Sängerkranz-Jubiläum

In Reicholzheim wird seit 150 Jahren im Verein gesungen

Blick in die Vereinschronik. Sängerinnen und Sänger feiern besonderen Geburtstag mit verschiedenen Veranstaltungen

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gv
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Der Reicholzheimer Gesangverein Sängerkranz probte im Gasthaus „Riesen“ und stellte sich 1959 zum Gruppenfoto auf. © H. Wehnert,/Vorlage Archivverbund Main-Tauber, StAWt S-N 70 Nr. 46

Reicholzheim. Sängerbund, Liederkranz, Sängerkranz: Egal unter welchem Namen, in Reicholzheim singt man seit 150 Jahren im Verein. Dieses Jubiläum wird in den nächsten Monaten mit verschiedenen Veranstaltungen gefeiert.

Wie ein Blick der Verantwortlichen in die Vereinschronik zeigt, trafen sich am 22. Februar 1874 sieben honorige Männer der Gemeinde „vom Wunsche geleitet, den Gesang hiesigen Ortes zu heben und zu pflegen“. Man wollte einen Gesangverein gründen. Der Erfolg des Treffens hing jedoch von den Reicholzheimern ab. Man brauchte Mitstreiter „welche sich mit diesem längst als Bedürfnis fühlbar gemachten und als solches anerkannten Unternehmen einverstanden erklären“. Die Initiatoren, Pfarrer Bick, Bürgermeister Berberig, Hauptlehrer Grimmer, Ratschreiber und Kaufmann Pfister sowie die Herren Bund, Dorbath und Kimmel bildeten das Gründungskomitee. Bereits am 25. Februar traten 51 Männer dem zu gründenden Verein bei. Vorsitzender wurde Ortspfarrer Bick, sein Stellvertreter war Bürgermeister Berberig, Lehrer Grimmer der musikalische Leiter und Dirigent des Chors.

Rund 30 Sänger studierten erste Lieder im Probenlokal, der Schule, ein und gaben diese beim Premierenvereinsausflug nach Gamburg im Sommer 1874 zum Besten. Der junge Verein pflegte auch die Geselligkeit. Dies hat sich bis heute nicht geändert. Doch ist es mittlerweile wesentlich einfacher, beim Chor mitzusingen. Es gibt weder die anfangs übliche Prüfung auf Stimme und musikalische Begabung, noch werden Lebensführung und charakterliche Haltung des Aspiranten beziehungsweise der Aspirantin als Aufnahmekriterium herangezogen. Wer mitsingen möchte, kommt einfach bei den Proben dienstags um 19.30 Uhr im Gemeindezentrum vorbei.

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Seit 1908 traf man sich im Gasthaus „Riesen“ zur Singstunde und zum geselligen Beisammensein. Die Mitgliederversammlungen fanden jedoch, zumindest bis zum Zweiten Weltkrieg, reihum in allen Reicholzheimer Gaststätten statt, waren doch die Gastwirte oft auch Mitglied im Sängerkranz.

Das Chorleben wuchs und gedieh. Es scheint aber auch Differenzen gegeben zu haben. Denn 1906 gründete sich ein zweiter Gesangverein unter dem Namen Liederkranz, der wohl vor allem für jüngere Sänger attraktiv war.

Im Ersten Weltkrieg wurden zahlreiche Mitglieder beider Vereine zum Kriegseinsatz eingezogen, elf Sänger starben. 1919 entschlossen sich daher Sängerbund und Liederkranz zur Fusion. Die Sängereintracht währte jedoch nur kurz. Bereits 1922 formierte sich eine kleine Gruppe zu einem neuen Verein, der den bisherigen Namen Sängerbund für sich beanspruchte. Die Auseinandersetzungen um Vereinsvermögen und Namensrecht zwischen den beiden Vereinen wurden vor Gericht ausgetragen und mündeten 1923 in einen Vergleich. Der mitgliederstärkere Verein gab sich den neuen Namen Sängerkranz, das Gründungsjahr 1874 durften beide Vereine für sich reklamieren.

Zum 50-jährigen Bestehen 1924 wurde eine Vereinsfahne mit dem Namenszug „Sängerkranz“ geweiht. Diese wurde nach dem Zweiten Weltkrieg von einem in Reicholzheim einquartierten amerikanischen Soldaten mitgenommen und war jahrzehntelang verschollen. 60 Jahre nach ihrem Verschwinden gelangte sie wieder zum Sängerkranz zurück. Sie hängt nun neben der 1952 als Ersatz angeschafften Fahne.

