Freudenberg. Rauch ist nicht der erste Sanierungsfall, den Rainer Hribar übernimmt. In seiner Karriere hat der 65-Jährige bereits zwei Unternehmen geleitet, die in schwierigen Situationen waren: ab 2002 führte er für mehrere Jahre das schwäbische Handelshaus für Fenster- und Türbeschläge VBH, später das Unternehmen Haas Fertigbau. Der in Österreich geborene Elektroingenieur, der auch ein BWL-Studium absolviert hat, lebt in der Schweiz.
Auf FN-Nachfrage gab der Manager am Donnerstag Auskunft über die Situation bei den Rauch Möbelwerken. „Es gibt nie einen glücklichen Zeitpunkt für solche Dinge“, sagt Hribar über die Mitteilung an die Belegschaft kurz vor den Betriebsferien.
Schaden in Grenzen halten
„Ich bin seit Mitte Juni hier, und die Leute wissen ja, was ich früher gemacht habe.“ Er habe Gerüchten und Spekulationen vorbeugen wollen. Während des Betriebsurlaubs werde nichts passieren. „Mir war wichtig mitzuteilen, was auf die Mitarbeiter zukommt“ und klarzumachen, dass man alles unternehmen werde, „um den Schaden in Grenzen zu halten“. An Kündigungen komme man nicht vorbei.
Über das Ausmaß der Krise sagte Hribar: Im abgelaufenen Geschäftsjahr 2021/22 seien die Stückzahlen um 25 Prozent zurückgegangen. Für das laufende Jahr 2022/23 rechne das Management mit einem weiteren Rückgang von 23 Prozent. „Das ist ein Haufen Holz.“ Die Möbelsparte der Rauch-Gruppe stecke in „tiefroten Zahlen“. Lediglich das Spanplattenwerk habe im abgelaufenen Jahr einen positiven Beitrag geleistet. Insgesamt befinde sich die Gruppe in der Verlustzone.
Die Branche habe von der Corona-Sonderkonjunktur profitiert (siehe Hintergrund oben). „Jetzt wollen die Leute lieber in Urlaub fahren und kaufen keine Möbel mehr“, berichtet Hribar. Die Entwicklung bei Rauch sei nicht nur dem Markt geschuldet. Es gebe auch „genügend hausgemachte Probleme“. Es gebe „viel zu viele Reklamationen“, was zeige, dass die Prozesse nicht richtig funktionieren.
Das sorge für Kostensteigerungen, weil sich „intern Heerscharen von Mitarbeitern nur um Qualitätsprobleme kümmern“. Das müsse mit allerhöchster Priorität abgestellt werden. Bei Erfolg werde dies dem Vertrieb wieder Rückenwind geben, um verlorene Marktanteile zurückzugewinnen.
„Man kann nicht alles nur auf die Konjunktur schieben“, urteilt Hribar. Dem früheren Management stellt er kein gutes Zeugnis aus. Der jetzt beklagte Wasserkopf in der Verwaltung sei entstanden, weil die Verantwortlichen in der Vergangenheit – auch gegen den Rat der Arbeitnehmervertretung – „total überzogen“ hätten: „Im Gefühl ’Es ist ja alles gut’ hat man von ganz anderen Dimensionen geträumt“. Das dramatische Ausmaß der Kostensteigerung veranschaulicht Hribar anhand der Energieaufwendungen: „Im abgelaufenen Gechäftsjahr haben wir sechs Millionen Euro mehr für Strom bezahlt als geplant. Im gerade angelaufenen Geschäftsjahr werden wir sieben Millionen Euro mehr ausgeben müssen“ – und das während des Sinkflugs auf der Absatzseite. Die Preise für Rohmaterialien seien binnen zweier Jahre um 60 Prozent gestiegen.
Leiharbeiter müssen gehen
Der Personalabbau sei „nicht schön, aber absolut notwendig“. In der Fertigung sollen alle festen Stellen erhalten bleiben. Allerdings werden dort Leiharbeiter und befristet Beschäftigte heimgeschickt. Hribar will das Tal mit Kurzarbeit überwinden. „Später möchten wir natürlich die Mitarbeiter haben, um die Produktion wieder hochzufahren, wenn der Markt nicht mehr so verrückt spielt“.
Bei Rauch sei bei Weitem nicht alles schlecht: Es gebe in der Belegschaft „viele gute, motivierte Leute, und ich bin felsenfest davon überzeugt, dass uns der Kraftakt gelingt, auch wenn Restrukturierung kein Selbstläufer ist.“
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