Teillegalisierung

Polizeipräsidium relativiert Aussagen zum Cannabisgesetz

Mit dem neuen Gesetz entfallen tausende Delikte. Was die Auswirkungen der Teillegalisierung angeht, meint das Polizeipräsidium Heilbronn: „Vieles ist zum heutigen Zeitpunkt nicht eindeutig prognostizierbar."

Von 
Gerd Weimer
Lesedauer: 
Polizeipräsident Frank Spitzmüller. © Klaus T. Mende

Odenwald-Tauber. „Die Polizei wird durch das Cannabisgesetz nicht entlastet“, sagte Frank Spitzmüller, Chef des Polizeipräsidiums Heilbronn, jüngst in einem Interview mit den FN. „Ganz im Gegenteil – durch die Überwachung der Konsumverbotszonen, die feingliedrige Abgrenzung zwischen legalem und illegalem Umgang mit Cannabis und mit Blick auf die Aufrechterhaltung der Verkehrssicherheit sind deutliche Mehraufwände zu erwarten“, so Spitzmüller.

Über 1600 konsumnahe Delikte

Allerdings entfallen mit dem Cannabisgesetz sehr viele konsumnahe Delikte, um die sich die Beamten bisher kümmern mussten. Bekanntermaßen darf jeder Erwachsene jetzt bis zu 25 Gramm Cannabis besitzen und mit sich führen. Zu Hause sind der Besitz von bis zu 50 Gramm sowie drei Cannabispflanzen pro erwachsener Person erlaubt.

Der polizeiliche Kriminalstatistik 2023 für das Polizeipräsidium verzeichnete 1636 „allgemeine Verstöße gegen das Betäubungsmittelgesetz mit Cannabis“. Wie eine Sprecherin des Präsidiums bestätigt, sind das jene Fälle, die seit dem 1. April 2024 „nicht mehr strafbar“ sind. Landesweit gab es laut Innenministerium 22 601 solcher Delikte. Das Bundeskriminalamt nennt für 2022 rund 265 000 konsumnahe Delikte in Zusammenhang mit Cannabis in Deutschland, die jetzt nicht mehr verfolgt werden.

Cannabis: Bisher "recht eindeutige Regelung"

Das Polizeipräsidium Heilbronn führt auf FN-Nachfrage aus, dass der Umgang mit Cannabis bis Ende März „in weiten Teilen einem Verbot unterlag“. Damit habe eine „recht eindeutige Regelung“ bestanden, zu der es „klare Vorgaben, rechtliche Eingriffsmaßnahmen und obergerichtliche Rechtsprechung gab“. Mit der Teillegalisierung von Cannabis entfielen „nicht alle Begehungsweisen in diesem Deliktbereich“. Die Herausforderung liege jetzt unter anderem in der Unterscheidung „zwischen legalem und illegalem Handeln beim Umgang mit Cannabis“. Man müsse neue Beurteilungs- und Verfahrensprozesse klären und mit beteiligten Stellen abstimmen, „was zu einem nicht unerheblichen Aufwand führt“.

"Verbot hat generalpräventive Wirkung"

Im FN-Interview sagte Frank Spitzmüller, dass es bei der Polizei auch zu Mehraufwänden kommen würde, weil die vorgesehenen Konsumverbotszonen (Schulen, Sportstätten, etc.) überwacht werden müssten. Nach der bisherigen Gesetzeslage war der reine Konsum im öffentlichen Raum zwar nicht verboten, zog aber bei einer Kontrolle üblicherweise polizeiliche Ermittlungen nach sich, weil man von einem Besitz ausgehen musste. Jetzt ist die Kontrolle lediglich in eingegrenzten Bereichen notwendig. Auf die Frage, warum deswegen ein Zusatzaufwand entstehen sollte, antwortete das Polizeipräsidium nicht konkret.

Im FN-Interview sagte Spitzmüller in Bezug auf die Verkehrssicherheit: „Wir erwarten einen Anstieg von berauschten Verkehrsteilnehmenden, mehr schwere Verkehrsunfälle und mehr Verunglückte.“ Dabei geht der Polizeipräsident wohl davon aus, dass es künftig mehr berauschte Verkehrsteilnehmer gibt. Welche Anhaltspunkte er für diese Annahme hat, erwähnte er nicht.

Mehr zum Thema

Cannabisgesetz

Cannabis: Amnestie-Regel macht jede Menge Arbeit

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
Justiz prüfte hunderte Fälle

Cannabisgesetz: Jugendrichter lässt zwei Verurteilte frei

Veröffentlicht
Von
Gerd Weimer
Mehr erfahren
FN-Interview

Polizeipräsident: Cannabis-Gesetz ist "Tanz auf der Rasierklinge"

Veröffentlicht
Von
Klaus T. Mende
Mehr erfahren

Auf FN-Nachfrage heißt es aus dem Polizeipräsidium, dass ein Verbotstatbestand „regelmäßig auch eine generalpräventive Wirkung“ entfalte. Es bestehe „zumindest die potenzielle Gefahr, dass die Grenzen zwischen dem (legalen) Erwerb beziehungsweise Konsumieren und der Teilnahme am Straßenverkehr verschwimmen, da unter Umständen die Fortdauer der Cannabisbeeinflussung nur unzureichend eingeschätzt wird, was negative Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit nehmen kann“.

„Vieles nicht prognostizierbar“

Frank Spitzmüller führt im FN-Gespräch auch aus, dass die „begründete Gefahr besteht, dass sich die Teillegalisierung zu einem Konjunkturprogramm für die organisierte Rauschgiftkriminalität entwickeln könnte“. Die legalen Abgabemöglichkeiten über die Anbauvereinigungen würden den Bedarf nicht decken können. Frank Spitzmüller erwähnt dabei nicht, dass Privatpersonen Eigenanbau betreiben können, was zur Bedarfsdeckung beiträgt. Wird der Bedarf durch Anbauvereinigungen und Eigenanbau teilweise bedient, müssen Konsumenten folgerichtig weniger auf den Schwarzmarkt zurückgreifen.

Der illegale Rauschgiftmarkt sei auf Gewinnerzielung ausgelegt, heißt es dazu aus dem Polizeipräsidium. So „erscheint es möglich“, dass sich die Organisierte Kriminalität den Zielgruppen und der Nachfrage nach Cannabis anpasse oder sich andere Wege suche, „um das meist im Ausland hergestellte Marihuana auf den Markt zu bringen“. Hinzu komme die Möglichkeit, die Ware günstiger anzubieten als eine Anbauvereinigung, die viele Vorschriften beachten müsse. Außerdem werde nicht jeder, der Cannabis konsumieren möchte, es selbst anbauen beziehungsweise dazu in der Lage sein. „Insofern erscheint es in der Gesamtschau eher als Trugschluss, der illegale Markt oder gar die Organisierte Kriminalität würden durch das Gesetz zurückgedrängt“, so die Stellungnahme.

Fokus auf Sicherheit im Straßenverkehr

„Eine Medaille hat immer zwei Seiten und vieles ist zum heutigen Zeitpunkt nicht eindeutig prognostizierbar“, heißt es weiter. „Wir werden uns, wie in der Vergangenheit auch, an die Rechtsentwicklung anpassen und in diesem aufgabenbezogenen Zusammenhang weiterhin ein besonderes Augenmerk auf die Sicherheit im Straßenverkehr und die Kriminalitätsbekämpfung legen“, heißt es in der Stellungnahme des Polizeipräsidiums abschließend.

Redaktion Reporter Wertheim

Copyright © 2025 Fränkische Nachrichten

VG WORT Zählmarke