Stadt Bad Mergentheim

Mammutaufgabe: Digitalisierung im öffentlichen Sektor

Anträge auf Zetteln, Umlaufmappen, Stempel und Papierakten sollen nach und nach durch den elektronischen Datenverkehr abgelöst werden. Auch Bad Mergentheim stellt sich dieser Mammutaufgabe. Welche Hürden es gibt.

Von 
Sascha Bickel
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Der Schriftzug „Amt“ ist auf einer Computertastatur hinter einem Netzwerkkabel zu sehen. Der Digitalisierungsdruck in den Behörden ist groß. © dpa

Bad Mergentheim. Die Digitalisierung im öffentlichen Sektor ist in Deutschland überfällig. 2017 wurde das Onlinezugangsgesetz beschlossen. Ziel war es, bis Ende 2022 die Interaktion zwischen Bürgern und Behörden effizienter und nutzerfreundlicher zu gestalten. Es sollten über 6000 Verwaltungsleistungen – zusammengefasst in 575 Leistungsbündeln – elektronisch zugänglich gemacht werden. Tatsächlich gelang es Bund, Ländern und Kommunen zum Auslaufen der Frist nur einen Bruchteil digital umzusetzen. Die FN-Redaktion sprach mit Verantwortlichen der Stadt Bad Mergentheim über die Herausforderungen und das bislang Erreichte vor Ort.

Thorsten Anders leitet seit zwei Jahren das neu eingerichtete Sachgebiet „IT & Digitalisierung“ bei der Stadtverwaltung. Seine mittlerweile sechsköpfige Mannschaft (eine Stelle im Bereich IT-Anwendungsbetreuung ist noch offen) und er kümmern sich um rund 250 PC-Arbeitsplätze in der Verwaltung, darunter auch viele mobile Anwender, und darüber hinaus um die IT-Technik der über 200 Lehrer und 2000 Schüler in zwölf Schulstandorten unter städtischer Trägerschaft.

Strategisch neu ausrichten

„Ich bin angetreten, die gesamte Verwaltungs- und Schul-Digitalisierung, aber auch die klassische Informationstechnik, kurz IT, zusammenzuführen beziehungsweise strategisch neu auszurichten“, erklärt Anders und räumt zugleich ein, mit zahlreichen Hürden konfrontiert zu sein. Bad Mergentheim befinde sich auf einem „guten Weg“, dennoch spielten der Bund und die Länder, sprich der Föderalismus, eine zentrale Rolle und die Kommunen stünden oft am Ende der Entscheidungskette.

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Anders kritisiert: „Für eine schnelle und effiziente Umsetzung der Digitalisierung sind zu viele Akteure und zu wenig klare Strukturen und Lösungen präsent. Jedes Bundesland und teils sogar jede Kommune schafft eigene Strukturen. Wenn es am Ende so sein soll, dass alle Bürgerdienstleistungen in Deutschland digital und womöglich auf gleiche Art verfügbar sein sollen, wird das mit einem föderalen System nicht einfach. Wir können in Bad Mergentheim aber nicht mehr warten, bis alle ihre Lösungen zugunsten einer deutschlandweiten Vorgabe vereinheitlicht haben. Wir fangen daher parallel mit internen Prozessen an. Wir wollen Bürgerdaten direkt in unsere Fachanwendungen übertragen und streben möglichst viele Ende-zu-Ende-Lösungen an. Das heißt, die Daten werden online vom Bürger eingetragen, weiterverarbeitet und in einer elektronischen Akte (E-Akte) gespeichert. Ein Ausdrucken und zwischenzeitliches Abtippen soll es nicht mehr geben“, so Anders.

Bis dies aber mit allen Vorgängen in der Stadtverwaltung funktioniere, sei es noch ein weiter Weg, weil eben Bund und Länder auch gesetzliche Vorgaben machen beziehungsweise noch nicht geändert haben.

