Polizeihochschule

Polizeihochschule Wertheim: Stadt soll Land Kauf-Angebot machen

Ausweitung der Polizeihochschule durch das Land oder Wohnungsbau durch einen Investor? Wem wird die Stadt als Eigentümer des Gebäudes ein Angebot unterbreiten? Vor wenigen Tagen kam Bewegung in die Sache, aufgrund eines Antrags.

Von 
Heike Barowski
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Ein Antrag der CDU-Fraktion führte dazu, dass sich Gemeinderäte und Verwaltung in Sachen Polizeihochschule erneut mit der Zukunft des Vier-Finger-Gebäudes auf dem Wertheimer Reinhardshof auseinandersetzen mussten. © Heike Barowski

Wertheim/Reinhardshof. Da trauten während des Festkommerses zur Messe manche Anwesenden ihren Ohren nicht. Tatsächlich verkündete der Wertheimer Oberbürgermeister einen Gemeinderatsbeschluss – allerdings mit falschem Zungenschlag. Markus Herrera Torrez sprach eindeutig davon, die restlichen Teile des sogenannten „Vier-Finger-Gebäudes“ dem Land Baden-Württemberg verkaufen zu wollen. Tatsächlich geht es im Moment erst einmal „nur“ um ein Angebot, das die Verwaltung dem Land machen soll.

Zwei Interessenten

Polizeianwärter auf dem Weg von der Mensa wieder zurück zur Polizeihochschule Wertheim. Ihr Weg führt sie am „Vier-Finger-Gebäude“ vorbei. © Heike Barowski

Diese Entscheidung fiel wenige Tage zuvor in einer nichtöffentlichen Sitzung des Gremiums. Wie aus gut unterrichten Kreisen zu hören war, stand der Punkt nicht einmal auf der Tagesordnung. Ein Antrag der CDU-Fraktion führte dazu, dass sich Gemeinderäte und Verwaltung mit der Zukunft des Vier-Finger-Gebäudes auseinandersetzen mussten. Ein Teil des Gebäudes ist bereits im Besitz des Landes. Für die „restlichen drei Finger“ gibt es zwei Interessenten: die Landesregierung, die den Hochschulstandort ausbauen will, und einen privaten Investor, der sozialen Wohnbau betreiben will. Im Antrag der CDU–Fraktion wurde nun gefordert, der Landesregierung „ein für beide Seiten tragfähiges Verkaufsangebot“ zu unterbreiten. Man sehe den Verkauf an das Land als langfristigen Beitrag zur Sicherung des Hochschulstandorts an, hieß es in der Begründung.

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Wie die Fränkischen Nachrichten in Erfahrung bringen konnten, wurde dieser Antrag fraktionsübergreifend von großer Mehrheit mitgetragen. Man habe sich damit nicht gegen den Investor, sondern für die Polizeihochschule entschieden, teilte man den FN mit. Der Antrag sei notwendig gewesen, um endlich Bewegung in die Sache zu bringen, hieß es weiter.

Rathauschef für Wohnbau

Bekannt ist, dass sich der Rathauschef während der Debatte eindeutig für den sozialen Wohnbau ausgesprochen habe. Auf die schriftlich an ihn gerichtete Frage, was aus seiner Sicht für den Wohnbau und gegen die Erweiterung der Polizeihochschule spreche, wollte Wertheims Oberbürgermeister nicht antworten.

In der Stellungnahme aus dem Wertheimer Rathaus heißt es: „Für Gemeinderat und Verwaltung hat Priorität, dass die Hochschule der Polizei sich am Standort Reinhardshof weiterentwickeln kann. Innenminister Strobl hat ja gerade dieser Tage – anlässlich des Festkommerses – erneut eine Art Bestandsgarantie für Wertheim abgegeben. Wenn die Polizeihochschule die Flächen des Drei-Finger-Gebäudes bald für funktionelle Erweiterungen und Verbesserungen nutzt, ist das im Interesse der Stadt Wertheim.“

Dass das Land großes Interesse am Kauf des restlichen Gebäudes hat, wurde mehrfach und öffentlich betont (wir berichteten). Der Grund liegt auf der Hand: Es werden in den nächsten Jahren noch viele Polizeibeamte benötigt.

Das Vier-Finger-Gebäude

Gebaut wurde dieser kleine Komplex als ehemaliges Mannschaftsdienstgebäude und stammt aus der Zeit der Reichsluftwaffe. Nach dem Zweiten Weltkrieg diente das gesamte Areal für viele Jahre als Standort der amerikanischen Streitkräfte. Seit Jahren steht das Vier-Finger-Gebäude leer.

Den Gebäudeteil mit Nummer 22 (am nächsten gelegen zur Polizeihochschule) hatte das Land Baden-Württemberg bereits 2010 für die damals ansässige Polizeiakademie erworben. Für die weiteren drei Gebäudeteile besteht ein Pachtvertrag zwischen der Stadt als Eigentümer und dem Land mit der Option des Kaufs. hei

