Main-Tauber-Kreis/Reicholzheim. Etwas überraschend kam für Viele vor einigen Wochen die Nachricht, dass Geschäftsführer Cornelius Lauter und der Vorstandsvorsitzende Andreas Oehm ihre Ämter an der Spitze der GWF niederlegen. Eine magere Pressemittelung ließ Raum für Vermutungen. Aus diesem Grund sprachen die Fränkischen Nachrichten mit Oehm über diesen Schritt und vor allem über die angespannte Marktlage sowie die Zukunft der Winzer.
Herr Oehm, Sie sind mit dem Anschluss der Winzergenossenschaft Reicholzheim an die GWF als Winzer ebenfalls der Gemeinschaft beigetreten, seit 2002 im Aufsichtsrat und 2004 zum Vorstandsvorsitzenden gewählt worden. Zu ihrem Amtsantritt mussten Sie gleich mehrere Herausforderungen meistern.
Andreas Oehm: So eine Fusion ist inzwischen nicht nur bei den Banken gang und gäbe. Dabei treffen Kulturen und Charaktere aufeinander und die müssen erstmal miteinander können. Wir hatten in der GWF eine hausgemachte Krise, in der gleich drei Fusionen, mit Reicholzheim, Hammelburg und Randersacker, in kürzester Zeit hinter uns lagen. Das waren etwa 300 Hektar Weinberge, die zu den 1200 Hektar der GWF dazu kamen. Diese zusätzliche Menge an Trauben und damit Wein musste erst einmal am Markt umgesetzt werden. Dazu kam die Globalisierung des Weinmarktes, mit frischen Weinen aus anderen Ländern und Kontinenten, während wir unsere alten Jahrgänge verkauften.
Wie wirkte sich das aus?
Oehm: Wir hatten bis dahin nicht den Verbraucher, sondern nur unsere Bestandslage im Visier. Auch das musste sich ändern – was wir relativ schnell getan haben. Intern hieß das „Qualitäts- und Frischeoffensive“, bei der wir die Marke „Die jungen Franken“ in den Fokus rückten. Durch die geforderte Frische ist der Vermarktungszeitraum inzwischen sehr kurz. Damals war der Weinmarkt noch freundlich und offen.
Doch der Markt hat sich verändert.
Oehm: Das stimmt. Heute sind wir in der Situation, dass der Weinmarkt nicht mehr zieht. Der Verbraucher spart massiv aufgrund der Verunsicherung durch den Ukrainekrieg und die steigenden Lebenshaltungskosten. Der deutsche Weintrinker wird zunehmend zum Aktionskäufer – greift also nur zu, wenn ein Wein im Angebot ist. Der Griff ins Regal ist eher verhalten.
Das ist nicht die einzige Herausforderung.
Oehm: Wir sind in fünf Landkreisen mit fünf unterschiedlichen Lebensmittelüberwachungsbehörden konfrontiert und wir werden immer stärker reglementiert und überwacht. Dies führte auch zu der Entscheidung, eine zentrale Kelterstation am Stammsitz der GWF zu bauen und elf dezentrale Kelterstationen, darunter auch Reicholzheim, aufzulösen und zu schließen.
Nachdem die GWF während ihrer Amtszeit unter anderem auch mit der zentralen Kelterstation eine moderne Genossenschaft wurde, haben Sie im Juni völlig überraschend das Amt als Vorstandsvorsitzender niedergelegt. Was waren die Gründe dafür?
Oehm: Als Geschäftsführer Cornelius Lauter gekündigt hatte, habe ich mir die Frage gestellt, was das für mich bedeutet. Immerhin hatte ich zu diesem Zeitpunkt schon drei Geschäftsführerwechsel mitgemacht und war zwischenzeitlich monatelang allein verantwortlich. Außerdem habe ich gespürt, dass beim Aufsichtsrat kein einhundertprozentiger Rückhalt mehr da war, trotz allen Einsatzes. Da liegt die Entscheidung dann nahe.
Ihnen wurde vorgeworfen, sich nicht genügend um neue Trends am Markt gekümmert zu haben. Wie stehen Sie dazu?
