Main-Tauber-Kreis. Der Deutsche Hotel- und Gaststättenverband, kurz Dehoga, kritisiert die Ampelregierung in Berlin scharf und warnt vor den fatalen Folgen durch die Rückkehr zum 19-Prozent-Mehrwertsteuersatz ab Januar. Die FN-Redaktion sprach mit Frank Bundschu, dem Vorsitzenden des Dehoga-Kreisverbands Main-Tauber über den Ärger, die anderen Probleme in der Branche, aber auch die guten Nachrichten und das anstehende Weihnachtsgeschäft.
Wie ist aktuell die Situation in der Gastronomie und Hotellerie?
Frank Bundschu: Es ist ein Wechselbad der Gefühle! Neben einer guten Gästenachfrage in der Gastronomie haben auch die Übernachtungszahlen im Main-Tauber-Kreis fast das Niveau von 2019 erreicht. Die positive Entwicklung im Deutschlandtourismus und die Rückkehr der Geschäftsreisenden aus aller Welt tun der Branche gut. Aber Ruhe kehrt dennoch nicht ein: Energiekrise, Teuerung beim Lebensmitteleinkauf und Mitarbeiterprobleme stellen die Branche immer wieder vor neue Herausforderungen.
Wo liegen die größten Probleme und Herausforderungen?
Bundschu: Während und nach Corona haben in Baden-Württemberg ca. 5000 gastgewerbliche Betriebe geschlossen! Das ist ein Rückgang um 17 Prozent aller Betriebe, die im Angebot für die Gäste fehlen und vermutlich für immer geschlossen bleiben. Gerade in ländlichen Gebieten, wie dem Main-Tauber-Kreis, spürt man dies, ohne konkrete Zahlen zu kennen.
Eine große Herausforderung sind die Mitarbeiter. Das Image der Branche ist angeschlagen. Zu unrecht, denn in den vergangenen Jahren wurden die Löhne um fast 20 Prozent angehoben, die Arbeitszeiten werden schon lange detailliert erfasst und fair behandelt.
Wir zaubern gerne mit frischen Lebensmitteln, leckeren Getränken und bedienen freundliche Gäste. Jeden Tag haben wir eine andere Herausforderung – einfach ein wunderbarer Beruf. Die Ausbildungsberufe sind attraktiv, das belegen die Ausbildungszahlen. 2022 wurden in unserem Bundesland 26,7 Prozent mehr Verträge abgeschlossen und mit 2466 neuen Azubis haben sich mehr junge Menschen für die Hotellerie und Gastronomie entschieden als 2018 und 2019.
Bis vor wenigen Tagen war bundespolitisch noch eine Verlängerung des Sieben-Prozent-Mehrwertsteuersatzes für die Gastronomie im Gespräch. Dehoga kämpfte dafür. Warum und mit welchen Argumenten?
Bundschu: Im größten Teil der europäischen Ländern gilt ein reduzierter Mehrwertsteuersatz für Speisen in der Gastronomie. Für Speisen im ToGo-Bereich gelten auch in Deutschland schon lange die sieben Prozent. Die Gastronomen finden das ungerecht.
Während Corona wurde die Mehrwertsteuer für Speisen dann generell, aber zeitlich begrenzt, auf sieben Prozent reduziert und in der Energiekrise im Herbst vergangenen Jahres schließlich bis Ende 2023 verlängert. Wir Gastronomen haben uns gefreut, dass diese lange Forderung nun auch in Deutschland dauerhaft gelten könnte.
Da es sich um eine Steuer auf den Nettopreis handelt, hat der Gastronom keinen finanziellen Vorteil. Die Bürger werden entlastet und der Gastronom profitiert von der besseren Konsumlaune der Gäste, da die Preise niedriger sind.
Genau hier setzt die weitere Argumentation des Dehoga an: Mehr Konsum bedeutet mehr Steuereinnahmen. Bei dem nun folgenden Preisschock ab Januar, bei zwölf Prozent höheren Endpreisen, befürchten die Wirte nun weniger Gäste, weniger Umsatz und für den Staat weniger Mehrwertsteuer-Einnahmen. Schlussendlich gewinnt keiner! Die Beibehaltung der sieben Prozent wäre ein Konjunkturprogramm gewesen, die Rückkehr zu den alten 19 Prozent wird die Inflation weiter antreiben und den Gästen einen Preisschock versetzen.
Das Karlsruher Urteil hat vergangene Woche der Bundesregierung einen „Verlust“ von 60 Milliarden Euro beschert. Kurz darauf steht politisch vieles infrage und auch der reduzierte Mehrwertsteuersatz in der Gastronomie über den Jahreswechsel hinaus ist plötzlich kein Thema mehr. Wie sehen Sie die Abläufe?
Bundschu: Die 60 Milliarden haben erst einmal mit der Mehrwertsteuerdiskussion in der Gastronomie gar nichts zu tun. Die steuerliche Mehreinnahme in die Staatskasse, mit zwölf Prozent mehr Gastrosteuer ab Januar, wird auf 3,4 Milliarden Euro geschätzt. Die Hälfte für den Bund, die andere Hälfte für die Bundesländer. Eine Einnahme, die auch in den vergangenen Jahren nicht zur Verfügung stand.
