Sonderriet/Nassig. Die Rolle des Stadtrats Richard Diehm (Grüne) beim Windkraftprojekt in der Nähe der Kreismülldeponie sorgt bei den Sonderrietern für Unverständnis. Wie berichtet, hatte Sonderriets Ortsvorsteher Udo Kempf den Nassiger im nichtöffentlichen Teil der Gemeinderatssitzung am 9. Mai scharf kritisiert.
Der Vorwurf: Diehm würde das Projekt einseitig favorisieren und habe Leute kontaktiert, deren Grundstücke für das Projekt in Frage kommen. Die Windräder im Nassiger Schenkenwald lehne er hingegen ab, bemängelte Kempf.
Beim „Rathaus vor Ort“ in Sonderriet am 12. Mai war die Rolle Richard Diehms dann erneut Thema – wieder im nichtöffentlichen Teil, bei dem die Verwaltungsspitze zusammen mit den Paten-Stadträten und dem Sonderrieter Ortschaftsrat vor der öffentlichen Veranstaltung zusammensaßen. Dabei kam zutage, dass Diehm selbst ein Grundstück im betroffenen Gewann „Katzenzipfel“ besitzt, das als Standort für ein Windrad in Frage kommt. Er würde also finanziell von dem Projekt profitieren.
„Kein Geheimnis“
Diehm bestätigte am Dienstag den Fränkischen Nachrichten, dass er Eigentümer einer Fläche am „Katzenzipfel“ ist. Dies sei kein Geheimnis. „In Nassig wissen die Leute das“, sagte er. Bei der Rathaus-Vor-Ort-Veranstaltung in Sonderriet habe er es im nichtöffentlichen Teil kundgetan wie auch später bei einer Sitzung der Fraktionsvorsitzenden des Gemeinderats im Rathaus am 20. Mai.
Nach Informationen der Fränkischen Nachrichten hat Diehm mit einem Grundstückseigentümer telefoniert – schon Ende vergangenen Jahres.
Der Angerufene, der seinen Namen nicht in der Zeitung lesen will, habe den Eindruck gehabt, so schilderte er es den FN, das Projekt sei quasi in trockenen Tüchern und Diehm handle im offiziellen Auftrag. Diehm widerspricht.
Er habe den Landwirt lediglich gefragt, ob er sich vorstellen könne, dass auf seinem Acker ein Windrad aufgestellt wird. Mit Karsten Schuster, dem Geschäftsführer der Projektgesellschaft Volta, die den Windpark realisieren möchte, habe er zuvor vereinbart, Kontakte zu den Eigentümern herzustellen und ihn so bei der Realisierung zu unterstützen. Mitnichten habe er gesagt, das Projekt sei quasi schon beschlossene Sache.
Zu dieser Version passt nicht, dass der umworbene Landwirt sich bei einem ihm bekannten Sonderrieter Ortschaftsratsmitglied mit dem Hinweis auf den vermeintlich offiziellen Charakter des Anrufs nach dem Projekt erkundigte. Dieser wiederum war überrascht, denn er kannte das Vorhaben überhaupt nicht.
Das konnte er auch gar nicht, denn mit der Stadt Wertheim, die für das Projekt einen Bebauungsplan aufstellen muss, ist Volta-Geschäftsführer Karsten Schuster erst seit wenigen Wochen per Mail in Kontakt. Demnächst soll es eine Video-Konferenz mit Stadtbaumeister Armin Dattler geben, wie Schuster berichtet.
Richard Diehm widerspricht unterdessen dem Vorwurf, er habe die Öffentlichkeit nicht ausreichend darüber informiert, dass er in das Projekt auch privat involviert ist. Zum gegenwärtigen Zeitpunkt könne er nicht befangen sein, da es noch gar kein offizielles Verfahren gebe. Erst bei einer Abstimmung über das notwendige Planungsrecht bestehe Befangenheit. „Dann bin ich raus“, so Diehm. Das treffe auch für das Vorhaben des Fürstenhauses im Nassiger Schenkenwald zu, denn auch dort besitze er ein Waldgrundstück in unmittelbarer Nachbarschaft zu einem betroffenen Gebiet.
Die Kritik, er mache sich einseitig für das Projekt nahe Sonderriet stark, lässt er auch nicht gelten. Im Schenkenwald müsste Wald gerodet werden, eine Anbindung an das Stromnetz sei nicht vorhanden. Deswegen sehe er Vorhaben kritisch, sei aber auch nicht strikt dagegen. Der Standort an der Mülldeponie habe den Vorteil, dass die Erschließung viel einfacher vonstattengehen könne. Das Trafohäuschen der Photovoltaikanlage am Ernsthof befinde sich in unmittelbarer Nähe.
Hohe Pachteinnahmen
Möglicherweise werden letztendlich beide Projekte realisiert. Die Eigentümer der Flächen im Schenkenwald und um den Heegwald dürfen sich dann auf ordentliche Pachteinnhamen freuen. 30 000 Euro und mehr gibt es laut Auskunft von Karsten Schuster pro Anlage im Jahr für Besitzer, auf deren Grundstück die Anlage steht. Für die Eigentümer in unmittelbarer Umgebung fällt weniger ab, aber auch sie bekommen Geld.
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