Heime in der Region

Einrichtungsbezogene Impfpflicht im Main-Tauber-Kreis: „Wie eine Watsche ins Gesicht”

Noch nie war die Situation in den Alten- und Pflegeheimen so angespannt wie in diesen Tagen. Die einrichtungsbezogene Impfpflicht tut dabei ihr Übriges. Die jeweiligen Verantwortlichen in den Heimen der Region beziehen Stellung.

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Heike Barowski
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Eine Altenpflegerin spricht im Seniorenheim mit einer Bewohnerin. © DPA/Sebastian gollnow

Wertheim/Main-Tauber-Kreis. Sorgte die Personalknappheit in den Einrichtungen bereits vor der Pandemie für Herausforderungen, so kommen ständig weitere hinzu. Eingangskontrollen, das Testen jedes Besuchers und zahlreiche umzusetzende Hygienemaßnahmen sind dabei nur der kleinste Teil der zusätzlichen Aufgaben. Zur extrem angespannten Situation wird nun auch noch eine Debatte um die einrichtungsgebundene Impfpflicht geführt. Grund genug, in den Pflegeheimen der Region einmal nachzufragen.

„Durch die Pandemie getragen“

Yvonne Frenzel-Tafili trägt als Pflegedienstleiterin im Wohnstift im Hofgarten eine große Verantwortung. Kommt die Sprache auf die partielle Impfpflicht, werden ihre Worte drastisch. „Wir arbeiten sowieso schon seit Monaten am Limit. Soll ich dann die wenigen Ungeimpften auch noch nach Hause schicken?“, fragt sie. Vollständig geimpft sind 98 Prozent des Personals und 97 Prozent der Bewohner. „Man darf dabei nicht vergessen, dass die Ungeimpften uns auch durch die Pandemie getragen haben“, fährt sie fort. „Wenn die Regierung das tatsächlich umsetzt und die Ungeimpften aus dem Verkehr zieht, dann hat die Pflege allgemein ein riesiges Problem.“ Sie stellt die Frage in den Raum: „Ist die Impfpflicht nun der Dank dafür, dass man uns seit vielen Monaten alles abverlangt?“ Ihrer Meinung nach könne man keine einzelne Gruppe herausgreifen und für diese eine Impfpflicht verhängen. Die Pflegedienstleiterin ist grundsätzlich für das Impfen als Schutz vor einem schweren Krankheitsverlauf. „Die Impfpflicht allein für das Pflegepersonal ist aber wie ein Abstempeln dieser Berufsgruppe – gerade so, als wären wir zu blöd, die Maßnahmen einzuhalten“. Die Pflegedienstleiterin ist sich sicher, dass der Staat mit dieser partiellen Impfpflicht die Spaltung der Bevölkerung noch deutlich weiter vorantreibt.

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Kein Alleingang

Christine Staudt hat die Leitung des Alloheims auf dem Reinhardshof Mitte Januar übernommen. Bei ihr stößt vor allem der Alleingang des bayerischen Ministerpräsidenten Markus Söder auf Unverständnis. „Es kann doch nicht vorteilhaft sein, wenn jedes Bundesland wieder seinen eigenen Weg geht“, sagt sie und hofft auf eine bundeseinheitliche Regelung. „Die Politik wird entscheiden und wir werden uns daran halten“, so Staudt.

Die Bedenken, dass Mitarbeiter die Branche wechseln könnten, treibt natürlich auch die neue Chefin um. „Diese Sorge haben sicher alle Heimleitungen. Wenn nur ein Mitarbeiter die Pflegeeinrichtung verlässt, ist das schon einer zuviel“, sagt sie. Zur Impfquote im Alloheim wollte sie sich nicht äußern.

Beim Thema einrichtungsbezogene Impfpflicht bezieht auch Petra Meyer, als Regionalleiterin zuständig für das Haus St. Anna, ganz klar Stellung: „Das ist wie eine Watsche ins Gesicht“, sagt sie. In der Külsheimer Einrichtung ist man sich einig, dass eine partielle Impfpflicht nicht helfen wird. „Nicht alle Bewohner und Besucher sind geimpft. Was macht das für einen Sinn?“ Die Regionalleiterin plädiert für eine allgemeine Impfpflicht.

Alle sind geboostert

Der Hauptsitz des ambulanten Pflegediensts „Pflege mobil“ befindet sich ebenfalls in Külsheim. Neben Heimen in Külsheim, Werbach, und Großrinderfeld betreibt der Pflegedienst auch eine Einrichtung in Kreuzwertheim. In Sachen Impfpflicht ist der Geschäftsführer Martin Seidel relativ entspannt. „Darüber mache ich mir gerade sehr wenig Sorgen“, sagt er. Alle betreuten Senioren sind geboostert und bekommen in Kürze die zweite Auffrischungsimpfung. Von den 120 Mitarbeitern sind 97,5 Prozent geimpft. Außerdem weiß Seidel natürlich auch vom Ermessensspielraum, bevor das Gesundheitsamt Pflegekräfte freistellt. „Wir müssen da jetzt durch“, meint er.

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„Absolut erforderlich“

Jutta Steinmetz-Thees hat die Bereichsleitung Senioren beim Caritasverband des Main-Tauber-Kreises inne und ist damit für den Otto-Rauch-Stift in Freudenberg, das Johann-Mayer-Haus in Lauda-Königshofen, die Sozialstationen in Lauda-Königshofen und Tauberbischofsheim und das betreute Wohnen zuständig. Die Impfpflicht für Pflegepersonal hält sie „für absolut erforderlich, auch wenn noch nicht alle Dinge geklärt sind“. Sie spielt damit auf die nicht definierten Kriterien für die Freistellung und die Finanzierung des Beschäftigungsverbots an. Allerdings hofft auch die Caritas-Mitarbeiterin, dass es eine Impfpflicht für alle Bürger geben wird, „sonst wäre die Situation ja sehr merkwürdig – weil Bewohner und Besucher sich eben nicht impfen lassen müssten“. Froh ist die Bereichsleiterin über die sehr hohe Impfquote unter den Bewohnern der von ihr betreuten Einrichtungen. Steinmetz-Thees beziffert diese auf 96 Prozent. Etwa 90 Prozent aller Mitarbeiter der Einrichtungen sind geimpft. Befürchtungen, dass Ungeimpfte die Branche wechseln, hat sie wenig. „Abwanderungen hat es schon immer gegeben“, sagt sie. Auch die Bereichsleiterin setzt auf den Ermessensspielraum, den das Gesundheitsamt des Landkreises hat, bevor es ein Betretungsverbot ausspricht. Jutta Steinmetz-Thees geht davon aus, dass sich die Quote der geimpften Mitarbeiter in den nächsten Tagen noch erhöhen wird, wenn der erste Totimpfstoff auf dem Markt ist.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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