Wertheim. Noch zwei Wochen, dann liegt am Tauberufer wieder der süße Duft frisch gebrannter Mandeln in der Luft und mischt sich mit dem herzhaften Aroma von Bratwurst. Bunte Lichterketten blinken im Takt der Fahrgeschäfte. Das Karussell dreht sich rasant und in der festlich geschmückten Festhalle strömt das Bier aus den Zapfhähnen, um die Gaudi-hungrigen Gäste in Stimmung zu bringen. Die traditionsreiche Wertheimer Michaelismesse – dieses Jahr in einer gestreckten, neuntägigen XXL-Version – lockt ab Donnerstag, 2. Oktober, tausende Besucher an. Es ist das Highlight im Veranstaltungskalender der Stadt - schon seit 1822.
Für den Kämmerer der Stadt Wertheim dürfte die Michaelismesse hingegen nicht zu den Lieblingsereignissen gehören, denn sie ist ein Zuschussgeschäft, wie in anderen Städten der Region. „Seit jeher bedarf die Michaelismesse einer hohen Bezuschussung aus dem städtischen Haushalt“, erklärt Rathaussprecherin Angela Steffan auf FN-Anfrage.
Besonders hoch fiel demnach das Defizit für 2023 aus, als das 200-Jahr-Jubiläum gefeiert wurde. Zusätzliche Aufwendungen erhöhten den Zuschussbedarf auf rund 325.000 Euro. „Die ‚normale‘ Messe 2024 erbrachte laut vorläufiger Abrechnung ein Defizit von rund 270.000 Euro“, so die Sprecherin. Der Planansatz im Haushalt für die Messe 2025 betrage rund 240.000 Euro.
Fast eine Viertelmillion Euro Verlust
Anhand der vorläufigen Zahlen für 2024 zeigt Angela Steffan die Kostenstruktur beispielhaft auf. Auf nur rund 43.200 Euro summieren sich die Einnahmen aus Mieten, Pachten, Standgebühren, Parkplatzgebühren und Werbeeinahmen. „Bei den Ausgaben ist der größte Kostenblock der Betriebsaufwand von etwa 242.000 Euro“, erläutert sie. Hinzu kommen Personalkosten (36.700 Euro), Unterhaltung des sonstigen unbeweglichen Vermögens (etwa 7.400 Euro) und sonstige Aufwände (etwa 10.000 Euro).
Zum Betriebsaufwand zählen demnach der Festumzug und die Eröffnung (Musikkapellen, Kutschen, Gutscheine für Teilnehmer Festumzug, Empfang Ehrengäste), Kosten für Sicherheit (Security, DRK-Bereitschaft, Hundeverein), Versorgung und Infrastruktur (Aufwand Bauhof, Aufwand Stadtwerke, Instandhaltung Messeplatz, Toilettenwägen, Müllentsorgung) und die Shuttlebusse. Unter die Rubrik Sonstiges fallen die Kosten für den Seniorennachmittag, den Messelauf, das Feuerwerk, die temporäre Fußgängerbücke und Werbemaßnahmen.
„Die Zahlen machen deutlich, dass eine kostendeckende Durchführung der Michaelismesse nicht möglich ist“, erklärt die Rathaussprecherin. Beim Betriebsaufwand entfielen allein auf die Bereitstellung, Versorgung und Infrastruktur des Messegeländes rund 146.000 Euro. „Kosteneinsparungen ließen sich rein theoretisch beim Messeprogramm erzielen, indem man auf einzelne Veranstaltungen wie Eröffnungsfestzug, Seniorennachmittag, Messelauf und Abschlussfeuerwerk verzichten oder große Abstriche vornehmen würde. Dies stünde aber dem Charakter der Michaelismesse als traditionsreichem Volksfest für alle Generationen entgegen und wäre der Attraktivität abträglich“, erklärt sie.
