Höhefeld/Wertheim. In einer nichtöffentlichen Sitzung wurde im Wertheimer Gemeinderat am Montagabend zum ersten Mal das Repowering-Verfahren für den Windpark Höhefeld kurz vorgestellt. Die 14 bestehenden Windräder sollen durch sechs jeweils 250 Meter hohe Anlagen ersetzt werden – die höchsten in Deutschland. Bereits ein paar Tage zuvor sind die Ortsvorsteher der betroffenen fünf Ortschaften durch eine Vertretung der Firma Juwi unterrichtet worden. Das Projektbüro wird die Umsetzung des Verfahrens steuern.
In unserer Mittwochsausgabe berichteten wir ausführlich über das Vorhaben, inklusive Stellungnahme der Stadtverwaltung. Die Reaktion der betroffenen Bürger und aus dem Gemeinderat sind jetzt Thema.
In fast ausnahmslos allen Aussagen kam der gleiche Grundtenor zum Ausdruck: Man ist für die Energiewende und den Einsatz erneuerbarer Energien. Dies dürfe jedoch keinesfalls zulasten der Bürger passieren und schon gar nicht aus rein profitorientierten Gründen.
Einig sind sich fast alle Befragten auch darüber, dass die Mediation, also der Einsatz eines Vermittlers oder auch Moderators, ein sinnvolles Mittel ist. „Wir wollen die Energiewende, aber mit verträglichen Lösungen für die Bürger“, bringt es Axel Wältz auf den Punkt. In einem nächsten Schritt sollen Simulationen für die betroffenen Orte angefertigt werden.
Nächste Schritte
In einem ersten Schritt sollen nun die betroffenen Ortschaften Fotos von markanten Punkten in Bezug auf den Windpark Höhefeld einreichen, so dass eine Simulationen für die neuralgischen Punkte erstellt werden kann. Durch das Einarbeiten der 250 Meter hohen neuen Windkraftanlagen können sich die Bürger einen ersten Eindruck verschaffen.
Als nächster Schritt folgt eine öffentliche Sondersitzung des Gemeinderats am Montag, 9. August in der Main-Tauber-halle. Dies war gestern einem Beitrag des Oberbürgermeisters Markus Herrera Torrez auf Facebook zu entnehmen. Mit dieser Sitzung wolle die Stadt einen breiten, transparenten Dialogprozess anstoßen und alle Bürger auf den gleichen Wissensstand bringen. hei
Reaktion aus Höhefeld
„Was hat das denn mit Nachhaltigkeit zu tun, wenn man nach 20 Jahren die Windräder wieder abbaut?“ Diese Frage stellt sich Höhefelds Ortsvorsteher Christian Stemmler. Er sei für Nachhaltigkeit und ökologisch sinnvolles Wirtschaften, aber diesem Projekt stehe er sehr kritisch gegenüber. „Und das nicht nur, weil es uns als Ort betrifft“, meint er.
Unter Repowering verstehe er etwas anderes als den Abriss kleiner und den Neubau riesiger Windkraftanlagen. „Was passiert dann 20 Jahre später? Bekommen wir dann 500 Meter hohe Windräder?“ fragt er. Stemmler spricht von monetärem Investment, das nichts mit ökologisch nachhaltigem Handeln zu tun habe. Auch in Höhefeld warte man gespannt auf die Fotomontagen, um sich ein Bild von den Auswirkungen auf den Ort machen zu können.
Reaktion aus Urphar
„Wir kennen die Auswirkungen auf Urphar noch nicht genau“, sagt Ortsvorsteher Detlev Dosch. Nach der Anfertigung der Simulationen werde erst deutlich, ob man die 250 Meter hohen Anlagen auch in Urphar sehen könne. „Natürlich sind diese großen Windräder vor allem für die anderen Ortschaften, wie Lindelbach, Dietenhan und Kemba
ch belastend.“
Und weiter fügt er an: „Ich persönlich finde die neuen Anlagen zu groß dimensioniert. Deshalb kann ich mir vorstellen, dass es schwierig wird, die Bürger davon zu überzeugen. Die Frage ist doch, ob wir da überhaupt noch etwas machen können.“ Dosch ist davon überzeugt, dass man eine andere Lösung finden sollte. Sein Vorschlag: bisherige Höhe, aber neue Technik.