Oehm: Das sehe ich nicht so. Wir haben mit Bag-in-Box, alkoholfreien Produkten oder in Kürze die „Schorle in der Dose“ oder der Long-Neck-Flasche innovative Produkte auf den Markt gebracht. Aber man muss bedenken, wir haben im Moment grundsätzlich einen sehr stark rückläufigen Markt – und das liegt nicht nur am Rückgang des Alkoholkonsums in bestimmten Kundengruppen. Diesen Abwärtstrend zeigen auch die Geisenheimer Weinmarktanalysen. Dies trifft insbesondere auf den deutschen Wein zu, während der Absatz beispielsweise der spanischen Weine explodiert, weil sie viel günstiger sind. Zu bedenken ist dabei: Allein durch den Einmarsch von Putin in die Ukraine haben wir eine Preissteigerung von zehn Cent pro Glasflasche. Das sind etwa 1,3 Millionen Euro mehr an Ausgaben in der GWF pro Jahr. Dazu kommen Preissteigerungen beim Papier für die Etiketten und die Aluminiumkapseln. Außerdem verbrauchen wir zwei Millionen Kilowattstunden Strom, dessen Preis ebenfalls anzog. Das hat dazu geführt, dass wir den Jahrgang 2021 bewertet haben, also auch den Erlös für den Winzer festgelegt hatten. Die Kostensteigerungen waren jedoch noch nicht eingerechnet. Die mit den Einzelhändlern bereits abgeschlossenen Verträge konnten allerdings nicht angepasst werden. Somit sind die gestiegenen Kosten beim Mitglied durchgeschlagen. Die Nachzahlung betrug dann also statt 25 keine zehn Prozent mehr. Das drückt natürlich auch auf die Stimmung bei den Winzern. Und dann bleibt die Frage, wie man in dieser Situation zusammensteht.
Haben Sie sich komplett aus der GWF zurückgezogen?
Oehm: Nein. Ich bin für die Übergangsperiode noch als Bevollmächtigter bei der GWF beschäftigt und für den Wissenstransfer und das Netzwerk, das ich in Jahrzehnten aufgebaut habe, zuständig. Es wäre fatal, wenn man dies alles von heute auf morgen abschneiden würde. Dafür ist auch mein Herzblut für das Unternehmen viel zu groß. Außerdem bin ich nach wie vor Mitglied – und wenn es der GWF gut geht, geht es auch mir gut.
Die Winzer aus dem Taubertal fühlen sich in der GWF ein wenig unterrepräsentiert. Können Sie dem zustimmen?
Oehm: Das kann nicht sein. Schauen Sie sich doch nur einmal das Sortiment hier in der Vinothek in Reicholzheim an. Da kommen etwa 95 Prozent der Produkte aus dem Taubertal und fünf Prozent aus dem angrenzenden Frankenland. Zur GWF gehören insgesamt 114 Weinbaugemeinden. Also muss man auch die Flächenverhältnisse sehen. Das Taubertal macht zwischen zehn bis 15 Prozent der Gesamtfläche der GWF aus. Bei der Erntemenge ist es noch weniger, weil wir im Taubertal immer wieder Sonderereignisse, wie den Frost in diesem Jahr, haben. In Franken tritt bei weitem kein so hoher Schädigungsgrad auf wie im Taubertal. Nicht umsonst ist der Weinbau im Taubertal kein Haupterwerbszweig. Die meisten betreiben ihn als Risikostreuung in einem landwirtschaftlichen Betrieb. Durch den Strukturwandel im Ackerbau ist die Genossenschaft beziehungsweise der Ertrag aus dem Weinbau für sie zur tragenden Säule geworden.
Gab es eigentlich jemals eine Chance für den Zusammenschluss der kleinen Genossenschaften im Taubertal zu einer großen?
