Wohnpolitik

Ortsvorsteher lehnen Pläne der Stadt Wertheim für Bauplatzvergabe strikt ab

Was tun, wenn es mehr Bewerber für Bauplätze gibt als zur Verfügung stehen? Die Stadtverwaltung schlägt ein Punktesystem vor, das die die meisten Ortsvorsteher ablehnen, weil es Ortsansässige zu wenig berücksichtige.

Von 
Gerd Weimer
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Die Grundstücke des noch zu erschließenden Mondfelder Neubaugebiets „Breitgewann“ sind sehr begehrt. © Birger Daniel Grein

Wertheim. Die Rahmenbedingungen für einen Hausbau sind wegen hoher Kosten und stark gestiegener Hypothekenzinsen nicht attraktiv. Trotzdem könnte es künftig möglich sein, dass es mehr Bewerber für Grundstücke in Neubaugebieten der Großen Kreisstadt gibt als zur Verfügung stehen. Die Stadt Wertheim möchte deshalb die Vergabe der Bauplätze neu regeln (wir berichteten), wenn die Nachfrage höher als das Angebot ist.

Das von der Stadtverwaltung vorgeschlagene Punktesystem für die Vergabe von Bauplätzen. © ACTIVE ART

Grundlage dafür soll eine Richtlinie sein, welche die Stadtverwaltung am Montag bei der Sitzung des Ausschusses für Verwaltung und Finanzen erstmals öffentlich vorlegte (siehe Hintergrund). Die Diskussion über das Papier verlief teils emotional. Der große Teil der Ortsvorsteher – neun von 15 waren bei der Sitzung anwesend – hat sich gegen den Vorschlag positioniert. Ihr Ansinnen: Ortsansässige sollen bei der Vergabe bevorzugt werden.

Hohe Nachfrage in Mondfeld

Dass man sich im Rathaus Gedanken über das Verfahren machen musste, liegt in erster Linie am erweiterten Mondfelder Neubaugebiet „Breitgewann“. Hier übersteigt die Nachfrage das Angebot. Wie Ortsvorsteher Eberhard Roth bei der Ausschusssitzung darlegte, müssen von den 23 Bauplätzen, die dort entstehen, fünf Parzellen mit Mehrfamilienhäusern bebaut werden – so sehen es die Vorschriften des Landes vor. Weitere fünf Grundstücke würden aber per Rückzuteilung an die ursprünglichen Grundstückseigentümer fallen.

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Für die verbleibenden 13 Parzellen, auf denen Einfamilienhäuser errichtet werden können, gab es laut Roth 48 Interessenten. Selbst wenn diese Zahl wegen der widrigen Umstände bröckle, bestehe ein deutlicher Nachfrageüberhang. Vor allem junge, ortsansässige Leute wollten in Mondfeld bauen, so Roth. Man benötige dringend Kriterien für die Vermarktung der Bauplätze. Allerdings dürften Mondfelder dabei nicht „hinten runterfallen“.

Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez sprach von einer „intensiven Beratung mit den Ortsvorstehern“, die „nicht sehr glücklich“ mit dem Vorschlag der Stadtverwaltung seien, wie er einräumte.

Der Forderung, ortsansässige Interessenten zu bevorzugen, könne er nicht zustimmen. Ihm sei es „völlig gleich“ aus welcher Ortschaft oder welchem Stadtteil potenzielle Käufer kommen.

Keine Eigenständigkeit

Herrera Torrez verwies darauf, dass die Ortschaften mit der Eingemeindung ihre Eigenständigkeit aufgegeben haben. „Letztendlich profitieren wir alle davon, dass es die Große Kreisstadt gibt“, so der OB. Bei allen Leistungen der Stadt würden sämtliche Bürger gleichbehandelt. Auch bei der Vergabe von Bauplätzen dürfe man „keinen Unterschied machen“.

Die Ausweisung und Vermarktung der Neubaugebiete sei eine gesamtstädtische Aufgabe. Herrera Torrez stellte die Frage in den Raum, wie man mit einer Familie umgehen solle, deren Eltern aus unterschiedlichen Ortschaften kommen. Generell werde man in Zukunft wohl auch vor der Situation stehen, dass nicht zu jeder Zeit in allen Ortschaften Bauplätze zur Verfügung stehen. Wer in Wertheim bleiben will, sei froh, wenn er die Chance habe, ein Grundstück in irgendeiner Ortschaft zu bekommen. In dieser Situation spiele der Zeitpunkt eine größere Rolle als der Ort.