Dietenhan
Dietenhan ist eine der am stärksten betroffenen Orte. Große Teile der Bürger leben in direkter Sichtweite zum Windpark. Aufgrund des Neubaugebiets werden es sogar noch mehr werden, die dann Tag für Tag auf Anlagen schauen, während sie auf ihren Terrassen sitzen. Entsprechend fällt auch die Reaktion des Ortsvorstehers Frank Helm aus. „Wir haben unsere Bedenken sofort deutlich formuliert. Schon jetzt hören einige Dietenhaner die Windräder. Was soll das erst werden, wenn die Anlagen noch größer sind? Wir rechnen im Ort mit noch stärkeren Beeinträchtigungen“, befürchtet er.
Neben Lärm und Infraschall sei vor allem auch die Beeinträchtigung der Sichtlinie ein Thema bei den Bürgern. „Ich hoffe, dass die 250 Meter nicht der Weisheit letzter Schluss sind, denn damit werden wir uns nicht anfreunden.“ Grundsätzlich habe man in Dietenhan Sorge, dass der Profit vor der Gesundheit der Bürger steht.
Lindelbach
„Wenn ich in meinem Weinberg bin, kann ich gut auf die Windräder gucken. Meistens laufen nur drei und elf stehen. Wenn dann sechs gebaut sind, die das Vielfache an Energie bringen, dann stehen ja alle sechs still“, meint Ortsvorsteher Egon Schäfer. „Wenn man jetzt schon den Strom nicht wegbringt, zäumt man doch das Pferd von hinten auf. Viel wichtiger wären doch Leitungen, die den Strom wegbringen.“ Auch er geht von einer Beeinträchtigung des Erscheinungsbildes aus. „Mit Schattenwurf hatten wir bisher nichts zu tun. Das dann aber kommen, bei dem vor allem das Baugebiet Richtung Bettingen betroffen ist.“
Kembach
Nicht erst seit wenigen Tagen beschäftigt sich der stellvertretende Ortsvorsteher Udo Fertig mit dem Thema. Bis Donnerstagmorgen fiel die Reaktion Kembacher noch relativ gering aus. Das liege aber daran, dass die breite Masse erst durch die Fränkischen Nachrichten vom Repowering-Verfahren erfahren habe. Dennoch werden erste Sorgen geteilt. So ist sich Fertig ziemlich sicher, dass man die neuen Anlagen auch im Altort sehen werde. Neben der Sichtbeeinträchtigung ist in Kembach jetzt schon der Schattenwurf der Windräder zu spüren. „Die Beeinträchtigungen sind schon nicht ohne. Wenn die großen Anlagen dann stehen, wird es ja noch schlimmer“, mutmaßt Fertig. Er fordert deshalb, dass die Entscheidung für die Bevölkerung verträglich sein muss und hofft auf einen echten Kompromiss. Auch er stellt die Frage nach dem Sinn der deutlich größeren Anlagen, wenn jetzt schon die meisten Windräder ständig stehen.
Auch in den Gemeinderatsfraktionen ist das Repowering-Verfahren Gegenstand der Diskussionen – allerdings mit Einschränkungen.
