Wertheim/Bretzfeld-Obersulm. Als im Sommer vergangenen Jahrs die Pläne für das sogenannte „Repowering“ des Windparks bei Höhefeld bekannt wurden, war die Aufregung groß. Die Bewohner der angrenzenden Ortschaften befürchteten eine Beeinträchtigung ihrer Lebensqualität – vor allem wegen der riesigen Dimension der Windräder, die bis 250 Meter hoch sein sollen. Mittlerweile ist es still geworden um das Projekt. Nach einem Eigentümerwechsel sind sich die Beteiligten offenbar nicht einig, wie es weitergehen soll.
Allerdings sind weitere Projekte auf Wertheimer Gebiet geplant (wir berichteten), so dass die Arbeit der Strategiegruppe, die der Gemeinderat eingerichtet hat, ohnehin gefragt ist. Die Stadtverwaltung veranstaltete am Samstag eine Exkursion zum Windpark Bretzfeld-Obersulm, wo an der Grenze zwischen den Landkreisen Heilbronn und Hohenlohe drei Windräder von der Dimension stehen, wie sie nach dem neuesten Stand der Technik errichtet werden – 240 Meter hoch, mitten im Wald.
Multiplikatoren an Bord
Ziel war es, Einblick in die kommunalpolitischen Vorgänge und die Auswirkungen auf die Anwohner zu erhalten, um mit diesen Erkenntnissen die Wertheimer Projekte besser beurteilen zu können. Ein voll besetzter Bus machte sich auf den Weg zu dem Windpark etwa zehn Kilometer südöstlich des Weinsberger Autobahnkreuzes. An Bord waren Mitglieder des Gemeinderats, der Stadtverwaltung, Ortsvorsteher und interessierte Bürger sowie die Mitglieder der Strategiegruppe.
Allesamt sollten diese „Multiplikatoren“ , wie es Oberbürgermeister Markus Herrera Torrez formulierte, ihre Eindrücke mit „kritisch-konstruktivem Blick“ sammeln und zu Hause an die Bevölkerung weitergeben.
Hintergrund: Bürgerwindpark Bretzfeld-Obersulm
Der Bürgerwindpark Bretzfeld-Obersulm ist seit Februar 2022 in Betrieb. Er besteht aus drei Windrädern modernster Bauweise und ergänzt zwei bereits bestehende Anlagen in unmittelbarer Nähe.
Die Baukosten lagen bei 21 Millionen Euro. Betrieben werden die Anlagen von der Bürgerwindpark Hohenlohe GmbH, die Beteiligungsmodelle etabliert hat.
Die Anlagen sind 239 Meter hoch, also etwa zehn Meter kleiner als die geplanten in Höhefeld.
Die Windräder des Typs Nordex N-149 erzeugen mit prognostizierten 36 Millionen Kilowattstunden pro Jahr Strom für rund 9300 Durchschnittshaushalte.
Für die Windräder war ein Holzeinschlag von rund drei Hektar erforderlich. Im Gegenzug wurden Ersatzaufforstungen an anderer Stelle und Waldaufwertungen vor Ort vorgenommen.
Weil auf dem Gelände Natur- und Artenschutz zu beachten ist (FFH-Gebiet), waren weitere Ausgleichsmaßnahmen erforderlich, darunter der Bau von Nistkästen, Fledermaushöhlen und Amphibienschutzzäunen. wei
Der Windpark Bretzfeld-Obersulm schlug, so war zu erfahren, nicht die kommunalpolitische Welle wie es in Wertheim im vergangenen Sommer in Bezug auf Höhefeld der Fall war. Tilman Schmidt, bis Mitte vergangenen Jahres Bürgermeister von Obersulm, begleitete das Projekt und berichtete den Gästen aus Wertheim, dass „nie großer politischer Zündstoff“ vorhanden war – wohl vor allem, wie er ausführte, weil die nächstgelege Wohnbebauung relativ weit entfernt ist.
Ein Vorteil sei auch gewesen, dass in unmittelbarer Nähe bereits zwei 180 Meter hohe Windanlagen standen – auf Gemarkung der Nachbargemeinde Löwenstein, die nach Darstellung auch ohne große Widerstände ans Netz gegangen waren.
Mit Blick auf den Windpark Bretzfeld-Obersulm, so berichtete Tilmann Schmidt, seien zu einer Bürgerveranstaltung 100 Leute gekommen und hätten vor allem Kritik bezüglich Natur-und Artenschutz geäußert. Der Großteil der Bedenkenträger sei allerdings gar nicht selbst betroffen gewesen. Diese Leute hätten zum Teil 20 Kilometer entfernt in ganz anderen Ecken des Landkreises gewohnt.
Einige Fragen der Exkursionsteilnehmer bezogen sich auf die Geräuschkulisse in der Nähe der Windräder. Tilman Schmidt sagte, ihm sei nichts von Lärmbelästigungen bekannt. Forstbezirksleiter Klaus Ulrich berichtete, dass für die Wahrnehmung der Geräusche die Wetterlage eine große Rolle spiele, zum einen natürlich die Windrichtung, zum anderen die Luftfeuchtigkeit – je höher sie sei, so Ulrich, desto eher nehme man ein Geräusch wahr. Insgesamt sei die Geräuschkulisse der benachbarten Bundesstraße „um eine Zehnerpotenz lauter“ – eine „ganz andere Liga als die Windräder“.
Eine aktuell durch Diplom-Ingenieur Christian Eulitz vorgenommene Messung vor Ort bestätigte diese Wahrnehmung. Zwischen zwei der Windräder maß der Experte 45 Dezibel, ein Wert der so auch für Wohngebiete in der Nähe zulässig ist.
Naturschutzfragen gelöst
Förster Klaus Ulrich berichtete, dass durch die Waldaufwertungen in dem betroffenen Gebiet der Baumbestand letztendlich höherwertiger sei. Yassin Cherid vom Dialogforum Energiewende und Naturschutz (Gemeinschaftsprojekt von Bund Naturschutz und Nabu) bemängelte durchaus, dass sich der Windpark in einem Naturschutzgebiet befindet.
Cherid zählte die betroffenen Tierarten wie Fleder- und Haselmaus auf und erläuterte die Schutzmaßnahmen. Benjamin Friedle vom Betreiber erläuterte, dass man für die Widersprüche, die von Landesnaturschutzverband und Bund Naturschutz eingelegt wurden, gemeinsame Lösungen für Ausgleichsmaßnahmen gesucht und gefunden habe, so dass die Verbände ihre Widerstände zurückgezogen haben und es nicht zu Rechtsstreitigkeiten gekommen ist.
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