Odenwald-Tauber. Mal schnell den Pony nachschneiden lassen oder gleich eine neue Haarfarbe: Was früher vielleicht sogar spontan umsetzbar war, ist derzeit nicht für jeden möglich. Aufgrund der hohen Inzidenzzahlen sind die Corona-Auflagen für körpernahe Dienstleistungen gestiegen. In der Alarmstufe 2 in Baden-Württemberg heißt das: Im Friseurhandwerk gilt neben der Maskenpflicht eine verschärfte 3G Plus-Regel. Wer geimpft oder genesen ist, kann sich problemlos Haare schneiden lassen. Ungeimpfte dagegen benötigen einen PCR-Test, wenn sie ihren Termin wahrnehmen wollen.
Im Salon von Michaela Hammer in Grünsfeld wird strikt auf die Einhaltung der Regelung geachtet. Die Obermeisterin der Friseurinnung im Main-Tauber-Kreis ist zwiegespalten. Wie ihr Vater, Ehrenobermeister Peter Hammer, befürwortet sie die Maßnahmen zur Eindämmung der Corona-Pandemie. Doch sie weiß auch, dass einiges derzeit auf dem Rücken ihres Berufsstands ausgetragen wird. „Die Leute sind dann sauer auf uns, aber wir haben die Regeln nicht gemacht.“ Bisher kennt sie auch keinen Fall einer Ansteckung durch einen Friseurbesuch.
Die meisten Kunden seien geimpft, berichtet sie. Und die Ungeimpften blieben weg. Sie hatte schon einige Absagen von Terminen. Auch wenn es vielleicht pro Woche weniger als ein Dutzend seien, die wegen der Tests nicht kämen, summiere sich das im Laufe der Zeit doch sehr auf. „Und für einen Haarschnitt von 20 Euro dann einen PCR-Test für 100 Euro zu benötigen – das macht kaum einer.“
Viel Aufwand
Viel Aufwand haben die Friseure nach wie vor: Die Kontrolle von Impfnachweis oder Genesenstatus gehört mittlerweile zu jedem Termin dazu. Denn auch das Handwerk werde sehr häufig einer Kontrolle unterzogen. Dann müsse alles passen. Deshalb ist Michaela Hammer überzeugt, dass sich die Kollegen an die Vorgaben halten.
Sie hätte mit einer 2G-Regelung und den Schnelltests besser leben können, sagt die Obermeisterin. Denn der Einbruch in der Kasse sei bei allen deutlich. „Es tut weh, dass solche Entscheidungen immer wieder auf unserem Rücken ausgetragen werden.“ Und solche Beschlüssen kämen immer sehr kurzfristig, moniert sie.
Hammer hat aber noch einen anderen Kritikpunkt: Viele Friseure müssten die staatlichen Unterstützungsleistungen zurückzahlen. Der Grund: In der Phase nach dem ersten Lockdown wurde teilweise bis zu zwölf Stunden gearbeitet, um den Kundenwünschen gerecht zu werden. Das werde jetzt zum Verhängnis, weil diese Zeit als Grundlage der Berechnung herangezogen werde. „Einige Kollegen haben bereits weinend angerufen, weil sie nicht wissen, wie sie das stemmen sollen.“ Bei Einbußen von 40 bis 50 Prozent könne man nicht einfach mehrere Tausche Euro rückerstatten. So manchem Betrieb könnte der Bescheid die Existenz kosten. „Moderne Insolvenzverschleppung“ nennt Michaela Hammer das. „Personal und Inhaber sind ausgebrannt. Die ganze Situation macht mürbe.“ Dass sich die lokalen Politiker nicht auf ihre Anfragen melden, sorgt zudem für Verdruss. „Es ist schade, dass man den Mittelstand einfach ausbluten lässt.“
Der Tauberbischofsheimer Friseurmeister Jürgen Imhof sagte auf Anfrage der FN: „Viele Menschen sind verunsichert und bleiben dem Haareschneiden fern. Täglich bekommen wir Anrufe und werden gefragt, wie sich die aktuellen Corona-Regeln für einen Friseurbesuch darstellen. Viele Termine werden abgesagt, ob geimpft oder ungeimpft. Die aktuelle PCR-Test-Hürde für Ungeimpfte beeinträchtigt bereits die Arbeit. Das ist auch verständlich, wenn der PCR-Test teurer als der Haarschnitt ist.“
Vor der Existenznot
Vor knapp 36 Jahren hat er sich selbständig gemacht. Nach zwei Lockdowns und in der vierten Corona-Welle meint er: „Seit März 2020 arbeiten wir unter erschwerten Bedingungen. Durch die Lockdowns haben wir viele Kunden verloren, die im „Do it your self-Modus“ ihre Haare selbst geschnitten haben oder in der Schattenwirtschaft beziehungsweise Schwarzarbeit hängen geblieben sind. Man konnte während der Lockdowns immer wieder frische Haarschnitte feststellen. Noch nie wurden so viele Haarschneidemaschinen verkauft wie in der Pandemiezeit. Bald kommt die 2G-Regelung. Eine weitere Erschwernis zu 2G Plus würde meines Erachtens viele Friseurbetriebe in Existenznot bringen.
