Kleinkunst

Christine Schütze in Wertheim: „Misch Dich ein gegen Unrecht“

Kabarettistin Christine Schütze gastierte im Convenartis-Gewölbekeller. Versierte Sprache und ausgeprägtes musikalisches Talent.

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Nadine Schmid
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Christine Schütze bei ihrem Aufritt im Convenartis-Gewölbekeller. © Nadine Schmid

Wertheim. Zwei Botschaften sind es vor allem, welche die Lieder, Gedichte und Kabarettbeiträge der Hamburger Klavierkabarettistin Christine Schütze am Samstag im Convenartis-Gewölbe vermittelt haben: „Sei Du selbst mit all deiner Nicht-Perfektion“ und „Misch dich ein gegen Unrecht.“ Diese brachte die Künstlerin auf charmante Art herüber, mit virtuosem Klavierspiel und einer beeindruckenden Singstimme.

Schütze startet hochpolitisch mit einem Song, in dem sie Putin eine einfache Lösung für den Ukraine-Krieg vorschlägt: Er solle nicht mehr das Volk in die Schlacht ziehen lassen, sondern sich selbst dem stärksten Mann der Ukraine stellen: Natürlich ist hier Vitali Klitschko gemeint. Gleichzeitig bezieht sie klar Stellung gegen Diktatur und Angriffskrieg.

Auch in der Zugabe wird es nochmals politisch, als sie alle Anwesenden angelehnt an den Konstantin-Wecker-Song „Sage nein“ auffordert, sich gegen die voranschreitende braune Gesinnung zu positionieren.

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Im Rest des Programms geht es eher um Alltägliches: den durch die sozialen Medien unterstützten Drang perfekt zu sein und das ewige Spiel zwischen Mann und Frau. So erklärt sie zunächst den Titel ihres Programms: „Also mir wär’ sie zu dünn.“ Diese Beurteilung im Anschluss an ihre Aufführung habe sie einmal im Gespräch zwischen zwei Männern gehört. „Wer würde so etwas sagen, wenn ein Mann auftritt?“, fragt sie sich schmunzelnd.

Schütze nimmt gerne Kontakt mit ihrem Publikum auf, lässt sich Antworten zurufen und reagiert auf Kommentare. Die Sprache, das Spiel mit Worten liegt der Musikerin, die sich ehrenamtlich als Botschafterin der „Stiftung Lesen“ betätigt. So macht sie sich beispielsweise über das Framing lustig, die Art, alles mit beschönigenden Wörtern darzustellen.

Sie besingt den perfekten Mann und die perfekte Mutter, die ihre Karriere, ihre Schönheitspflege und ihre zwölf Kinder spielend unter einen Hut bekommt. Nur um festzustellen, dass dies eher Anti-Typen sind als Menschen, mit denen man gerne zusammenleben möchte. Genauso bekommt aber der „35-jährige Berufseinsteiger Kai“ sein Fett weg, der sich vor lauter Optionen auf nichts festlegen möchte, auch nicht bei der Frage seiner Freundin, ob er Kinder will.

Die Kabarettistin fragt sich, warum ältere Menschen heutzutage immer der Jugend nachstreben. „Wollten Sie wirklich noch einmal in einer Phase leben, in der sie bei jedem Schokoriegel schrien, den sie nicht bekommen haben und es täglich ein neues Liebeskummer-Drama gab?“

Eine weitere Mission der 53- Jährigen ist, den Menschen im Süden den Wesensschlag des norddeutschen Menschen und der plattdeutschen Sprache nahezubringen. Und die Schönheit von Alliterationen, also Aneinanderreihung von Wörtern mit den gleichen Anfangsbuchstaben, wie „sicher sinnfrei sprechen“ als Coaching für High Performer. Sie spricht sich für den Datenschutz aus und bedauert, dass man mit immer mehr Infos immer weniger verstehe.

Doch Christine Schütze kann nicht nur satirisch. In einem Klavier-Medley aus bekannten Hits lebt sie ihr musikalisches Talent voll aus. Dereinst schloss sie ihr Konzertexamen an der Universität im Lübeck mit 1,0 ab. Ihr Können kombiniert die Künstlerin, die schon mit Sky du Mont auf Tour war, mit einer lässigen Art, untermauert nebenbei ihre Aussagen häufig mit Klängen des Klaviers.

Zum Abschluss des gelungenen Abends präsentiert Schütze den etwa 50 Besuchern noch eine weitere Facette: die des melancholischen Chansons mit ihrem Lied „Am Ende des Tages“, bei dem sie auffordert, nicht Angst zu haben, dass man einen geliebten Menschen verliert, sondern das Hier und Jetzt mit ihm auszukosten.

Dies ist vielen an diesem Abend im Convenartis bei der abwechslungsreichen, gleichzeitig humorvollen und tiefsinnigen Show sicher gelungen.

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