Gerda Hasselfeldt, Präsidentin des DRK, hat im Zuge der Hochwassersituation im Norden und Osten der Republik gefordert, den Katastrophenschutz besser auszustatten. Wie sieht es im Main-Tauber-Kreis aus, sollte ein Großschadensereignis eintreten?
Main-Tauber-Kreis. Die Hochwassersituation in Niedersachsen und Sachsen-Anhalt entspannt sich zwar ob Kälte und ausbleibendem Regen zunehmend. Dennoch bleibt die Lage vielerorts angespannt. Die Deiche sind durchgeweicht, das Wasser drückt, Bewohner befürchten Frostschäden an ihren Häusern. Viele Helfer im Norden sind nach wie vor im Einsatz.
Die Systematik des Katastrophenschutzes in Deutschland
Hochwasser, Orkan, Stromausfall, schwere Unfälle auf der Straße, der Schiene, dem Wasser oder in der Luft, Terroranschläge, Erdbeben oder große Brände: all das kann den Ausruf eines Katastrophenalarms in Deutschland bewirken.
Zu unterscheiden ist der Katastrophenschutz, der in erster Linie Sache der Länder ist, vom Zivilschutz. Letzterer ist Aufgabe des Bundes und hat zum Ziel, die Bevölkerung, ihre Wohnungen und Arbeitsstätten, lebenswichtige oder verteidigungswichtige zivile Dienststellen, Betriebe, Einrichtungen, Anlagen und Kulturgut vor Kriegseinwirkungen zu schützen und Folgen zu beseitigen oder zu mildern.
Sowohl Zivil- als auch Katastrophenschutz unterliegen einer klaren Systematik.
Der Katastrophenschutz gehört zur allgemeinen Gefahrenabwehr. Er obliegt den Ländern. Das Innenministerium ist die oberste Katastrophenschutzbehörde und ist für Aufgaben zuständig, die sich über einen Regierungsbezirk oder Landesgrenzen hinaus erstrecken.
Die vier Regierungspräsidien in Baden-Württemberg firmieren als höhere Katastrophenschutzbehörde und treten immer dann auf den Plan, wenn sich Ereignisse über einen Stadt- oder Landkreis hinaus erstrecken.
Für die Bürgerinnen und Bürger vor Ort arbeitet der organisatorisch zuständige Landkreis als untere Katastrophenschutzbehörde, bei dem auch der Krisenstab angesiedelt ist, eng mit den Städten und Gemeinden zusammen.
Er erfasst die Gefahrenlage und legt fest, welche Einsatzkräfte und Einsatzmittel zur Verfügung stehen und einzusetzen sind.
Im Katastrophenfall leisten Haupt- und Ehrenamtliche gemeinsam Hilfe. Feuerwehr, Polizei, Verwaltung, Deutsches Rotes Kreuz, Malteser Hilfsdienst, Johanniter, Arbeiter-Samariter-Bund oder DLRG arbeiten Hand in Hand.
Bei Unglücksfällen, die – wie das derzeitige Hochwasser in Nord- und Ostdeutschland – mehrere Bundesländer betreffen, können die Bundesländer nach Artikel 35 Grundgesetz auch andere, bundesweit organisierte Kräfte wie Technisches Hilfswerk, Bundespolizei oder die Bundeswehr anfordern. hvb
Über die Ufer traten auch Flüsse im Süden. Doch die Situation vor Ort in Wertheim oder entlang der Tauber war regelrecht harmlos gegenüber dem, was zu Jahresbeginn aus anderen Regionen über den Fernsehschirm flimmerte. Die Fränkischen Nachrichten wollten vom Ersten Landesbeamten Florian Busch und von Kreisbrandmeister Andreas Geyer wissen, wie der Main-Tauber-Kreis in Sachen Katastrophenschutz aufgestellt ist.
„Kommunal sind wir gut aufgestellt und auf dem gutem Weg, künftig noch mehr an Leistungen zur Verfügung zu stellen“, so Geyer über die fünf vorhandenen Züge im Main-Tauber-Kreis, von denen einer auf den Hochwasserschutz spezialisiert ist. Er lobt die Zusammenarbeit mit den Kreisbrandmeistern in der Region Heilbronn-Franken. „Sollte bei uns ein Großschadensereignis eintreten, könnte der Kreisbrandmeister aus Hohenlohe oder Schwäbisch Hall eine Führungsaufgabe bei uns übernehmen oder ich im Gegenzug dort“, beschreibt Geyer die außerordentlich gute und verlässliche Zusammenarbeit.