Die Kundschaft, so Imhof, werde nicht warten, bis die Pandemie vorüber ist. 2G Plus werde die Abwanderung der Kunden durch „Do it yourself“ oder Schwarzarbeit wieder beschleunigen. „Dieser Kunden-Verlust zwischen 20 bis 30 Prozent und die dadurch bedingt fehlenden Umsätze in den Betrieben hat die Rücklagen größtenteils aufgebraucht, so dass auch die nächsten Monate für uns und viele Betriebe nicht einfach werden. Hinzu kommt, dass wir für Corona-Schutzmaßnahmen und Hygienebedarf zusätzliche Kosten haben.“ Jürgen Imhof: „Ich werde mit meinem Team auch diese Zeit meistern, da ich in eigenen Räumlichkeiten bin und auch aufgrund meines Alters mit etwas mehr Gelassenheit diese nicht leichte Zeit bewältigen werde. Für viele andere Betriebe ist die wirtschaftliche Situation jedoch noch schwieriger.
Thomas Wettengel, Friseurmeister in Wertheim berichtet, dass die Kunden, die jetzt einen PCR-Test vorweisen müssen, allesamt die vereinbarten Termine abgesagt haben. Eine Dame habe erfahren, dass der Test 120 Euro kosten würde. „Das war ihr zu teuer. Sie erzählte mir, dass sie sich nicht impfen lassen wolle. „Pech gehabt!“, sagte ich ihr: „Dann kommst du bei mir und auch bei keinem anderen Friseurgeschäft rein“, so Wettengel.
„Hoch lebe die Schwarzarbeit“
Schließlich habe er für sie die Haarfarbe vorbereitet. „Die wurde dann abgeholt, und ein Bekannter hat die Farbe wohl aufgetragen, damit sie nicht ganz so wild ausschaut“, so Wettengel.
„Es gab auch ein paar Männer, die nicht geimpft sind, oder sich nicht impfen lassen wollen. Die haben alle die Termine abgesagt“, berichtet Wettengel. Eine ähnliche Situation habe es beim Lockdown gegeben. Das Ergebnis: „Hoch lebe die Schwarzarbeit. Man hat Leute gesehen, deren Haare frisch geschnitten waren. Aber alle Friseure hatten eigentlich geschlossen. Ich gehe davon aus, dass solche Kunden in die Schattenwirtschaft abwandern.“
Bei seiner Kundschaft gebe es aber nicht viele, die jetzt einen Test vorweisen müssten. „Die kann ich an einer Hand abzählen,“ berichtet Wettengel. Er frisiere ohnehin nur noch die Stammkunden: „Ich kenne meine Kunden. Die kommen seit Jahren zu mir und sind fast alle geimpft.“
Hält Wettengel die Regelung für sinnvoll? „3G ist ja quasi ein Druckmittel, um Ungeimpfte dazu zu bewegen, sich doch impfen zu lassen. Sie suchen sich aber andere Wege und lassen sich nicht überzeugen“, schätzt er die Situation ein. „Die Leute müssen sich impfen lassen“, fordert Wettengel. „Manche machen Urlaub in bestimmten Gebieten und lassen sich bereitwillig gegen Tropenkrankheiten impfen. „Da wissen sie auch nicht, was genau im Impfstoff ist“, meint Wettengel.
2Gplus wäre für Boris Gassert aus Mosbach, Landesfachbeiratsleiter und Art-Director des Fachverbandes Friseur und Kosmetik Baden-Württemberg, unannehmbar. „Die 2Gplus-Regelung wäre für uns ruinös“. Denn er habe gar keine Chance, alle Kunden zu testen – einfach weil die Testkapazitäten fehlen. Er habe alle Großhändler abgeklappert, doch die Tests seien nicht lieferbar bis Mitte Dezember. „2Gplus würde für uns praktisch einen Lockdown“ bedeuten.
„Unsere Mitarbeiter sind viel gewohnt nach anderthalb Jahren Pandemie“, sagt Boris Gassert, auf die Frage, wie es den Kollegen in Pandemiezeiten geht. Deshalb nehmen er und sein Team die nötigen Kontrollen mit Gelassenheit. „Ich komme mir manchmal vor wie ein Türsteher in der Disco“, schmunzelt er. Die meisten haben aber Verständnis, berichtet Gassert.
Allerdings: Die Kunden am Eingang immer wieder aufs Neue aufklären zu müssen und den Impfpass zu kontrollieren, koste einfach viel Zeit, die dann bei der Arbeit an der Frisur fehle. Weniger Verständnis haben die Kunden, wenn sie erfahren, dass ihr gelber Impfpass nun nicht mehr gilt.
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