Wertheim/Höhefeld. Die in Höhefeld bestehenden 14 Windräder sollen durch sechs viel größere, leistungsfähigere ersetzt werden. Das sogenannte „Repowering“ sorgt für mitunter hitzige Diskussionen. Bei der eigens anberaumten Sondersitzung des Gemeinderats am 9. August ließ Christian Ulzhöfer (Bürgerliste) aufhorchen.
Ulzhöfer, der auch Artenschutzaktivist in der Wertheimer Ortsgruppe des Naturschutzbundes (Nabu) ist, bezweifelte, dass es sich bei Windkraft um „saubere Energie“ handelt. Der Begriff sei ein „Kraftausdruck der Windkraftlobby“ und werde benutzt, um damit „Propaganda zu betreiben“.
Windkraft mindere die Lebensqualität der Bevölkerung auf dem Land, zerstöre das Landschaftsbild und bringe „Schalldruck auf die Dörfer“. „Die Auswirkungen auf die Natur sind katastrophal“, fasste er zusammen, um wenig später das Thema aus seiner Sicht in Bezug auf den Klimaschutz einzuordnen: In vielen anderen Ländern auf dem Globus würden Kohlekraftwerke gebaut – auch Atomkraftwerke. „Wir in Deutschland sind leider paranoid und schalten Atomkraftwerke ab“,so Ulzhöfer. Nuklearenergie wäre „eigentlich gut fürs Klima“.
Außergewöhnliche Aussagen
Windkraft katastrophal für Umwelt? Atomenergie gut fürs Klima? Aus dem Munde eines engagierten Naturschützers sind das eher außergwöhnliche Thesen.
Die Nabu-Ortsgruppe Wertheim pflichtet Ulzhöfer bei: „Die Windräder in doppelter Höhe zu planen und die alten, noch funktionierenden zu verschrotten, ist ein weiterer Einschnitt in die Natur und unter Berücksichtigung der Nachhaltigkeit fragwürdig“, meint Vorsitzender Ekkehardt Ebert auf FN-Nachfrage. Von „sauberer Energie“ zu sprechen, sei „in dem Sinne Propaganda, weil weder die Produktion der Windräder noch die Wartung oder die Entsorgung nach 20 Jahren“dabei einfließen würden. „Die sauberste Energie ist diejenige, die nicht verbraucht wird“, so Ebert.
Wenn man bei Windrädern von „sauberer Energie“ spreche, „könnte man meinen, dass Atomkraftwerke auch ,sauber’ sind“, ergänzt Ebert. Folgeschäden oder vorgelagerte Emissionen würden ignoriert. „Wir vom Nabu betrachten die Dinge jedoch ganzheitlich. Somit ist Atomenergie keine Alternative und wird nicht zur Klimarettung beitragen“, schränkt er ein. Kohle- und Atomkraftwerke in Deutschland abzuschalten, um diese Energie aus dem Ausland zu importieren, sei allerdings „grotesk“ und zeige, wie die „Energiepolitik in Deutschland versagt hat“.
Konfliktarme Standorte suchen
Beim Nabu-Landesverband Baden-Württemberg reagiert man indes irritiert auf die Äußerungen Ulzhöfers: „Die Aussagen widersprechen an vielen Stellen diametral den Nabu-Positionen“, meint Landesvorsitzender Johannes Enssle. Es sei wichtig, zwischen den Positionen des Nabu und persönlichen Meinungen einzelner Mitglieder zu unterscheiden. Man stehe hinter dem Ziel der Landesregierung, 1000 neue Windräder in Baden-Württemberg zu bauen, „da wir die Energiewende dringend voranbringen müssen und zwar auch viel schneller als bisher“.
Weniger problematisch
Jedes Windrad stelle zwar einen Eingriff in den Naturhaushalt dar, da Greifvögel und Fledermäuse zu Schaden kommen könnten und Fläche in Anspruch genommen werde. Deshalb sei es wichtig, konfliktarme Standorte zu suchen, Techniken zur Schadensvermeidung wie Detektionssysteme für heranfliegende Vögel und Abschalt-Algorithmen für Fledermäuse weiterzuentwickeln und die Populationen windkraftsensibler Fledermaus- und Vogelarten durch Artenhilfsprogramme an anderen Orten zu fördern.
„Repowering“ von Altstandorten sei ein sinnvolles Konzept, gerade wenn sich dadurch die Anzahl der Anlagen verringert.
Große Anlagen seien für den Artenschutz weniger problematisch, „da die Rotoren viel weiter oben sind und die Greifvögel bei ihrem Suchflug und auch die Fledermäuse in der Regel eher in den unteren Bereichen, also auf der Höhe der Rotoren der Altanlagen, fliegen“, so Enssle.
Christian Ulzhöfer widerspricht: „Rotmilan und Mäusebussard orientieren sich nicht an der Höhe, sondern an Windverhältnissen und Verfügbarkeit des Futters. Meine Beobachtungen zeigen, dass sie zwischen 50 und 250 Meter hoch fliegen. Überall, wo Windräder aufgebaut werden, fehlt mittelfristig der Rotmilan.“
Er habe bei den Nabu-Wanderungen dieses Jahr rund um die Windanlage noch nie so wenige Rotmilane gesehen.
Kein Freund der Atomkraft
Ulzhöfer relativiert im Übrigen seine Aussagen im Gemeinderat zur Atomkraft: „Ich bin kein Freund der Nuklearenergie – alleine schon, weil sie endlich ist.“ Die Kosten für die jahrhundertelange Endlagerung der Rückstände seien zu groß, argumentiert er. Aber sich in Deutschland kurzfristig von der Nuklearenergie zu verabschieden, bringe nichts, wenn „in anderen europäischen Ländern Atomkraftwerke gebaut werden, die uns den Strom liefern“. Man verschiebe damit nur das Problem, um die Netzstabilität zu gewährleisten.
Ulzhöfer räumt letztlich ein, dass das „Repowering“ des Windparks in Höhefeld kaum zu verhindern sei. Er fordert im Gegenzug eine finanzielle Entschädigung für die Anwohner – gespeist aus den Erträgen – sowie großflächige Ausgleichsmaßnahmen für Fledermäuse und Vögel „weit weg von den Windkraftanlagen“.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-windpark-hoehefeld-wertheimer-nabu-uneins-ueber-nutzen-der-windkraft-_arid,1839746.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html