Gerichtsverhandlung

In Wertheim: Beleidigung wird für 60-Jährigen teuer

Von 
Alfons Göpfert
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Wertheim. Erst kam es fast zum Streit mit dem Notaufnahme-Arzt der Wertheimer Rot-Kreuz-Klinik auf dem Wartberg, dann in der Stadt tatsächlich mit einem Busfahrer beim Busbahnhof und zuletzt in der nahe gelegenen Tankstelle mit dem dortigen Angestellten. Diesen schrie er der 60-jährige Mann in Anwesenheit der Polizei an nannte ihn „ukrainisches Arschloch“. Der in Kasachstan geborene Mann stellte Strafantrag.

Wegen Beleidigung verurteilte jetzt das Amtsgericht Wertheim den ehemaligen Inhaber eines kleinen Zirkus’ – Postzustellanschrift in Marktheidenfeld, da „häufig auf Reisen“ – zur Strafe von 30 mal 15 Euro. Aufgrund der starken Alkoholisierung zum Tatzeitpunkt (von Atemalkohol-Gehalt auf Blutalkohol-Konzentration umgerechnet etwa 2,7 Promille) ging die Richterin von eingeschränkter Schuldfähigkeit aus.

Beim Warten in der Notaufnahme am 10. Mai begann der Angeklagte, Bier zu trinken. Nach Kritik wollte er „mit dem Arzt nicht mehr reden“ und ging. Später, am Bahnhof in einem Bus sitzend, benahm er sich auffällig. Der Fahrer weigerte sich, ihn mitzunehmen. Polizei war nötig, ihn aus dem Bus zu bringen.

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Danach kaufte der Mann in der Tankstelle Bier und schimpfte aggressiv. Der Angestellte zog ihn aus dem Laden und wies ihn vom Gelände. Doch der 60-Jährige blieb draußen sitzen. Als um 20.20 Uhr erneut die Polizei da war, schrie er den Angestellten an. Die Beamten nahmen ihn mit aufs Revier. Er verbrachte die Nacht in einem abschließbaren Raum. Am Morgen entschuldigte er sich in der Tankstelle.

In der Verhandlung erklärte der Angeklagte langatmig seine damalige Situation. Nach Klinikbesuch und Verweis aus dem Bus habe er in der Tankstelle und von der Polizei nur erfahren wollen, wie er nach Marktheidenfeld kommt, sei aber „nicht richtig beraten“ worden. Nach Vermutung auf osteuropäische Herkunft habe er „scheiß Ukrainer“ gesagt, weil dieses Land Deutschland in den Krieg ziehe.

Ein Polizist war sich als Zeuge sicher, dass der Mann damals trotz der starken Alkoholisierung das Wichtigste verstand. Der Beleidigte blieb beim Strafantrag und berichtete von zunehmender „Aggressivität“ mancher Kunden. Sie sollten wissen, dass das Folgen hat.

Bei auswärtigen Gerichten hat der Angeklagte seit 2016 mehrere Verurteilungen angesammelt, etwa wegen Beleidigung, Körperverletzung, Bedrohung, Widerstand, Vortäuschen einer Straftat, Diebstahl und Verkehrsdelikten.

Vor dem jetzigen Schlusswort der Staatsanwältin erklärte er, wegen psychiatrischer Erkrankungen im Vorruhestand, er leide unter „posttraumatischen Zuständen“. Das habe in der Tankstelle zu einer nicht kontrollierbaren „Übersprungreaktion“ geführt. Die Richterin erwiderte, nach vorläufiger Würdigung sehe sie nur eingeschränkte Schuldfähigkeit. Ob er damals schuldunfähig war, müsse ein psychiatrischer Gutachter feststellen. Sie wies darauf hin, falls das Ergebnis Schuldfähigkeit bejahe, trage er die Kosten. Der Angeklagte verzichtete auf das Gutachten.

Im Urteil bezeichnete die Richterin „eher“ den Alkohol als Problem. Unter seiner Wirkung könne der Mann sich nicht beherrschen und suche die Schuld bei anderen.

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