Wertheim. Lange Zeit war der Verkauf von kommunalen Baugrundstücken in den Ortschaften der Großen Kreisstadt kein heikles Thema. Bisher lief es folgendermaßen ab: Interessenten – ob aus nah oder fern –melden sich bei der Stadt- oder Ortsverwaltung. Nimmt das Interesse konkrete Züge an, gehen die Dinge ihren Lauf. Letztendlich nicken die Ortschaftsräte den Verkauf ab, und der Notartermin kann stattfinden.
Mit der Veräußerung der Grundstücke macht die Stadt keinen Gewinn. Im festgelegten Preis sind lediglich die Kosten für den Landerwerb aufseiten der Stadt und die Aufwendungen der Erschließung – etwa für Kanal- und Straßenbau – enthalten. Ein echter Markt, in dem Angebot und Nachfrage den Preis bestimmen, existiert nicht.
Dieses Verfahren hat sich bewährt, solange die Nachfrage das Angebot nicht überstieg, und man den Bedarf decken konnte. Unterdessen hat sich die Situation aber verändert – zumindest punktuell. Den 24 Parzellen auf dem Mondfelder Baugebiet „Breitgewann“ stehen mehr Interessenten gegenüber, trotz des für Wertheim relativ hohen Preises von 211 Euro pro Quadratmeter. Auch die stark steigenden Darlehenszinsen und hohe Baukosten scheinen die potenziellen Häuslebauer nicht abzuschrecken.
Mondfeld und Bettingen
Für das frühere Areal der Schweizer Stuben in Bettingen dürften ebenfalls etliche Anfragen eintreffen. Die dortige Erschließung steht 2024 an. Weil Bauland im Würzburger Umland sehr teuer ist, schwappt die Nachfrage in den Wertheimer Osten – auch wegen der günstigen Verkehrslage nahe der Autobahn.
Die Stadtverwaltung steht nun vor der Frage, wie sie mit dem Nachfrageüberhang umgeht. Die einfachste Lösung wäre, die Marktkräfte walten zu lassen: Wer am meisten zahlt, bekommt das Grundstück. Kapitalkräftige Investoren könnten allerdings bei einem solchen Szenario einheimische Bauherren verdrängen – ein Horrorszenario für die Ortschaften. Viele junge Familien aus dem Heimatdorf würden den Kürzeren ziehen. Über Jahrzehnte gewachsene soziale Strukturen stünden auf dem Spiel.
Um dies zu vermeiden, will die Stadt Wertheim Vergabekriterien einführen, wie sie in anderen Gemeinden des Landes schon angewendet wurden, unter anderem in Bad Mergentheim und Walldürn. Helmut Wießner, Fachbereichsleiter im Rathaus und auch für Liegenschaften zuständig, hatte bereits im September 2021 erwähnt, dass man an einem Vergabesystem arbeite. „Es wird kommen“, sagte er bei einer Ausschusssitzung und ergänzte: „Das muss aber rechtssicher sein.“
Diskussion mit Ortsvorstehern
Nach Informationen der Fränkischen Nachrichten diskutierte die Stadtverwaltung am Dienstag dieser Woche zum zweiten Mal bei einer nichtöffentlichen Sitzung mit den Ortsvorstehern. Dem Vernehmen nach möchte die Stadt ein Punktesystem einführen, das folgende Kriterien berücksichtigt: Größe der Familie, Wohnzeit in Wertheim (also wie lange die Bauwilligen bereits auf Wertheimer Gemarkung wohnen), Arbeitsplatz in Wertheim und ehrenamtliches Engagement.
Gute Chancen für Familien
Eine relativ große Familie, die schon einige Zeit in Wertheim wohnt und deren erwerbstätige Mitglieder hier arbeiten sowie ehrenamtlich aktiv sind, beispielsweise in der Feuerwehr oder dem Sportverein, haben relativ gute Chancen. Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez, heißt es, möchte diese Kriterien stadtweit anwenden. Bewerber, die ihre Punkte in Urphar erworben haben, könnten diese dann auch in Bettingen oder einer anderen Ortschaft verwenden.
Bei den meisten Ortsvorstehern stößt dies aber offenbar auf Kritik. Sie wollen, dass ortsansässige Bewerber bevorzugt werden. Ein weiteres Kriterium wurde bei der Versammlung nach FN-Informationen gekippt: das Familieneinkommen (je kleiner, desto mehr Punkte).
Was die Rechtssicherheit angeht, ist so ein Punktesystem kein einfaches Unterfangen, wie diverse Gerichtsurteile zeigen. So hat das Verwaltungsgericht Sigmaringen ein Vergabesystem in Ulm verworfen. Die Stadt hatte bei der Anwendung des Systems nach Ansicht der Richter gegen die Gleichbehandlung der Interessenten verstoßen. Es gab 1700 Bewerber auf 37 Bauplätze.
Ein Ehepaar, das nicht zum Zuge kam, hatte geklagt. Die Richter monierten unter anderem „zahlreiche Ungereimtheiten bei der Vergabe von Ehrenamtspunkten“.
Transparenz sehr wichtig
Ein wichtiger Aspekt ist auch die transparente Ausgestaltung des Verfahrens. „Verhandeln Gemeinden die Frage der Bauplatzvergabe etwa in nichtöffentlicher Gemeinderatssitzung, machen sie sich schnell angreifbar, wie ein Urteil des Verwaltungsgerichts Sigmaringen zeigt (K 3574/19)“, heißt es auf der Website der Stuttgarter Rechtsanwaltskanzlei Menold Bezler. „In diesem Fall wurde die maßgebliche Sachdiskussion in nichtöffentlichen Klausurtagungen vorweggenommen“, so die Juristen.
Das Wertheimer Vergabesystem, das nur bei einem Nachfrageüberhang zum Tragen kommt, wird nach Informationen der Fränkischen Nachrichten am 13. März auf der Sitzung des Ausschusses für Verwaltung und Finanzen behandelt – öffentlich.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/wertheim_artikel,-wertheim-wie-wertheim-kuenftig-bauplaetze-verteilen-will-_arid,2052286.html
Links in diesem Artikel:
[1] https://www.fnweb.de/orte/wertheim.html
[2] https://www.fnweb.de/orte/bad-mergentheim.html
[3] https://www.fnweb.de/orte/wallduern.html