts, was nicht normal ist.“
All diese Erfahrungen haben sie nicht abstumpfen lassen: „Auch ich habe Momente, in denen ich nach einem Besuch bei einer Familie im Auto sitze und die Tränen kullern. Das geht gar nicht anders. Dann fahre ich nach Hause und will erst mal meine Ruhe. Manchmal hilft Bügeln, manchmal Gartenarbeit, manchmal einfach gar nichts Tun.“ Oder der Gedanke an ihr erst wenige Wochen altes Enkelkind. Wenn sie von dem kleinen Jungen spricht, dann strahlt sie übers ganze Gesicht.
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