Wertheim. Schnell fühlte man sich in vertrauter Runde, als die Musikkabarettistin Andrea Limmer im Convenartis begann, mit ihrem Publikum zu plaudern. Wie in einem Freundeskreis bezeichnete die „Limmi“ ihre Zuhörer als „liebe Zuckermäuse“. Dabei ging es keinesfalls nur harmonisch zu in den in schönstem Niederbayerisch vorgetragenen Anekdoten, die sie auf der Bühne zum Besten gab – an manchen Stellen wurde es sarkastisch bis makaber. Gerade dieser Mix kam bei den etwa 30 Zuhörern an – auch deshalb, weil viele sich und ihre Mitmenschen in den Figuren wiedererkannten.
Das Setting für das Kabarettprogramm „Das Streben der anderen“ ist eine Veranstaltung, die wohl viele mit gemischten Gefühlen verbinden: Klassentreffen. Hier muss man sich messen und beurteilen lassen. Und wenn dieses dann noch im „Tankstellenstüberl“, der einzigen verbliebenen Lokalität im Heimatdorf, dem „Kaff aller Käffer“, stattfindet, ist schräger Humor garantiert. Zum Beispiel wenn die Bühnenfigur berichtet, dass der Schulweg der sich hier treffenden 4a an einer Brauerei vorbeigeführt habe und die Kinder von klein auf an Alkohol gewöhnt gewesen seien – was dazu geführt habe, dass in dem Dorf niemals ein Kind Ritalin gebraucht habe.
Alltägliche Ärgernisse
Ausgehend von diesem Setting karikiert die Künstlerin alles von alltäglichen Ärgernissen, wie Eltern, die unaufgefordert jedem Fotos ihrer Kinder zeigen, bis hin zu dem Kampf mit Verschwörungstheorien. Obwohl sie sich als „friedliebenden Menschen“ bezeichnet, kann sie ihre Genervtheit nicht verbergen, etwa von der „Zutzelmeier, Susanne“, die es wagt, Fotos ohne Filter zu veröffentlichen – und das in der heutigen Zeit.
Ihre Aussagen unterstreicht Limmer theatralisch durch ihre Gestik und Mimik, schlüpft durch Stimmverstellung und Positionswechsel in verschiedene Rollen und tritt dabei in ein Streitgespräch mit sich selbst. Dies allein ist für die Zuschauer ein Erlebnis mitzuerleben.
Eine unersetzliche Begleiterin bei ihrem Bühnenprogramm ist für Limmer ihre Ukulele, mit deren Unterstützung sie selbst geschriebene Lieder zum Besten gibt. Denn das Beste gegen die Krisen dieser Zeit ist für sie ganz klar: „Singen und Tanzen“.
Und das macht sie gemeinsam mit dem Publikum, das spätestens bei der Aufforderung „Sitz-Pogo“ begeistert mitsingt. Oder bei dem „Volkslied Fütteralala“, bei dem die Vegetarierin die Entstehung von Fleischgerichten besingt.
Auch an anderer Stelle bezieht sie trotz dem Schwerpunkt auf der Pointierung des Alltags klare politische Position, etwa beim „Klimawandelhit Heiz an“. Oder beim „Liebeskummerhit Entgleisung 5.0“, den sie einer ihrer ersten Lieben gewidmet hat – der deutschen Bahn. „Ich will fahr’n, fahr’n, fahr’n“, sang bald der ganze Saal.
Hassliebe zu Niederbayern
Man merkt, die Künstlerin ist in einer Hassliebe mit ihrer niederbayerischen Heimat und deren Dialekt verbunden, der ihren Vortrag noch sympathischer macht. Sie könne aber auch hochdeutsch, immerhin habe sie immer wieder Auftritte in „Hochdeutschland“ lässt die Autorin zweier Bücher wissen. Und doch ist es – nach Vorträgen in Französisch und Englisch – das „Heimatlied“ in schönstem Dialekt, mit dem sie ihr Programm beendet.
Sie habe früher als professionelle Hinausspielerin gearbeitet, ließ sie ihr Publikum noch wissen, und wäre immer dann geholt worden, wenn die Leute gehen sollten.
Doch auch, wenn nach dem Song die Besucher nach Hause gingen: Das Programm war sicher nicht zum Davonlaufen, sondern das klare Gegenteil. Zwei Stunden befreites Lachen gegen die Krisen der Zeit und doch zahlreiche Anstöße zum Nachdenken – das Ziel einer Kabarettveranstaltung war voll erreicht. So bleibt zu hoffen, dass Andrea Limmer ein weiteres Mal in die Main-Tauber-Stadt kommt und dort dann ein größeres Publikum mit in ihre Welt nehmen kann.
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