„Keine Wertheimer Besonderheit“
Das Defizit sei „keine Wertheimer Besonderheit“. Auch andere Städte der Region müssten ihre Volksfeste subventionieren. In Marktheidenfeld bewegten sich 2023 und 2024 die Einnahmen und Ausgaben jeweils im mittleren sechsstelligen Bereich, erläutert Johanna Ebersbach, Sprecherin der Stadt Marktheidenfeld. Demnach wurde bei der Laurenzi-Messe 2023 ein Überschuss von rund 10.000 Euro erzielt und 2024 ein Defizit von rund 19.000 Euro. „Rechnet man jedoch die inneren Verrechnungen und Personalkosten der städtischen Mitarbeiter hinzu, ergibt sich für 2023 ein Gesamtdefizit von etwa 162.000 Euro und für 2024 von etwa 240.000 Euro“, so Johanna Ebersbach. 2024 habe man umfangreich in Sicherheit und Ordnung sowie ein neues Beleuchtungskonzept investiert, erklärt sie die Steigerung.
Auch in Miltenberg steht die Michaelismesse finanziell nicht auf eigenen Beinen. Im Haushalt 2025 seien für das diesjährige Volksfest 112.000 Euro an Zuschussbedarf vorgesehen, teilt Bürgermeister Bernd Kahlert mit. „Die Michaelismesse gehört seit langem zu Miltenberg und ist einer der absoluten Höhepunkte im Jahr“, so Kahlert. Vom größten Volksfest am bayerischen Untermain profitiere sowohl die Stadt als auch die umliegende Region.
Auch in Marktheidenfeld verweist man darauf, dass „aus politischer Sicht“ die Laurenz-Messe „weit mehr als ein Kostenfaktor“ sei. „Sie stärkt Wirtschaft, Tourismus sowie das gesellschaftliche und kulturelle Leben in Marktheidenfeld – man spricht hier von Umwegrentabilität“, so Johanna Ebersbach. Hotels und Gastronomie seien während der Festtage nahezu vollständig ausgelastet, auch der Einzelhandel profitiere spürbar. „Eine schwarze Null oder gar Gewinne sind unter den aktuellen Rahmenbedingungen jedoch nicht realistisch“, stellt sie klar.
In Wertheim fließe in die „gesamtwirtschaftliche Betrachtung“ ein, dass Einheimische und Gäste im Rahmen des Volksfestes „zum Geldausgeben bereit“ sind, der direkte materielle Nutzen aber nicht der Stadt zukommt, sondern den Festwirten, Marktkaufleuten und Fahrgeschäften, lässt Angela Steffan wissen. „Hinzu kommen die immateriellen Gewinne in den Bereichen Image und Tourismus für die Stadt sowie die Erlöse der ortsansässigen Geschäfte und Unternehmen mit und während der Messe.“
In Marktheidenfeld spricht man von „Umwegrentabilität“
In der Vergangenheit sei die Michaelismesse „wiederholt im Gemeinderat sehr ausführlich und grundsätzlich auf den Prüfstand gestellt“ worden. „Im Mittelpunkt stand die Sorge um die Attraktivität der Wertheimer Messe im Vergleich zu anderen Volksfesten in der Region.“ 2006 sei in den Gremien eine „Neukonzeption“ der Messe diskutiert worden, 2014 eine „Neuausrichtung“. „Dabei wurden vor allem Überlegungen für eine sowohl zeitliche wie auch räumliche Verlegung des traditionellen Volksfestes geprüft“, erläutert sie. „Ergebnis war jeweils das Übereinkommen, an der Michaelismesse in der jetzigen zeitlichen und örtlichen Struktur festzuhalten. Die letzte Diskussion über Zeitpunkt und Veranstaltungsort der Messe wurde im Messeausschuss 2022 geführt. Auch sie hatte zum Fazit, dass es keine Änderungen geben soll“, fasst die Sprecherin die politische Diskussion zusammen.
Hintergrund: Die Wertheimer Messe hat im Vergleich zu anderen Festivitäten den Nachteil, dass sie erst Ende September/Anfang Oktober stattfindet. Anders als in Miltenberg oder Marktheidenfeld, deren Volksfeste im Sommer über die Bühne gehen, ist es in der Main-Tauber-Stadt kühler und das Wetter tendenziell unbeständiger. Für die Michaelismesse einen anderen Platz im Kalender zu finden, ist allerdings schwierig. Schausteller, Marktbeschicker und auch die Festwirte sind über die Saison nach einem tradierten Schema andernorts aktiv.
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