Patrick Schönig und Brigitte Kohout (SPD)
„Wir haben in der Fraktion noch nicht über das Thema gesprochen. Deswegen ist es nicht seriös, hier eine Stellungnahme abzugeben. Auch haben wir bisher erst einen kleinen Einblick in das Verfahren erhalten“, sagt Patrick Schönig, Vorsitzender der SPD-Fraktion. Er bevorzugt den langen Weg: „Erst Informationen, dann Beratung und dann die Stellungnahme.“
Seine Parteikollegin Brigitte Kohout sieht das anders. Sie teilt die Bedenken der Bürger in Bezug auf die negativen Auswirkungen. Kohout verweist auf eine Studie der Uni Mainz, die zum Ergebnis kommt, dass der Infraschall sehr wohl deutliche Auswirkungen auf den menschlichen Organismus hat. „Ich bin für den Einsatz regenerativer Energie.
Aber die Gesundheit und das Wohnumfeld der Bürger ist mir wichtiger“, sagt sie. Oft gehe es ihrer Meinung nach nicht um die Energiewende, sondern um viel Geld. „Die geplanten Windräder sind mir viel zu hoch und deren Auswirkungen zu groß“.
Sie fügt mit Nachdruck an: „Ich lasse mir auch nicht einreden, dass man als Stadt keine Handhabe hat“ und verweist auf die Initiative vor etlichen Jahren, die sich gegen den Bau des Dampf- und Gaskraftwerks auf dem heutigen Areal der Firma Brand stark gemacht hat.
Axel Wältz (CDU)
Axel Wältz, Vorsitzender der CDU-Fraktion dagegen berichtet von einer einhelligen Meinung in der Fraktion. „Für uns ist der soziale Frieden vor Ort von Bedeutung. Deswegen werden wir uns immer auch der Position der Ortsvorsteher und Ortschaftsräte anschließen“, betont er. Auch seine Fraktion wurde erst am Montagabend über das Verfahren informiert.
„Wir waren von der Dimension echt überrascht“, erinnert sich Wältz. In seinen Augen handele es sich bei dem Verfahren nicht mehr um Repowering, sondern um reinen Neubau. Deshalb begrüßt er das Einschalten eines Mediators.
Songrit Breuninger (Freie Bürger)
„Wir, die Freien Bürger Wertheim, haben in der Fraktion eigentlich noch nicht richtig darüber debattiert. Für uns sind noch viel zu viele Fragen offen, um sich ein Bild vom Projekt machen zu können“, sagt Songrit Breuninger, die Fraktionsvorsitzende.
Breuninger fügt aber auch an, dass man bei den Freien Bürgern die Reaktion der Ortschaften abwarten will und sich dann durchaus vorstellen könne, sich ihnen anzuschließen. „Wir sind schließlich die Vertreter der Bürger“, so Breuninger.
Stefan Kempf (Bürgerliste)
Ähnlich wie Patrick Schönig äußert sich Stefan Kempf, Fraktionschef der Bürgerliste: „Die Fraktion hat sich noch nicht mit dem Thema beschäftigt. Wir wollen uns erst einmal ein Bild davon machen und können dann erst eine Stellung nehmen.“
Richard Diehm (Grüne)
Er sei in der nichtöffentlichen Sitzung am Montag aus Termingründen nicht mehr dabei gewesen, aber durch Marliese Teicke umfassend informiert worden. „Ich sehe es genauso wie der Oberbürgermeister in seinem Statement. Wir haben hier gar nichts zu entscheiden. Das geht an Wertheim vorbei“, sagt er. Eindeutig bekennt er sich als Unterstützer der Windkraft, die deutlich weniger wertvollen Boden verbrauche als Photovoltaikanlagen. „Ich persönlich bin für Repowering. Denn wenn ich die Fläche schon habe, muss ich sie doch nutzen.“
Er selbst schaue an seinem Wohnort auch in jeder Richtung auf Windkraftanlagen und habe kein Problem damit. In diesem Zusammenhang verweist er auf Peter Altmaiers Äußerung, dass man die Windkraft massiv ausbauen müsse, wenn man die Energiewende schaffen wolle. „Allerdings war ich über die Höhe von 250 Metern genauso überrascht, wie alle anderen.“
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