Die Veränderungen in der Zeit des Nationalsozialimus’ machten auch vor Gesangvereinen nicht Halt. So mussten sich Sängerbund und Sängerkranz 1933 zusammenschließen. Der Einheitsverein behielt den Namen Sängerkranz bei. Dabei ist es nach einem Beschluss der Mitglieder 1951 bis heute geblieben.

Der Zweite Weltkrieg forderte 18 Opfer unter der Sängerschaft. Das Vereinsleben konnte 1946 wieder aufgenommen werden. Zum Jubiläum 1964 wurde dem Sängerkranz eigens ein Lied gewidmet. Der Ehrenvorsitzende Alois Berberig, von 1923 bis 1936 Vorsitzender des Vereins, verfasste den Text für den „Reicholzheimer Sängerspruch“. Melodie und vierstimmigen Satz dazu schuf der Wertheimer Musiklehrer und Komponist Kurt Spanich.

In den ersten fünf Jahrzehnten des Gesangvereins fungierten immer die örtlichen Hauptlehrer als Dirigenten und Chorleiter, ehe mit Alois Krieg ein Reicholzheimer Autodidakt für 45 Jahre den Dirigentenstab führte. Die Tradition des Lehrerdirigenten setzte sich seit 1967 in abgewandelter Form fort. Neben dem ab 1974 von Dieter Bender dirigierten Männerchor war ein von Schulleiter Otto Jäger geleiteter Schulchor gegründet worden. Die Jungen und Mädchen hatten an Weihnachten 1967 ihren ersten Auftritt. Zum 25-jährigen Bestehen des Schulchors wurde 1992 das von Rolf Sommer eigens dafür geschriebene Theaterstück „Die Schnitterin von Reicholzheim“ als Gemeinschaftsleistung von Schul- und Männerchor uraufgeführt.

Nach dem Weggang von Jäger löste sich der Schulchor vorübergehend auf, konnte aber 1999 in Kooperation mit dem Sängerkranz neu belebt werden. Ab 2003 sangen die Grundschulkinder unter dem Namen „Tauberflöhe“. Nachdem seit einigen Jahren das Schulchorsingen mangels Dirigent/-in wieder eingeschlafen ist, wurden nun erste Gespräche über eine erneute Zusammenarbeit Schule – Verein geführt.

Aktiv ist dagegen „Imaté“, der vor 21 Jahren gegründete gemischte Chor des Sängerkranzes. Die Mitglieder des Sängerkranzes, traditionelle Männerchor-Sänger, konnten sich lange eine aktive Beteiligung von Frauen am Gesangs- und Vereinsleben nicht vorstellen. So heißt es in einem Bericht zur Hauptversammlung 1987: „Ob man eventuell Frauen als Mitglieder aufnehmen soll, um durch deren Vereinsarbeit gleichzeitig Kinder für den Schülerchor zu interessieren, war von einigen Sängern ein Vorschlag, der vorerst mit Interesse zur Kenntnis genommen wurde.“

Mittlerweile tragen die Sängerinnen und Sänger von „Imaté“ die Vereinsarbeit des Sängerkranzes und haben für das Jubiläumsjahr ein buntes Musikprogramm zusammengestellt. Bei den Aktionen, die das Vorstandsteam um Beate Rollmann-Lang, Dieter Friedlein und Manfred Köhler für das Festjahr geplant hat, spielt der Gesang die Hauptrolle.

Der Sängerkranz startet eher besinnlich und traditionell mit dem ökumenischen Dank- und Festgottesdienst am 25. Februar in der St. Georg-Kirche. Das Konzert der A-cappella-Gruppe „Fuenf“ wird ein erster Höhepunkt im Festjahr werden. Die fünf Sänger treten am Samstag, 16. März, um 20 Uhr in der Turn- und Festhalle Reicholzheim auf. Karten sind bei den Fränkische Nachrichten sowie online beim Ticketportal Reservix.de erhältlich.

Im Sommer gibt „Imaté“ am 16. Juni ein etwas anderes Chorkonzert in Reicholzheim an vier für die Vereinsgeschichte wichtigen Stationen im Weinort an der Tauber.

Am 20. Oktober wird nachmittags ein Geburtstagskaffee bei Musik, Gesang und Unterhaltung serviert. Das Adventskonzert am 30. November schließt den Reigen der Jubiläumsveranstaltungen ab. gv

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