Urphar. Wenn demnächst jemand die Orgelregister mit einem Mehrgenerationenhaus vergleicht, war er vermutlich am Sonntagvormittag bei der Orgelführung in der Wehrkirche Urphar – einem Programmpunkt der Kirchengemeinde im Rahmen des 1250-jährigen Dorfjubiläums – dabei. Dr. Frank Wolz berichtete mit Leidenschaft und zahlreichen Anekdoten über die Entstehung des 245 Jahre alten Instruments sowie über ihre Umbauten, bevor er die verschiedenen Register und ihre klanglichen Besonderheiten demonstrierte.
Die Urpharer Orgel ist im Kirchenspiel Bettingen, Lindelbach und Urphar das älteste Instrument. Sie wurde 1780 von Johan Conrad Wehr gebaut, der beim Bau bereits 72 Jahre alt war. Wehr, gebürtig aus Heidingsfeld, erlernte das Orgelbauerhandwerk bei Bartholomäus Brünner in Würzburg und führte später eine eigene Werkstatt in Marktheidenfeld. Von ihm stammen viele typisch fränkische Orgeln zwischen Gemünden, Wertheim, Miltenberg und Aschaffenburg – doch viele davon sind heute nicht mehr erhalten, wie Wolz betonte.
Wegen seines hohen Alters arbeitete Conrad Wehr nicht allein an der Orgel. Man habe einen Zettel gefunden, auf dem vermerkt ist, dass Johann Joseph Bendel auch mitgearbeitet habe, der bereits 1775 die Orgelwerkstatt übernommen hatte, so Wolz. Ein weiterer Zettelfund belegt, dass der Büttnermeister Johann Georg Flegler eine großzügige Spende für das Instrument geleistet hat. „Vermutlich nicht ganz uneigennützig“, erklärte der Experte augenzwinkernd – denn Flegler heiratete 1780 im Alter von 35 Jahren und wollte wohl Orgelklänge zu seiner Hochzeit hören.
Die Qualität der Arbeit stieß jedoch nicht bei allen auf Begeisterung: Kantor Johann Wendelin Glaser bemängelte beispielsweise bei der Abnahme: nachlässige Verarbeitung, billiges Holz, undichte Blasebälge und schwergängige Mechanik. Dennoch scheint die Orgel widerstandsfähig gewesen zu sein: Ganze 100 Jahre blieb sie ohne Reparatur.
Später steht dann in einer Beurteilung der Orgel: „Solange die Kirche noch steht, bleibt nichts anderes übrig, als sich mit der Klapprigkeit der Orgel abzufinden“, zitierte der Organist eine weitere Beurteilung vor und ein Schmunzeln ging durch das Kirchenschiff. Schließlich ist diese Aussage gut 100 Jahre her und die Kirche steht immer noch.
Im Ersten Weltkrieg wurden einige metallene Pfeifen für Rüstungszwecke – nicht gerade zimperlich – aus der Orgel ausgebaut. Später hat man diese durch neue ersetzt. 1947 überlegten die Verantwortlichen, eine neue Orgel anzuschaffen. Doch die hohen Kosten führten dazu, dass die Firma Steinmeyer einen kleineren Neubau installierte. 1952 wurden vom Holzwurm befallene Pfeifen und ganze Register erneuert. In diesem Zuge hat man den handbetriebenen Froschmaulbalg durch einen Magazinbalg mit Elektromotor ersetzt. Im selben Jahr wurde das Instrument auf dem Stuttgarter Kirchentag ausgestellt – als „Schatzkästlein“ gefeiert – und rechtzeitig zu Weihnachten wieder in Urphar eingebaut.
Seit 1961 steht die Orgel in der Urpharer Kirche unter Denkmalschutz. Nur kleinere Restaurierungen wurden seither vorgenommen, etwa 1983/84 durch Professor Reichling und dessen Sohn, die alle Pfeifen ausbauten, sortierten und fehlende Teile ersetzten. Von den ursprünglich neun Registern sind dreieinhalb noch Originale von 1780.
Wie diese Register klingen, demonstrierte Dr. Wolz anschaulich. Er verglich die Orgel mit einem Mehrgenerationenhaus: Unten in der Einliegerwohnung lebt der Opa, der eine tiefe Stimme hat, bei ihm der Onkel, der schon ein wenig höher ertönt. Dann kommt der Vater – der Principal – und es geht weiter mit der Mutter über die quirligen Kinder bis zur schrägen Tante.
Zum Abschluss spielte der Organist Variationen über den Choral „Jesu, meine Freude“ von Johann Gottfried Walther. Vor der letzten Variation kündigte er an: „Und jetzt spielen alle zusammen.“ Daraufhin erklang die Orgel in ihrer ganzen Klangpracht.
Die zahlreichen Interessierten konnten nach dem Vortrag auch einen seltenen Blick auf das Innenleben des Instruments werfen. „Ich glaube, jetzt nehme ich die Orgelklänge ganz anders wahr“, meinte abschließend eine Besucherin.
Wer die Orgel hören möchte, ist während des Festwochenendes am Sonntag, 6. Juli, in der Kirche willkommen. Unter dem Motto „innehalten - zuhören – genießen“ erklingt die Orgel mehrmals. Informationen zum Festwochenende gibt es unter www.urphar.de im Internet.
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