Die bewährte Konzertreihe „Orgelmusik zur Marktzeit“ in der Wertheimer Stiftskirche wurde am Samstag fortgesetzt. Dabei ließ Carsten Klomp an der großen Rensch-Orgel Werke von Johann Sebastian Bach, Jean Françaix und Naji Hakim erklingen.
Wertheim. Dekanin Wibke Klomp freute sich bei der Eröffnung über eine hohe zweistellige Zahl an Zuhörerinnen und Zuhörern und auf ein neues „Orgel-Jahr“. Es gebe nun jeden Samstag Werke von Bach und anderen Komponisten in der Stiftskirche zu hören, kündigte sie an.
Carsten Klomp dankte den Sponsoren, mit deren Unterstützung im „Wohnzimmer der Stadt“ Orgelmusik erklingen könne. Das wiederum trage zur Belebung der Innenstadt bei. Zudem bringe das Projekt Menschen zusammen.
Vom 16. bis 21. Jahrhundert
Die „Orgelmusik zur Marktzeit“ ist eine gut eingeführte Reihe, die bisher in Wertheim im monatlichen Turnus stattfand und heuer von Ostern bis Oktober jeden Samstag geplant ist. Die gemeinsame Leitung obliegt Carsten Klomp und dem neuen Bezirkskantor Carsten Wiedemann-Hohl. Gespielt wird Orgelmusik in ihrer ganzen Vielfalt vom 16. bis zum 21. Jahrhundert.
Quasi als Eröffnungsfanfare der diesjährigen „Orgelmusik zur Marktzeit“ ließ Carsten Klomp Bachs berühmte „Toccata con Fuga in d“ erschallen. Das frühe Meisterwerk Bachs entlud sich in seinem ganzen Feuer und der Kraft der Jugend.
Brillante Technik
Klomp vermittelte durch brillante Technik, starken Ausdruck und hohe Vielseitigkeit den rhythmischen „Drive“ des Werks mit fantasieartiger Grundhaltung. Er verband motivische und harmonische Bezüge glänzend.
Johann Sebastian Bach vereinte in den Choralvorspielen über die Choräle „Christ lag in Todesbanden“ sowie „Erschienen ist der herrliche Tag“ mit seiner Sprache der Musik zum einen ein bewegtes, gar erschrockenes Innehalten und zum anderen die Tiefgang kennende Freude, welche die Trauer und die Dunkelheit des Karfreitags nicht vergessen hat.
Der fingerfertig gewandte Organist entfesselte den Gedanken, das Leben behalte den Sieg, und ließ diesen in einem besonderen Klangerlebnis den großen Raum durchdringen.
Wie Carsten Klomp erläuterte, habe Jean Françaix seine „Suite Carmelite“ wohl augenzwinkernd geschrieben: Beim Besuch eines Klosters trifft der Komponist auf manche ungewöhnliche Figuren, er zeichnet musikalische Porträts der Nonnen, mal quirlig aufgeregt, mal melancholisch.
Virtueller Klosterbesuch
Der Mann an der Orgel nahm seine andächtig lauschende Zuhörerschaft mitreißend und faszinierend mit auf den virtuellen Besuch des Klosters.
Man begegnete nacheinander der freundlichen Dame an der Pforte, der vergeistigten alten Äbtissin, der Nonne, die ihr schweres Kreuz trägt, ohne zu leiden. Der Gang ging weiter zur Ordensschwester im Küchentrakt, die ohne Ende quasselt, zur Nonne im Weinkeller, der man den Genuss einiger Gläser des bekömmlichen Rebensaftes anmerkt, und abschließend zu einer überwältigend großen Dame, die einen wieder hinaus aus dem Kloster geleitet.
Ausdruckskraft
Der abschließende Teil des Orgelkonzerts war den „Esquisses Grégoriennes“ von Naji Hakim gewidmet. Der Komponist hatte sich gregorianischer Melodien angenommen.
Carsten Klomp spielte das eröffnende „Nos autem“ und das abschließende „O filii et filiae“, Ersteres zart und schwebend, das Zweite ausgesprochen virtuos. Der Organist überzeugte auch hier mit brillanter Technik in den schnellen Passagen, mit Ausdruckskraft in den ruhigen Bereichen sowie mit feinen Übergängen.
Verdienter Applaus
Während des Konzerts hörten Passanten die Orgelklänge draußen vor der Stiftskirche und kamen als Zuhörer hinzu. Nach dem Konzert gab es reichlich und verdienten Applaus. Quasi als Zugabe erklang ein kleines musikalisches Gebet um Frieden, ein „Vater unser“, sehr zart und sehr passend zu der aktuellen Zeit.
Der Eintritt zur ersten „Orgelmusik zur Marktzeit“ war, wie es auch bei den weiteren sein wird, frei. Wer wollte, der spendete am Ausgang, diesmal wurde gesammelt für den Verein „Willkommen in Wertheim“, der wiederum mit dem Geld neue Mitbürger aus der Ukraine unterstützt.
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