Ende August legte die Deutsche Polizeigewerkschaft anlässlich der Verabschiedung des Ausbildungsjahrgangs ihren Standpunkt zur Einstellungsoffensive der Polizei vor und ein paar Zahlen offen. „Festzustellen ist leider, dass von den im März 2021 eingestellten 330 Anwärterinnen und Anwärtern fast ein Drittel die Ausbildung, aus welchen Gründen auch immer, nicht erfolgreich beendet oder die Polizei vorher verlassen hat.“ So werden laut Gewerkschaft die regionalen Polizeipräsidien mit nur 130 Ausbildungsabgängern verstärkt. Eine weitere Verstärkung kommt, nach Einschätzung der Deutschen Polizeigewerkschaft, vom Polizeipräsidium „Einsatz“ in Höhe von rund 100 Polizeiobermeistern oder Polizeihauptmeistern. „Knapp über 230 Polizisten sollen die Altersabgänge ausgleichen. Schon dieses Ziel wird nicht erreicht“, heißt es. Die Deutsche Polizeigewerkschaft geht von einem Personaldefizit zwischen acht und zehn Prozent aus. „Nach Berechnungen der Gewerkschaft wird sich das bis zum Februar 2024 auf weit mehr als zehn Prozent erhöhen. Und das trotz Einstellungsoffensive.“ Man befürchte außerdem, dass sich die Situation durch den bundesweiten Fachkräftemangel noch verstärken werde. Außerdem rechnet die Gewerkschaft damit, dass in diesem Jahr mehr Ausbildungsplätze bei der Polizei unbesetzt bleiben, als das jemals in der Geschichte der Polizei der Fall war.

Damit ist absehbar, dass die Einstellungsoffensive der Polizei noch eine ganze Weile andauern muss und somit der Standort der Polizeihochschule in Wertheim von immenser Bedeutung ist.

Auf Festkommers erfahren

Dies betonte auch Innenminister Thomas Strobl auf bereits erwähntem Festkommers. Er sprach erneut eine Art Bestandsgarantie für den Standort auf dem Reinhardshof aus. Den FN teilte er mit, dass er auch erst während des Festkommerses von der Entscheidung des Gemeinderats erfahren habe, dass nun das Land als Betreiber des Ausbildungsstandorts ein Angebot erhalten solle. „Das Votum ist mit Blick auf die Polizei Baden-Württemberg eine gute und zukunftsweisende Entscheidung“, lobte Strobl in einem schriftlichen Statement. „Baden-Württemberg ist eines der sichersten Länder bundesweit. Das verdanken wir der engagierten, ambitionierten, professionellen, hervorragenden und erfolgreichen Arbeit der Polizei. Damit das auch in Zukunft so bleibt, sorgen wir für die bestmöglichen Aus- und Fortbildungsbedingungen für unsere Polizistinnen und Polizisten. Die Entscheidung des Gemeinderats dient der weiteren Stärkung des Polizei-Standorts Wertheim und damit auch der weiteren Optimierung der Ausbildung unserer angehenden Polizistinnen und Polizisten“, heißt es in dem Schreiben aus dem Innenministerium.

Solche baulichen Zustände könnten am und im Vier-Finger-Gebäude nun nach Jahrzehnten des Leerstands der Vergangenheit angehören. © Heike Barowski

Und noch einmal unterstreicht Strobl: „Ich habe mich stets klar zum Polizeistandort Wertheim bekannt. Dieses Bekenntnis haben wir verlässlich umgesetzt – etwa mit der Sanierung der Ausbildungsgebäude und dem Wiederaufbau der Sporthalle. Versprochen – gehalten. Damit haben wir all diejenigen, die in der Vergangenheit immer und immer wieder versucht haben, missgünstig Zweifel zu säen, eines Besseren belehrt. Wertheim war, ist und bleibt ein wichtiger Teil der größten Einstellungsoffensive, die es je bei der Polizei Baden-Württemberg gegeben hat.“ Auch Strobl führt die Ausbildungsoffensive an: „Seit dem Jahr 2016 haben wir die größte Einstellungsoffensive in der Geschichte der Polizei gestartet: Über 11 000 junge Menschen haben bei unserer Polizei seither ihre Ausbildung begonnen. Seit dem vergangenen Jahr übersteigen die jährlichen Personalzugänge durch fertig ausgebildete Polizeivollzugsbeamtinnen und Polizeivollzugsbeamte landesweit wieder die Personalabgänge. Das bedeutet am Ende des Tages: mehr Polizei auf der Straße. Und wir haben in der Koalition klar vereinbart, die Ausbildungszahlen für die gesamte Legislaturperiode auf hohem Niveau zu halten. Wir setzen deshalb auch perspektivisch auf Wertheim als Ausbildungsstandort für die Polizei. Wir halten Wort. Wertheim ist ein herausragender Standort für die Ausbildung der Polizei Baden-Württemberg und wird es mit dem weiteren Ausbau des Areals auch langfristig bleiben.“

Zum konkreten Vorgehen konnte Frank Berkenhoff, Leiter der Heilbronner Stelle des Amts für Vermögen und Bau, noch nichts sagen. „Zuletzt hatte uns die Stadt auf Arbeitsebene mitgeteilt, dass sie zumindest Teile des Grundstücks gerne für die Erstellung von gefördertem Wohnraum behalten würde. Wir diskutierten verschiedene Optionen des Umgangs mit dem Areal. Ich gehe davon aus, dass sich die Stadt Wertheim nun mit uns in Kontakt setzt, um das weitere Vorgehen abzustimmen“, so Berkenhoff.

Ein sehr grobes Nutzungskonzept wurde dem Gemeinrat scheinbar schon vorgestellt.

Aktuell liegt der Ball damit wieder im Feld der Wertheimer Verwaltung. Denn sie muss nun dem Land ein Angebot unterbreiten – ein „tragfähiges Angebot“ wohlgemerkt. Dazu heißt es im Rathaus: „Die Stadt ist bestrebt, die Gespräche mit dem Land zügig zu einem Ergebnis zu bringen.“ Der Kaufpreis über die verbliebenen drei Finger des Gebäudes sei dann Bestandteil der Gespräche.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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