Bettingen. Eine gut gefüllte Mainwiesenhalle kann Ausdruck eines brisanten Punkts auf der Tagesordnung sein. Am Montagabend war es jedenfalls so. Viele Bettinger kamen zur Ortschaftsratssitzung, um vor allem Informationen zur Bauvoranfrage der Möbelhauskette XXX Lutz zu erfahren.
Das Gewerbegebiet „Westlich der Autobahn“ ist im Laufe der letzten Jahrzehnte deutlich gewachsen. Allerdings gibt es oberhalb der heutigen Firma Gerresheimer noch eine sechs Hektar große Freifläche, die seit mehr als 25 Jahren brach liegt. Diese sechs Hektar sind in Privatbesitz, also kein städtisches Gelände. Der Grundstücksinhaber kann damit im Rahmen des Planungsrechts machen was er will, und auch verkaufen an wen er will.
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Zwar hat die Stadt ein Vorkaufsrecht, aber bei 100 Euro hätte man mal schnell sechs Millionen Euro zahlen müssen, nur für den Kauf. Die Erschließungskosten kämen noch dazu. Eine Summe, die sich die Stadt momentan nicht leisten kann. Ein angeblich bereits stattgefundener Verkauf konnte Tschöp nicht bestätigen. „Im Grundbuch ist es nicht eingetragen“, so der Ortvorsteher.
Der Wunsch der Bettinger in Bezug auf die Art der Ansiedlung ist auch auch klar: Aufsplittung der Fläche für kleine Gewerbe. Das machte Ortsvorsteher Ralf Tschöp am Montagabend noch einmal deutlich.
Änderung des Bebauungsplans
Der für das Gebiet ausgewiesene Bebauungsplan stammt aus dem Jahr 2013 und lässt diverse Nutzungen zu. Interesse an einer Ansiedlung hatten ein Logistikunternehmen, Betreiber von Tankstellen und von Photovoltaikanlagen samt Café und Hotel gezeigt. Auch die Anfrage eines Möbeldiscounters sorgte schon für heftige Debatten und Gegenwehr aus den Bettinger Reihen. Lichtverschmutzung, Lärmbelästigung und Verkehrskollaps waren nur ein paar der stichhaltigen Argumente, die vehement vorgetragen wurden. Die genannten Vorhaben wären nach derzeit geltendem Baurecht fast alle umsetzbar. Damit diese exponierte Fläche nicht sich selbst überlassen wird, beschloss der Gemeinderat im Dezember vergangenen Jahres einen neuen Bebauungsplan (Gewerbegebiet Bettingen „Westlich der Autobahn“ – 1. Änderung) dafür aufzustellen.
Nun liegt eine weitere Bauvoranfrage vor. Dieses Mal will die Möbelhauskette XXX Lutz vom Eigentümer nicht ganz die Hälfte des Areals erwerben, um dort ein Zentrallager zu errichten. Dieses Zentrallager soll die Größe von 240 Meter auf 72 Meter haben und etwa 13 Meter hoch werden, die versiegelte Fläche beträgt laut Anfrage 19 775 Quadratmeter. „Alles bislang im Rahmen nach altem Bebauungsplan“, so Tschöp. Geschaffen werden angeblich 40 Arbeitsplätze. Die Betriebszeit wird auf 6 bis 22 Uhr beziffert, Anlieferung auf 8 bis 16.30 Uhr. Pro Tag würden 80 Lkw das Zentrallager anfahren (alle fünf Minuten einer). Dazu kämen die Fahrten der Mitarbeiter und der Lieferdienste (wie Post etc). „Ich persönlich lehne das Bauvorhaben ab“, sagte Tschöp und begründete seine Haltung mit dem drohenden Verkehrskollaps auf dem Dertinger Weg, der derzeit durch den Lieferverkehr der Warema schon sehr stark belastet ist. „Das zusätzliche Verkehrsaufkommen lässt sich meiner Meinung nach gar nicht darstellen“, so Tschöp. „Ich glaube nicht, dass das ein gutes Projekt für Bettingen ist. Wir sollten darauf achten, dass sich kleinteiliges Gewerbe ansiedelt“, so Ortschaftsrat Stefan Weiss. Ortschaftsrätin Ines Ulsamer-beck: „Es ist im Sinne der Bevölkerung, wenn wir das Bauvorhaben ablehnen, zumal der Bau größer werden soll, als der damals geplante Mömax. Wenn sich kleinteiliges Gewerbe ansiedelt, gibt es mehr als 40 Arbeitsplätze.“ Auch Benjamin Henne sprach sich eindeutig gegen das Vorhaben aus: „Die ganzen negativen Bedingungen, die mit einem Gewerbegebiet einhergehen, erleben wir ja jetzt schon mehr als lebhaft. Für eine kleinteilige Erschließung bliebe dann nur noch ein Teil der Fläche. das ist nicht nachhaltig“, so Henne. Auch wies er auf bereits erstellte Verkehrsgutachten hin, beispielsweise anlässlich der Erweiterung des Almosenbergs, die damals schon bei einer deutlich geringeren Belastung durch den Nadelöhrcharakter am Dertinger Weg bis hin zur Ampelanlage am Autohof Probleme gesehen haben.
Applaus für Beschluss
Der vom Ortschaftsrat einstimmig gefasste Beschluss, das Projekt abzulehnen, ging im Applaus der vielen Bürger unter. Die anwesenden Bettinger fanden im Anschluss teilweise sehr klare Worte. „Wir werden immer mehr belastet, irgendwann muss Schluss sein“, Edgar Nenner machte deutlich, dass man eine Bürgerinitiative gründen werde, falls das Projekt weiter verfolgt werde. Auch ein juristisches Vorgehen könne sich Nenner vorstellen. Die Haltung der Bettinger Bevölkerung kam eindeutig zum Ausdruck. Am Ende gab es von Ortsvorsteher Ralf Tschöp ein Appell an den derzeitigen Besitzer: „Ich appelliere an sein Herz, dass er ein Einsehen hat, dass dieses kleine Bettingen solche großen und verkehrsintensiven Projekte in diesen Dimensionen nicht verkraftet.“
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