Und schließlich müssten bei der Vermarktung von Bauplätzen in den Stadtteilen – analog zur Bevorzugung von Ortsansässigen entsprechende Regeln aufgestellt werden. „Ich glaube nicht, dass dies uns glücklich macht“, so der OB. Er habe zwar Verständnis für die Ortsvorsteher, denn sie seien die Vertreter ihrer Ortschaften mit dem Auftrag, „das Beste für die Ortsbewohner herauszuholen“.

Aber der Gemeinderat habe den Auftrag die Interessen aller Bürger der Großen Kreisstadt zu vertreten, genau wie er als OB, so Herrera Torrez. In der Realität kämen Ortsansässige ohnehin zum Zuge, weil meist die Nachfrage nicht übergroß sei.

„Keine Ahnung vom Dorfleben“

Patrick Schönig (SPD) pflichtete dem Rathauschef bei. Wegen des absehbar eher sinkenden Angebots an Bauplätzen für Einfamilienhäuser sei eine „Regelung überfällig“. Das Punkteverfahren sei sachlich nachvollziehbar, andere Methoden (siehe Hintergrund) hingegen „nicht tragfähig“. Der Familienfreundlichkeit der Stadt würde dadurch eine größere Gewichtung zukommen. Er verstehe die Position der Ortsvorsteher, aber: „Ich sehe keinen Weg, wie wir das hinbekommen. Die Gleichbehandlung der Bürgerinnen und Bürger in Wertheim soll im Mittelpunkt unserer kommunalpolitischen Arbeit stehen“, forderte Schönig. Gewiss werde es aber auch in seiner Fraktion noch weitere Beratungen geben.

Mondfelds Ortsvorsteher Eberhard Roth warf Patrick Schönig daraufhin vor, „keine Ahnung vom dörflichen Leben“ zu haben. „Wir können es uns nicht leisten, aus unserem Dorf auch nur einen, der bei uns aufgewachsen ist und bauen möchte, abwandern zu lassen“, sagte Roth und ergänzte: „Es kann nicht sein, dass jemand vom Wartberg, vom Reinhardshof oder sonst woher bei uns einen Bauplatz erwirbt und von uns muss einer woanders hin.“ Roth forderte einen „Ortsbonus für Personen, die in der Ortschaft aufgewachsen sind und bei uns bauen wollen“.

„Wenn Sie so über die Bürger vom Reinhardshof und dem Wartberg sprechen, finde ich das absolut despektierlich“, konterte Schönig. Der Vorwurf, er kenne das dörfliche Leben nicht, sei absurd. „Ich komme aus Vockenrot. Ich glaube, ein dörflicheres Dorf gibt es gar nicht“, sagte Schönig.

Komplexe Angelegenheit

Axel Wältz (CDU) sprach von einer „politisch und rechtlich komplexen“ Angelegenheit. Der Städtetag empfehle für Vergabeverfahren per Punktesystem eine gleichgewichtige Aufteilung von sozialen und ortsbezogenen Aspekten. Der Verwaltungsvorschlag beinhalte eher nur 30 Prozent soziale Kriterien. Wältz kündigte an, dass seine Fraktion die Angelegenheit weiter beraten werde.

Thomas Wettengel (Bürgerliste) schloss sich den Argumenten der Ortsvorsteher an: „Leute, die aus den Ortschaften kommen, müssen die Gelegenheit bekommen, dort einen Bauplatz zu bekommen.“

Walter Vogeltanz (Freie Bürger) wies darauf hin, dass es bei der Vergabe zu Verzögerungen kommen könne, wenn ein nichtberücksichtigter Interessent Widerspruch dagegen einlegt.

Entscheidung im Mai

Richard Diehm (Grüne) äußerte Verständnis für beide Seiten, denn es werde auf jeden Fall „immer jemand diskriminiert“. Zweifelsfrei werde mit dem Vergabesystem zusätzliche Bürokratie aufgebaut. Martina Wenzel (CDU) schlug schließlich vor, die „Ortsverbundenheit von Kaufinteressenten mit Punkten zu belohnen“.

OB Markus Herrera Torrez forderte schließlich die Ausschussmitglieder auf, per Akklamation zu bekunden, ob ein Ortsbonus in die Kriterien aufgenommen werden soll. Acht der elf anwesenden Stadträte hoben die Hand. Nach weiteren Beratungen in den Fraktionen und der Verwaltung soll bei der Gemeinderatssitzung im Mai eine Entscheidung fallen.

Redaktion Reporter Wertheim

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