Odenwald-Tauber. Musizieren, egal ob mit Gesang oder Instrument, macht glücklich. Professor Martin Maria Krüger bestätigt das. Der Präsident des Deutschen Musikrats weiß wovon er spricht, schließlich leitet „der begeisterte Sänger“ in seiner Heimatgemeinde in der Nähe von München selbst einen Dorfchor. Diese Arbeit mache nicht nur Freude, sondern gebe ihm auch sozial und musikalisch viel.
Wie wichtig sind also Musikvereine und Chöre für die Gesellschaft? In Krügers Augen sind sie sehr wichtig und stellen eine zentrale Rolle dar. „Die Musik trägt zur Bereicherung der Zivilgesellschaft bei, ist Teil des sozialen und des ästhetischen Erlebens.“
Daran sind organisierte Strukturen maßgeblich beteiligt. Dieses Vereinswesen sei eine große Errungenschaft und bilde eine starke Beteiligung der Gesellschaft ab. Deutschland habe dies perfektioniert, unterstreicht das Mitglied des Beirats im „Musikbund von Ober- und Niederbayern“. Wie viel trauriger wäre ein Land ohne musikalisches Leben, fragt er.
Musik wirkt direkt
Musik wirkt unmittelbar auf das Gehirn und damit auf den Menschen selbst. Dass Musik glücklich macht, haben weltweite Studien ebenso belegt wie die Tatsache, dass Musik zum Stressabbau beitragen kann und gemeinsames Singen zur Förderung der Abwehrkräfte beiträgt. Ein Instrument zu spielen sei etwas Wunderbares, sagt der Konzertgitarrist und freut sich, dass Millionen von Menschen dies tun. Die Vereine bildeten dabei ein sehr niederschwelliges Einstiegsportal, um im sozialen Rahmen seinem Hobby nachzugehen. „Das ist nicht ersetzbar durch einen professionellen Rahmen“, findet Krüger.
Land der Musiker
Deutschland ist ein Land der Sänger und Musiker. Allein 11 000 Musikvereine verzeichnet die Bundesvereinigung Deutscher Musikverbände, der größte Dachverband der ehrenamtlich geführten Orchester. Dort sind rund sind 1,3 Millionen Musikerinnen und Musiker in den Vereinen engagiert, davon sind etwa 350 000 Kinder und Jugendliche.
Die deutschen Chorverbände zählen rund 55 700 in ihren Reihen organisierte Chöre mit etwa 2,1 Millionen Mitgliedern. Rund 60 Prozent der Chöre sind in den evangelischen und katholischen Kirchengemeinden angesiedelt. Das unterstreicht die herausragende Rolle der Kirchen als Kulturvermittler in Deutschland, heißt es auf der Internetseite des Bundesmusikverbands (www.bmco.de). Die Statistik lasse eine große Zahl seit 2000 neu gegründeter, nicht verbandsorganisierter Chöre unberücksichtigt, vor allem im Rock- und Popbereich.
Als Dachverband fungiert der Deutsche Musikrat. Er vertritt die Interessen von 15 Millionen musizierenden Menschen in Deutschland und etwa 100 Organisationen und Dachverbände – von den Profis bis zu den Amateuren. Damit ist der DMR der größte nationale Dachverband der Musikkultur weltweit. Zudem bündelt er die 16 Landesmusikräte.
Der Deutsche Musikrat setzt sich für eine lebendige Musiklandschaft in Deutschland ein. Gefördert werden Ensembles wie Bundesjugendorchester, Bundesjugendchor, Bundesjazzorchester, aber auch Wettbewerbe wie Jugend musiziert, Jugend jazzt, Deutscher Musikwettbewerb, Deutscher Orchesterwettbewerb oder Deutscher Chorwettbewerb. dib
„Schon die Kinder sollen in die Musik hineinwachsen“, wünscht sich der Präsident des Deutschen Musikrats mehr musischen Unterricht in der Grundschule und musikalische Früherziehung in den Kitas. „Musik und Tanz fördern das soziale Miteinander und schaffen Respekt gegenüber dem anderen.“ So würden schon die Kleinsten geprägt für die Zukunft. Aus Sicht der Kinder und der Musik sei die Aussetzung in der Corona-Phase eine Katastrophe gewesen. Und Krüger betont: „Die Musik ist ein integraler Bestandteil für emotionale Bindungen.“
Spuren hinterlassen
Die Pandemie hat in vielen gesellschaftlichen Bereichen ihre Spuren hinterlassen – auch beim Vereinswesen. Rund ein Zehntel der Aktiven, so rechnet man beim Bundesmusikverband Chor und Orchester (BMCO), kommen nach Corona nicht mehr zu den Proben. Gerade Musizierende hatten mit erheblichen Auflagen zu kämpfen. „Wir hoffen, dass es gelingt, diese Mitglieder wieder zurückzuholen“, so Krüger. Er sieht die Begegnung im sozialen Rahmen als wichtig an, um Zusammenhalt und Gemeinschaft zu pflegen. Aber Krüger weiß: So manche Gruppierung wird sich ganz auflösen. Froh ist er über die staatlichen Corona-Hilfen für die Vereine, die zur Stützung und Stärkung der Infrastruktur dienen.
Ein Problem, das unabhängig von der Pandemie schon seit einigen Jahren besteht, ist die Tatsache, dass sich immer weniger Menschen kontinuierlich an einen Verein binden wollen – nicht nur im musikalischen Bereich. Damit meint Krüger nicht das Ehrenamt im Vorstand. „Die Lebenswirklichkeit vieler hat sich gewandelt“, weiß der Dozent an der Musikhochschule München. Der Besuch der wöchentlichen Probe sei keine Selbstverständlichkeit mehr. Ein Patentrezept gebe es nicht, dennoch rät Krüger zu mehr Verständnis dem einzelnen Mitglied gegenüber.
Auch die musizierenden Vereine sind dem Wandel unterlegen. So verschwinden immer mehr klassische Männerchöre, weil sich kaum noch Männer für den Gesang begeistern lassen. „Das ist ein großer Verlust“, findet Krüger. Das Phänomen kennen sicherlich viele Chöre, dass gerade in den Männerstimmen Mangel herrscht. Woran das liegt, weiß auch Professor Krüger nicht.
Zumindest seien Frauen dem musischen Element stärker verbunden. Ob des deswegen in wachsender Zahl Frauenchöre gibt? Doch es haben sich mittlerweile neue Formationen gebildet, wie Barbershop-Chöre – a cappella Chöre, die überwiegend homophone Klänge lieben.
Frauenanteil steigend
In Orchestern, so hat eine Studie des Deutschen Musikrats ergeben, ist der Frauenanteil steigend. Und im Kulturmanagementbereich, oder auch dem Präsidium des Musikrats, sind die weiblichen Mitglieder im Vormarsch, was Krüger sehr freut. Bei Musikkapellen seien häufig aber noch die Männer in der Überzahl. Doch egal, ob Instrument oder Gesang: Das gemeinsame Musizieren ist für viele Millionen Menschen in Deutschland ein bedeutender Bestandteil ihres Lebens. Und sie gehen nach der Probe mit einem beschwingten und zufriedenen Hochgefühl nach Hause.
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