1250-Jahre-Jubiläum

Mit Augenzwinkern durch Urphars Geschichte

Die Historiker Peter Rückert und Frank Kleinehagenbrock zeichneten unterhaltsam die Entwicklung des Dorfes nach.

Von 
Kerstin Mattern
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Der Historiker Peter Rückert bei seinem Vortrag über die frühe Geschichte Urphars. © Kerstin Mattern

Urphar. Wenn ein „alter und ein neuer Orfler“ das Best-of der Geschichte von Urphar erzählen, ist das nicht nüchtern und trocken, sondern lebendig, persönlich und mit Stolz. Genau so war es beim Abend zur Urpharer Geschichte, den der Verein Dorfgemeinschaft Urphar im Rahmen des Festprogramms zum 1250-Jahre-Jubiläum am Freitagabend ins Feuerwehrhaus veranstaltet. Es war ein Abend, der Geschichte spürbar machte – in Bildern, Anekdoten und beeindruckenden Fakten.

„Ihr sollt willkommen sein“, begrüßte die Gesangsabteilung des SSV Mainperle Urphar/Lindelbach die Gäste aus nah und fern, die beinahe die Kapazitätsgrenzen des Saals sprengten. Sie verliehen dem Abend von Beginn an eine warme, festliche Atmosphäre. Im Zentrum des Abends standen jedoch zwei Persönlichkeiten, die Urphar auf unterschiedliche Weise verbunden sind, aber die Leidenschaft für Geschichte teilen: Peter Rückert und Frank Kleinehagenbrock.

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Peter Rückert, der in Urphar geborene und aufgewachsene promovierte Historiker, leitet heute das Hauptstaatsarchiv in Stuttgart. Doch seine Heimat hat er nie vergessen: „Ich als echter Orfler – da braucht‘s keine Vorstellung“, scherzte er gleich zu Beginn. Mit einer Prise Humor, kleinen Anekdoten, aber auch großem Fachwissen führte er durch die frühe Geschichte des kleinen Ortes.

Peter Rückert: Urphar ist viel älter

Sein Rückblick begann nicht bei der oft genannten ersten urkundlichen Erwähnung Urphars im Jahr 775 – sondern viel früher. „Ich habe ein persönliches Problem mit dem Jubiläum“, so Rückert, der sagte: „Wir sind nämlich viel, viel älter.“ Mit archäologischen Funden wie einer Schale mit Grafitmalerei, die er selbst bei Ausgrabungen im Jahr 1990 im Gewann Kennwer fand, oder einem goldenen Ring aus einem Keltengrab nahe der Kirche, zeigte er, wie tief die Wurzeln des Dorfes reichen. Im Himmelreich fand man außerdem nicht die sagenumwobene Wettenburg (für viele gedanklich eine Höhenburg), sondern einen befestigten Siedlungsplatz, der ebenfalls die frühe Besiedlung belegt.

Die Historiker Peter Rückert (links) und Frank Kleinehagenbrock haben ein Buch über die Geschichte Urphars verfasst. © Kerstin Mattern

Mit einem Augenzwinkern führte Rückert durch die mittelalterlichen Legenden. Besonders die berühmte „Urkunde von 775“, die angeblich Urphar erwähnt, bekam ihr Fett weg: „Da steht gar kein Ort drin“, klärte Rückert auf. Erst der Mönch Eberhard, ein mittelalterlicher Schreibkünstler mit Hang zur Fälschung, trug viel später Namen ein. Und doch lässt sich die Geschichte Urphars belegen – zum Beispiel durch Reihengräber aus der Merowinger Zeit. Mit dem Bild eines Schädels stellte er den ältesten bekannten Urpharer vor. Aber auch durch Verflechtungen mit den Klöstern Holzkirchen und Bronnbach sowie der Grafschaft Wertheim und an der Wehrkirche selbst, lässt sich die Geschichte des Dorfes nachzeichnen.

Frank Kleinehagenbrock, ebenfalls promovierter Historiker, der seit über 20 Jahren in Urphar lebt und sich beruflich wie persönlich mit der Geschichte der Region beschäftigt, spannte mit großer Kenntnis, aber ebenso mit spürbarer Liebe zum Ort den Bogen weiter in die Neuzeit. Urphar, das früh evangelisch wurde, war kein stilles Dorf – es war ein Ort des Aufbruchs und der Standhaftigkeit, so Kleinehagenbrock. Zu Beginn der Reformation wollte sich das Dorf nicht dem Willen des Grafens beugen, ihm bei der Verteidigung seines Einflussbereichs zu unterstützen, doch nachdem es immer öfter zu Überfällen durch Würzburger Truppen kam, gehörten schnell sonntägliche Schießübungen zum Dorfleben.

Kleinehagenbrock: Ort war wichtiger Handelsplatz

Die Reformation, so Kleinehagenbrock, kam nicht über Nacht, sondern zeigte sich in Kirchenumbauten wie den Emporen und der Kanzel – alles Zeichen einer Gemeinde, die sich wandelte, aber nie ihre Identität verlor. Am Ende des Dreißigjährigen Krieges war das Dorf dann vollständig evangelisch.

„Urphar war nicht abgelegen“, betonte er die Bedeutung des kleinen Dorfes als Warenumschlagsplatz zwischen Wasser und Land. So profitierte der Ort beispielsweise von den Taubertäler Weinhändlern, die Wohlstand brachten. Doch irgendwann verblasste der wirtschaftliche Glanz. Im landwirtschaftlich geprägten Dorf wurde es für junge Menschen immer schwieriger, für den Lebensunterhalt zu sorgen, was dem Nationalsozialismus in die Karten spielte. Die Renovierung der Wehrkirche nach dem Zweiten Weltkrieg kann dann als Symbol für den Umbruch gesehen werden, erklärte Kleinehagenbrock. Urphar erkannte, dass man sich touristisch vermarkten kann – „ein modernes Dorf in einer modernen Landschaft“.

Die Gesangsabteilung des SSV Mainperle Urphar/Lindelbach die Gäste. © Kerstin Mattern

Nachdem die Infrastruktur wie Post, Tankstelle und Handwerker schloss, gab die Eingemeindung 1972 neue Impulse. Der Übergang zur Stadt Wertheim wurde in Urphar mit Offenheit und Zuversicht gesehen: „Dann machen wir das!“ Die Verantwortlichen verstanden, dass man Wandel annehmen muss, um sich weiterzuentwickeln. „Wenn man verstehen will, wohin ein Ort geht, muss man wissen, woher er kommt“, zog Kleinehagenbrock zum Schluss als Fazit.

Historiker haben Buch über Urphar verfasst

Wer tiefer in die Geschichte eintauchen möchte, kann dies im Buch „1250 Jahre Urphar – Geschichte eines mainfränkischen Dorfes“ nachlesen, in dem beide Historiker ihre Erkenntnisse niedergeschrieben haben und das demnächst in der Schriftenreihe des Historischen Vereins Wertheims erscheinen wird. Die letzten 50 Jahre der Dorfgeschichte könne man in der Festschrift, die von Urpharerinnen und Urpharern zusammengestellt wurde, nachlesen, erklärte Wolfram Spott, der Vorsitzende des Dorfgemeinschaft-Vereins abschließend.

Der Urpharer Abend war mehr als eine Vortragsveranstaltung. Er war auch ein Wiedersehen von „Orflern“ mit ehemaligen „Orfler“ sowie Gästen, die alle mit neuen Erkenntnissen über das kleine Dorf am Main und vielleicht auch ein bisschen stolz über dessen Bedeutung in der Geschichte nach Hause gingen.

Freie Autorin

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