Doch er pflichtet der DRK-Präsidentin bei, die moniert hatte, dass das Bewusstsein für mehr Prävention beim Bevölkerungsschutz nach einer Katastrophe wie im Ahrtal schnell wieder sinke. Geyer ist da noch direkter: „Nach der Flutkatastrophe im Ahrtal wurden große Sprüche und Versprechungen gemacht, aber passiert ist rein gar nichts.“
Mehr Unterstützung gewünscht
Auch Florian Busch wünscht sich da mehr Unterstützung: „Für uns ist es wichtig, dass wir beim Erstangriff in der Lage sind, diesen selbst mit eigenen Mitteln zu verantworten.“ Daran aber krankt es. Der Katastrophenschutz verfügt weder über geländegängige Fahrzeuge noch über ein Transportfahrzeug, mit dem Material oder auch Menschen von A nach B gebracht werden können. „Vier Fahrzeuge für den Katastrophenschutz sind zu wenig“, meint er gerade mit Blick auf den riesigen Main-Tauber-Kreis. Letztlich kämen Fahrzeuge der kommunalen Wehren zum Einsatz. Das habe zur Folge, dass im Main-Tauber-Kreis zwar fünf Züge zur Verfügung stehen, der Kreisbrandmeister dem Zug zur Brandbekämpfung aber keine Drehleiter zubilligen kann, weil es lediglich vier davon im gesamten Landkreis gibt. „Früher“, erinnert er sich, „gab es einen Katastrophenschutzzug vom Landkreis, in dem vor allem Wehrersatzdienstleistende eingesetzt waren.“ Mit der Wiedervereinigung und dem Ende des Kaltes Krieges aber sei viel zurückgefahren worden, weil es eine entspannte Einschätzung der Gefährdungslage gab.
Auf Kreisebene sollte eigentlich schon kurz nach der letzten großen Katastrophenschutzübung 2019 ein neuer Einsatzplan erarbeitet werden. Die Reallage machte dem Kreisbrandmeister jedoch einen Strich durch die Rechnung. Zunächst war es die Pandemie und der Aufbau des Kreisimpfzentrums in kürzester Zeit, dann kam im Februar 2022 der Angriffskrieg Russlands auf die Ukraine mit vielen Flüchtlingen hinzu.
„Als zweiter Landkreis in Baden-Württemberg haben wir die außergewöhnliche Einsatzlage beschlossen“, erläutert Busch. Diese wurde im Zuge der Corona-Pandemie eingeführt und stellt eine Vorstufe zum Katastrophenalarm dar. Sie wird beim Innenministerium angemeldet und bedeutet ganz praktisch, dass auf andere Hilfsorganisationen, die zu den Einheiten des Katastrophenschutzes gehören, zugegriffen werden kann und deren Verdienstausfall bezahlt wird. Notwendig war das, um die Notunterkunft in Bad Mergentheim in nur drei Tagen betriebsbereit aufzubauen. Jetzt aber steht der maßgeblich im vergangenen Jahr ausgearbeitete und mit konkreten Personen hinterlegte Plan, so dass die nächste Katastrophenschutzübung, die eigentlich alle zwei Jahre stattfinden sollte, in den Blick genommen werden kann.
„Wir müssen dahin kommen, dass nicht jeder alles vorhalten kann, sondern wir uns in der Region gegenseitig unterstützen können“, bekräftigen Busch und Geyer unisono. Dennoch muss ein gewisses Grundgerüst stehen. Dazu gehören die „Leuchttürme“ im Main-Tauber-Kreis, was nichts anderes bedeutet, als dass in jeder Gemeinde beispielsweise im Falle eines Katastrophenalarms oder eines flächendeckenden Stromausfalls („Blackout“) ein Feuerwehrhaus innerhalb einer halben bis zu einer Stunde betriebsbereit besetzt ist. Es dient dann als zentrale Kommunikationsstelle.
Sollte ein Stromausfall länger dauern, werden Notfalltreffpunkte eingerichtet, in denen sich Menschen aufhalten, ihr Handy aufladen oder für das Baby Milch wärmen können.
Bei einem großen Unglück kommen die fünf Feuerwehrabschnittsführungshäuser in Wertheim, Tauberbischofsheim, Lauda-Königshofen, Bad Mergentheim und Niederstetten ins Spiel. „Sie sind die Servicepartner zum Führungsstab, besorgen Informationen und spielen sie ein“, beschreibt der Kreisbrandmeister ihre Klammerfunktion in der Fläche.
Wichtig sind sowohl Andreas Geyer als auch Florian Busch die Wechselladerfahrzeuge, die mit unterschiedlichen Modulen, den sogenannten Abrollbehältern, für ganz unterschiedliche Einsatzzwecke bestückt werden. Die Bad Mergentheimer Wehr verfügt bereits über zwei dieser Fahrzeuge, die Wehren in Lauda-Königshofen, Tauberbischofsheim und Wertheim sollen baldmöglichst einbezogen werden.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/region-main-tauber_artikel,-main-tauber-bund-und-land-muessen-mehr-in-den-katastrophenschutz-investieren-_arid,2164915.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html