„Es wäre schön“, so Anders, „wenn es zentrale Lösungen gäbe, an die sich alle dranhängen können und nicht jeder sein eigenes Süppchen kocht“. Als gelungenes bundesweites Beispiel nennt er trotz dessen Eigenheiten „Elster“, das elektronische Steuerprogramm der Finanzämter.

In Baden-Württemberg wurde jetzt das „Digitale Bauamt“ eingeführt; entwickelt wurde es in Mecklenburg-Vorpommern. Anders sagt dazu: „Wir machen da mit und stimmen uns mit anderen Kommunen in der Region ab – unter anderem Lauda-Königshofen, Tauberbischofsheim und Wertheim.“ Doch mit dem digitalen Bauantrag allein sei es eben nicht getan. Er müsse intern auch verarbeitet werden können, dazu brauche es Software, geschulte Mitarbeiter und am Ende auch die E-Akte. Es gehe aber genauso auch um den Datenschutz, die Informationssicherheit und die Verifizierung der Daten.

Bund-ID zur Anmeldung

Die digitale Unterschrift/Signatur und Anmeldung in Bürgerdiensten soll nun über die so genannte Bund-ID sichergestellt werden. Erst verspätet, so wundert sich Anders, sei dem Bund aufgefallen, dass es auch einen digitalen Ausweis für digitale Behördengänge brauche. Die Bund-ID, die sich jeder besorgen sollte, rät Anders, sei glücklicherweise jetzt beschlossene Sache und Bad Mergentheim knüpfe künftig daran mit seinen Online-Angeboten an, während andere Kommunen, die schon weiter waren, hier nun noch einmal nachsteuern müssten.

Kommentar Flickenteppich bremst aus

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Sascha Bickel
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Nachdem es für viele Details in den behördlichen Abläufen keine klaren Vorgaben von oben gibt, muss jede Kommune für sich passende Lösungen finden. So ist man auch in Bad Mergentheim dran, die digitalen Abläufe voranzubringen. Dazu muss in die Geräte, die Sicherheit, aber genauso auch in Software (Programme) und ebenso in Schulungen der Mitarbeiter kräftig investiert werden. Anders hofft sehr, dass der Gemeinderat auch weiterhin ausreichend Mittel für all das zur Verfügung stellt und kündigt an, dass für die Rathaus-Mitarbeiter 2024 Fortbildungen anstehen.

Ein zusätzlicher Knackpunkt sind die Rechenzentren. Bad Mergentheim ist an „Komm.ONE“ angebunden, den Dienstleister für die Kommunen und das Land Baden-Württemberg. Doch dort herrscht Hochbetrieb und manches dauert auch länger, denn alle Städte und Gemeinden sind auf dem Weg der Digitalisierung und brauchen entsprechende Unterstützung.

Das Ziel der Regierung, hunderte Verwaltungsleistungen bis Ende 2022 elektronisch zugänglich zu machen, wurde Mitte vergangenen Jahres offiziell aufgegeben und die Verwaltungsdigitalisierung bundesweit zur Daueraufgabe erklärt. Nun werben manche Städte und Landkreis damit, schon „viel“ digital den Bürgern anzubieten. Wo steht Bad Mergentheim? Thorsten Anders warnt davor, „hier einfache Vergleiche zu ziehen“. Denn die Frage sei stets auch: Ist alles voll durchdigitalisiert oder wird doch noch an einer Stelle ausgedruckt und abgetippt? Sein Ziel ist klar: „Wir arbeiten uns hier Stück für Stück voran. Die Papierberge sollen reduziert werden.“

Etwa 35 Bürgerdienste könnten bislang in der Kurstadt digital angeboten werden, so Anders; der auch intern auf eine Signalwirkung hofft, wenn der digitale Rechnungsdurchlauf, den man gerade anschiebt, auf Begeisterung stößt und die erhoffte Arbeitserleichterung die Basis für weitere Schritte im Rathaus legt.

Redaktion Stellvertretender Reporter-Chef; hauptsächlich zuständig für die Große Kreisstadt Bad Mergentheim

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