Wertheim. Mit einer besonderen Kunstaktion und vielen Informationen beteiligten sich der Frauenverein Wertheim zusammen mit vielen Partnern am Freitag am internationalen Tag zur Beseitigung von Gewalt an Frauen. Ziel der Aktion war es, auf die Problematik aufmerksam zu machen und Hilfsangebote vorzustellen. Veranstalter der Aktion vor dem Kulturhaus waren neben dem Frauenverein, die Gleichstellungsbeauftragte in Wertheim, der Verein „Frauen helfen Frauen“ Main-Tauber und der Förderverein im Main-Tauber-Kreis für das Frauen- und Kinderschutzhaus.
115 Fälle im Kreis
Die Kunstinstallation besteht aus 115 Paar in „Verkehrsrot“ lackierten Frauenschuhen. Sie stehen für die 115 Frauen, denen in 2021 im Main-Tauber-Kreis Gewalt angetan wurde. Der Blick auf die Wand der Schuhe wirkte zu gleich beeindruckend und bedrückend. Die Installation bezieht sich auf die Kunstaktion der mexikanischen Künstlerin Elina Chauvet, so der Frauenverein.
Die Schuhe hatte man gemeinsam gesammelt. Lackiert wurden sie von Daniela Schleich in Altfeld. Hinzu kamen Schuhe, die das Wertheimer Geschäft Zeitzeichen gespendet hatte. Diese wurden nicht lackiert. „Sie stehen für die Dunkelziffer“, so die Vorsitzende des Frauenvereins, Heide Fahrenkrog-Keller. Die unlackierten Schuhe werde man für einen guten Zweck verwenden.
Das Kunstwerk selbst werde bei weiteren Anlässen zum Einsatz kommen. Zusätzlich zu den Schuhen rund ums Kulturhaus erinnern rot lackierte Schuhe auf der Tauberbrücke an die wichtige Aktion.
Neben der Kunstaktion erläuterten die Projektbeteiligten ihre Hilfsangebote. Katja Schmitz von der Stadtbücherei Wertheim hatte Bücher und Filme zum Thema zusammengestellt.
Heide Fahrenkrog-Keller formulierte eine ganze Reihe Wünsche: keine Gewalt mehr an Frauen, gleicher Verdienst für Männer und Frauen um Abhängigkeiten zu beenden, dass Männer Frauen als gleichberechtigt ansehen, dass Nachbarn, Freunde und Institutionen betroffenen Frauen Hilfe anbieten und dass die Politik dafür sorgt, dass es genügend Plätze in Frauenhäuser gibt. Zudem wünschte sie sich ausreichend bezahlbaren Wohnraum für Frauen und Kinder, die aus dem Frauenhaus kommen, dass sich aggressive Männer behandeln lassen und dass Täter das Problem sind, nicht die Opfer.
24 aktenkundige Fälle in Wertheim
Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez lobte den generellen Einsatz des Frauenvereins und dessen Engagement am Aktionstag. 2021 hätten im Main-Tauber-Kreis 115 Frauen Gewalt erfahren. In Wertheim seien 24 Fälle bekannt. Er wolle nicht relativieren, dass es auch häusliche Gewalt gegen Männer gebe, jedoch seien in 80 Prozent der bekannten Fälle die Frauen das Opfer und die Männer Täter. Für Städte und Kreise sei es ungleich schwerer, gegen das Problem vorzugehen, da es sich in privaten Haushalten abspiele. Man könne nur die Rahmenbedingungen für Hilfen schaffen. Wichtig war Herrera-Torrez, dass man einer Diskussion über die Schuld keinen Raum geben dürfe. „Derjenige, der Gewalt ausübt, trägt die Schuld und ist zur Rechenschaft zu ziehen.“ Das Thema müsse in die Öffentlichkeit getragen werden, auch wegen der hohen Dunkelziffer. Man müsse den Opfern deutlich machen, sie sind nicht allein, es gibt für sie Hilfen und sie müssen sich nicht für das Geschehene schämen.
Thema Straßenbeleuchtung
Auf Anregung von Fahrenkrog-Keller sagte er zu, die Situation der Straßenbeleuchtung nochmal prüfen zu lassen. Die Vorsitzende hatte betont, dass das Stromsparen in diesem Bereich nicht zu Lasten des Sicherheitsgefühl gehen dürfe.
Heidrun Mansch, Vorstandsmitglied beim Förderverein „Frauen helfen Frauen“ im Main-Tauber-Kreis, wies darauf hin, dass der Verein 1993 von politisch engagierten Frauen als Unterstützung des Frauen- und Kinderschutzhauses gegründet wurde. 1996 richtete der Förderverein in Tauberbischofsheim eine Beratungsstelle für betroffene Frauen ein. Dank vieler Initiativen des Vereins, Zuschüsse vom Landkreis, Bußgelder aus Gerichtsverfahren und Spenden überlebe die Beratungsstelle und man könne das Schutzhaus unterstützen. 2013 zog die Beratungsstelle nach Lauda um.
Sandra Klingert ist seit 2010 hauptamtliche Leiterin der Beratungsstelle. Sie erklärte, dass die Förderung einen großen Teil der Kosten der Beratungsstelle decke. Sie selbst sei 18 Stunden pro Woche in der Beratungsstelle beschäftigt. Die Stelle sei für den gesamten Landkreis zuständig. Dank sprach sie den ehrenamtlich engagierten Frauen aus, die die Beratungsstelle unterstützen. Man habe vieles im Kleinen intern geschaffen, was gut funktioniere. An die Bundespolitik richtete sie den Auftrag, die Rahmenbedingungen für die Hilfen zu verbessern. Laut eines Übereinkommens des Europarats zur Verhütung und Bekämpfung von Gewalt gegen Frauen soll es pro 10 000 Einwohner eine Frauenhausplatz geben. Im Frauenhaus für den Main-Tauber- und den Neckar-Odenwald-Kreis gebe es für beide Kreise zusammen aktuell nur drei Plätze überhaupt. Laut Konvention müssten es 27 sein. Auch weitere Lücken im Hilfesystem gelte es zu schließen, verdeutlichte sie. bdg
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