Oehm: Nur bedingt. Das war zum einen eine Frage der unterschiedlichen Charaktere. Es wäre kein Synergieeffekt entstanden. Dazu hätte man eine Menge Geld in einen zentralen Standort investieren müssen. Außerdem passen Baden und Franken im Taubertal besser zusammen als Baden und Württemberg. Es sind die Rebsorten, der Bocksbeutel und der damit verbundene Qualitäts- und Mengenansatz, was Baden und Franken verbindet. Die Chance hätte es meiner Meinung nach nur ganz am Anfang gegeben, bevor die WG Reichholzheim 1952 als Gebietsgenossenschaft gegründet wurde, als auch der Schüpfer Grund Mitglied wurde.
Reicholzheim ist ein gutes Stichwort. Blutet Ihnen nicht das Herz, wenn Sie das leerstehende Verwaltungs- und Lagergebäude sehen?
Oehm: Natürlich. Vor allem, weil ich wegen des Gebäudes mit der Stadtverwaltung Wertheim schon grobe Nutzungskonzepte entwickelt habe, wie beispielsweise der Einzug eines Lebensmittelmarktes oder den Bau von Wohnungen und Gewerbenutzung. Im Moment haben wir den Nachteil, dass ein Neubau auf der grünen Wiese immer noch lukrativer ist. Aktuell gibt es keinen Kauf-Interessenten. Aber das Gebäude ist ja auch erst seit einem halben Jahr komplett leer.
Was wäre Ihr Wunsch für das Gebäude?
Oehm: Wenn sich zwei oder drei kleinere Gewerbe- oder Handwerksbetriebe darin ansiedeln könnten, das wäre gut. Eine Produktion, Büros oder Lager – das wäre alles möglich. Entgegen allen Behauptungen wollen wir uns mit dem Verkauf keine goldene Nase verdienen. Wir haben die Gebäude bewerten lassen und sind zu jeglichen Zugeständnissen bereit.
Und der historische Dreiseithof mit der Vinothek?
Oehm: Der bleibt natürlich, wie er ist.
Sie selbst sind mit Leib und Seele Winzer im Vollerwerb.
Oehm: Das stimmt. Ich betreibe gemeinsam mit meiner Frau im Boxberger Stadtteil Oberschüpf ein Betrieb mit 15 Hektar Anbaufläche.
Welchen Wein trinken Sie nach so einem heißen Tag?
Oehm: Das kommt darauf an, ob ich aus einem kühlen Auto ausgestiegen bin oder verschwitzt ankomme. Gekühlt: Dann darf es ein schwerer Weißer, wie der Graue Burgunder Premium, sein. Aber mal grundsätzlich: Für mich ist Wein aussuchen und trinken etwas Spontanes.
Was haben Sie in ihrem Weinkeller?
Oehm: Von den eigenen Weinen bis hin zum Mitbringsel aus dem Urlaub alles.
Woran liegt es eigentlich, dass den meisten Leuten der aus dem Urlaub mitgebrachte Wein zuhause nicht mehr so gut schmeckt?
Oehm: Weil sie voller Euphorie und mit dem ganzen Lebensgefühl im Urlaub Wein kosten und trinken. Sie verbinden dann diesen Wein mit einem Gefühl von Entspanntheit, Losgelöstheit und Freiheit. Der Wein wird gar nicht bewusst wahrgenommen, sondern nur mit Emotionen verbunden. Die Menschen schreiben dem Wein dann Eigenschaften zu, die er eigentlich nicht hat. Zuhause sind die Gefühle weg und dann muss der Wein sich beweisen.
Können Sie im Urlaub auch den Wein genießen, ohne ihn zu analysieren?
Oehm: Das ist schon schwer. Ich kann den Wein nicht einfach Wein sein lassen. Aber ich brauche dafür keine Analysewerte. Ein Wein kann auch einfach nur schön sein.
Haben Sie noch einen Tipp, auf welchen Tropfen man als Weinliebhaber in Zukunft ein Augenmerk haben sollte?
Oehm: Alkoholfreier Secco wäre ein Tipp, denn da ist Potenzial drin. Auch die pilzwiderstandsfähigen Rebsorten der neuen Generation wie Souvignier Gris sind zukunftsfähig.
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