Die 60 Milliarden, die jetzt in Berlin fehlen, sind ein haushaltspolitischer Fehler der Ampelregierung.
Normalerweise wäre die Gastro-Mehrwertsteuer in der „Haushaltsklärung“ am Freitag behandelt worden. Noch am Montag vor einer Woche haben alle Fraktionen bestätigt, die Gastro-Mehrwertsteuer bleibt bei sieben Prozent – die Finanzierung steht! In der Nacht von Donnerstag auf Freitag wurden die sieben Prozent einfach von der Tagesordnung genommen. Das zerstört die politische Glaubwürdigkeit. Wir Gastronomen fühlen uns belogen.
Die Mitglieder des Dehoga haben die Bevölkerung gut für das Thema der drohenden Mehrwertsteuererhöhung sensibilisiert. Die große Mehrheit der Bürger und Politiker haben im persönlichen Gespräch verstanden, warum die Gastronomie und der Tourismus so wichtig für unser Land und seine Bürger sind. Alle haben sich für die Beibehaltung der sieben Prozent Mehrwertsteuer für Speisen in der Gastronomie ausgesprochen, eingeschlossen der führenden Politiker der Ampelregierung.
Wie schätzt Dehoga die Lage ein? Was hören Sie von Ihren Kollegen?
Bundschu: Die Stimmung ist schlecht. Die Gastronomen fühlen sich zum zweiten Mal, nach den dauerhaften Schließungen während der Corona-Krise, von der Politik im Stich gelassen. Dass alle die sieben Prozent befürwortet haben und nun hinter verschlossener Türe das Thema einfach ohne Diskussion von der Tagesordnung genommen wurde, zerstört das Vertrauen nachhaltig. Die Zeche zahlen zuerst die Bürger.
Droht nun tatsächlich eine Pleitewelle wie einige Experten behaupten?
Bundschu: Der Dehoga befürchtet, dass weitere Betriebe schließen werden. Die einen weil ihnen die Motivation, der Spaß und die Zukunftsprognose fehlt, die anderen weil sie tatsächlich in wirtschaftliche Schwierigkeiten geraten.
Essengehen darf nicht zum Luxus-Event werden. Essengehen muss gesellschaftlicher Alltag sein und für alle Bürger finanzierbar bleiben.
Die Gäste werden es in der Hand haben. In anderen Ländern wird übrigens mehr Geld für den Restaurantbesuch ausgegeben, als bei uns in Deutschland.
Wie geht es jetzt weiter?
Bundschu: Die Gastronomen werden ihre Preise entsprechend ihrer Kosten kalkulieren, so wie es jeder Kaufmann tut. Auf den Nettopreis rechnen wir nun 19 Prozent anstatt sieben Prozent Umsatzsteuer. Logischerweise werden die Speisen nun aufgrund der geänderten Steuer zwölf Prozent teurer.
Die Steuer heißt übrigens Mehrwertsteuer, da der Mehrwert, der in der Produktion erzeugt wird, besteuert wird. Bei uns in der Gastronomie ist das die Kunst des Koches, die Freundlichkeit der Bedienung und die Gemütlichkeit der gastronomischen Betriebe. Hieran partizipiert der Staat übermäßig, da die Wertschöpfung in Gastronomie deutlich höher ist, als im reinen Handel von Produkten.
Auf was dürfen sich die Gäste in den nächsten Wochen dennoch in der Gastronomie freuen?
Bundschu: Die Gäste werden weiterhin mit Herzblut versorgt werden. Die kommenden vier Wochen werden durch ein hoffentlich gutes Weihnachtsgeschäft turbulent. Jahresendrallye würde man an der Börse sagen.
Wie sind die Aussichten für 2024?
Bundschu: Das Geschäft geht weiter, die Gäste werden hoffentlich auch 2024 zahlreich in unsere Lokale kommen. Aber auch die Kollegen in der Branche fordere ich auf, „preiswert“ zu sein. Die Leistung muss seinen Preis wert sein. Guter Service, nette Menschen, gemütliche Lokale und leckere Speisen sind die Basis für steigende Preise.
Von unseren Gästen erwarte ich eine Wertschätzung unserer Arbeit. Honorieren Sie mit Ihrem Besuch die Leistungsbereitschaft der Wirte, Cafés, Kneipenwirte, Imbisse, und Restaurantbetreiber.
Die Politik werden wir auch im neuen Jahr an ihr Versprechen der europäischen und deutschen Steuergerechtigkeit erinnern. Wir werden jedem und jeder einzelnen in die Augen schauen und an die Aussage zur Beibehaltung der Mehrwertsteuer erinnern. Besonders Bundeskanzler Olaf Scholz wird sich seinen Satz „und das ändern wir nie wieder“ wohl noch öfters anhören. Die sieben Prozent oder ein für alle verständliches Mehrwertsteuersystem werden auch weiterhin unsere politische Forderung sein!
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