Reicholzheim. „Der ist noch ein klein wenig unharmonisch im Geschmack, aber er ist ja auch noch nicht fertig ausgebaut“, sagt Florian Ehrlenbach. Sein Bruder Philipp nickt. Beide schwenken ihr Glas noch einmal und riechen hinein. Der noch sehr junge Silvaner schimmert leicht goldig im hellen Neonlicht des Weinkellers. Die beiden Männer sind zufrieden. In wenigen Wochen kann der Silvaner abgefüllt werden. Er reiht sich dann zum Spätburgunder, Spätburgunder Rosé und Müller-Thurgau in das momentane Angebot des jungen Winzerbetriebs ein. Diese Weine werden in einigen Monaten um Chardonnay, Weißburgunder, einem Weißwein-Cuvée und einem Schwarzriesling ergänzt. 2025 soll ein Schwarzriesling-Sekt dazukommen. Die Trauben dafür sind schon im Fass.
„Wir wollen uns nicht verzetteln und keine Schnellschüsse, sondern Qualität“, sagt Florian Ehrlenbach. Außerdem haben die Brüder einen Großteil der Anbaufläche neu angelegt. Bis sich hier ein konstanter Ertrag einstellt, können schon mal ein paar Jahre ins Land gehen. Kaufen kann man die Weine direkt nach Anruf bei Weingut Ehrlenbach oder in Wertheim beim Wein-Michel und Feinkost-Paradeiser. Der Preis für eine Flasche liegt zwischen sieben und 15 Euro.
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Die Gründung
Der Winzerbetrieb wurde von den beiden Brüdern vor zwei Jahren als GbR in Reicholzheim gegründet, nachdem sie aus der Winzergenossenschaft ausschieden. „Dass wir uns selbstständig machen, war schon immer irgendwie klar“, sagt Florian. Er erinnert daran, wie er am ersten Tag seiner Ausbildung zum Winzer beim Weingut Horst Sauer in Escherndorf gesagt habe, dass er einmal einen eigenen Weinberg haben wolle.
Inzwischen ist Florian Ehrlenbach Winzermeister und arbeitet im renommierten Weingut Fürst in Bürgstadt. Sein Bruder Philipp ist Industriemechaniker in einem Wertheimer Unternehmen und genauso mit Leib und Seele Winzer wie Florian Ehrlenbach. Die Liebe zum Wein wurde den Brüdern scheinbar in die Wiege gelegt. Schon immer besaß die Familie eigene oder gepachtete Weinberge, war sommers wie winters dort anzutreffen. Mutter Gabi stammt aus einem landwirtschaftlichen Reicholzheimer Betrieb und der Vater war bis zu seinem frühen Tod Metzgermeister. Die Idee des Vaters, eine Heckenwirtschaft zu betreiben, in der eigener Wein ausgeschenkt wird, greifen Philipp und Florian Ehrlenbach nun in veränderter Form auf.
Die Stunden, welche die beiden in ihrem vier Hektar großen Weinberg am Reicholzheimer First und im eigens ausgebauten Keller verbringen, kann man inzwischen nicht mehr zählen. Wenn sie nicht Fußball spielen oder mit der Feuerwehr im Einsatz sind, verbringen die Brüder jede freie Minute in ihrem Unternehmen. Manchmal, vor allem in den Sommermonaten, packen sogar die Kumpel mit an. „Da kommt dann eine richtig coole Stimmung auf“, beschreibt der Industriemechaniker die Situation. Und auch Mutter Gabi ist eingebunden. Sie arbeitet im Weinberg mit hat ein Auge auf die Buchhaltung.
Der Start des jungen Unternehmens verlief übrigens alles andere als glatt. Denn im Mai 2020 sorgte eine Frostnacht für 80 Prozent Ertragsausfall. „Und das im ersten Jahr – das war schon schwierig“, sagt Florian Ehrlenbach und spielt damit auch auf die vorab getätigten Investitionen und die ausbleibenden Einnahmen an. Philipp Ehrlenbach redet von einer „Null-Runde“.
Auch 2021 war für die Winzer kein Bilderbuchjahr. Damit die Trauben am Rebstock gesund blieben, war enorm viel Handarbeit nötig, wie das Entfernen der Blätter und das Abschneiden der Traubenspitzen zum Lockern der Beeren.
Rat können sich die Brüder nicht nur in Bürgstadt, sondern auch beim ortsansässigen Winzer Konrad Schlör holen. „Wir sehen uns überhaupt nicht als Konkurrenten“, sagt Florian und beschreibt das freundschaftliche Verhältnis zu Weinbergnachbar Schlör. „Er ist die lodernde Flamme und wir der Zündfunke“, versucht er die Relation der beiden Betriebe sinnbildlich zu umschreiben. Schlör dient ihnen mit seinem sehr guten Ruf sogar als Vorbild. Die beiden Ehrlenbachs wollen es ihm gleichtun und mit ihren Erzeugnissen dafür sorgen, dass die Region mit eleganten, feinen Weinen noch bekannter wird. „Das Taubertal war früher ein wahnsinnig wichtiges, großes Weinanbaugebiet und befindet sich jetzt in einem Dornröschenschlaf. Wir haben hier coole Lagen und superspannende Böden. Jeder Winzer weiß, das Gebiet hat Potenzial. Aber nicht jeder Betrieb schafft es, dies auszuschöpfen“, sagt Florian Ehrlenbach.
Bio-Weinbau
Um einen „ehrlichen Wein“ zu erhalten, setzen Ehrlenbachs auf nachhaltigen Weinbau. Statt Glyphosat kommt die Hacke zum Einsatz und wird mit Backpulver oder Schwefel gespritzt. Im Sommer soll die entsprechende Zertifizierung des Weinbaubetriebs erfolgen.
Neben immensem Wissen, was sich der Winzermeister unter anderem in Südtirol und Australien aneignete, ist vor allem viel Handarbeit und Herzblut nötig, wenn „Ehrlenbach-Wein“ erfolgreich werden soll. Doch das wissen die beiden schon längst und setzen es um. Übers Knie brechen wollen sie ihren Erfolg jedoch nicht. „So etwas muss wachsen“, sagt Philipp Ehrlenbach. Auch er will irgendwann ein Praktikum in einem Weinbaubetrieb auf der Südhalbkugel machen.
Wollen der 25-jährige Philipp und der 28-jährige Florian mehr als die derzeit 6000 Flaschen pro Jahr verkaufen, werden sie die Tätigkeiten bei ihren Arbeitgebern zu Gunsten ihrer eigenen GbR reduzieren müssen. Doch noch winken die beiden bei diesem Thema ab.
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