Wirtschaftsregion

25 Jahre Bürgerinitiative "pro Region": Herausforderungen der Zukunft gemeinsam lösen

25 Jahre Bürgerinitiative „pro Region“ Heilbronn-Franken. In der Kulisse des Klosters Bronnbach wurde das am Freitag groß gefeiert. Unter anderem mit einer Podiumsdiskussion zu aktuellen Themen der Wirtschaftsregion.

Von 
Matthias Ernst
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FN-Chefredakteur Fabian Greulich (links) leitete die Diskussionsrunde bei der Veranstaltung der Bürgerinitiative „pro Region Heilbronn-Franken“ im Josephsaal von Kloster Bronnbach. An der Diskussion teil nahmen (von links) Wirtschaftsförderungsdezernentin Ursula Mühleck, Landrat Christoph Schauder, Alfred Wolfert, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft für offene Psychiatrie im Main-Tauber-Kreis, und Jürgen Umminger, Vorsitzender des Fußballkreises Tauberbischofsheim. © Matthias Ernst

Bronnbach/Main-Tauber-Kreis. Als Frank Stroh, damals Bevollmächtigter der IG Metall, und Professor Dr. Reinhold Würth die Bürgerinitiative „pro Region Heilbronn-Franken“ vor 25 Jahren ins Leben riefen, sah die Welt noch ein wenig anders aus. In der Landeshauptstadt Stuttgart nahm man nur wenig Notiz von den „nördlichen Provinzen“. Heute ist das anders. Dies betonte Vorsitzende Friedlinde Gurr Hirsch anlässlich des Festakts zum 25-jährigen Bestehen von „pro Region“ im Josephsaal von Kloster Bronnbach. Im Mittelpunkt der Veranstaltung stand eine Podiumsdiskussion zur Situation in der Region.

„Wer gemeinsam auftritt, findet in Stuttgart mehr Gehör“, so Friedlinde Gurr-Hirsch, Vorsitzende von „pro Region“. © Matthias Ernst

Reinhold Würth habe seinerzeit in Heilbronn die Region dazu aufgerufen, „sich zu wehren und laut Lärm zu machen“, so Gurr-Hirsch.

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Damals, so die Vorsitzende, herrschten in Deutschland ebenfalls schwierige Zeiten. Sie zitierte aus der „Ruck-Rede“ des früheren Bundespräsidenten Roman Herzog: „Der Verlust wirtschaftlicher Dynamik, die Erstarrung der Gesellschaft, eine unglaubliche mentale Depression – das sind die Stichworte der Krise“. Vieles aus dieser Rede scheint auch heute wieder ganz nah, so Gurr-Hirsch. Die Pandemie und der Angriff auf die Ukraine lähmten derzeit viele Entscheider. Doch es seien noch weitere Themen, die aktuell eine Herausforderung für die Gesellschaft bildeten. Sie nannte Megathemen wie Digitalisierung, Transformation, Demografie und Klimawandel und leitete damit über, zu den Themen, die in der Region bewegen.

Eine Region, die 1973 auf dem Reißbrett entstanden sei. Die Bürgerinitiative „pro Region“ sei gegründet worden, um ein „Wir-Gefühl zu schaffen“. Man fühle sich verpflichtet, auf allen Gebieten des öffentlichen Lebens zum Wohl der Bürger der Region Heilbronn-Franken zu wirken, den Bürgersinn zu stärken, Hilfe zur Selbsthilfe zu geben und Eigeninitiative zu fördern. Man wolle „die neutrale Plattform“ für Region Heilbronn-Franken sein. Mit den Regionaltagen, die jedes Jahr an einem anderen Standort in der Region stattfinden, habe man eine Begegnungsstätte geschaffen, die allgemein sehr beliebt ist und mit der Regionaltafel, bei der Meinungsträger regelmäßig miteinander diskutieren, erhebe man seine Stimme, wenn es um wichtige Entscheidungen geht, die die Region Heilbronn-Franken betreffen. Eines sei klar, so Gurr Hirsch: „Die Herausforderungen, die vor uns liegen, können wir nur gemeinsam lösen“. Wer gemeinsam auftrete, werde bei den Entscheidern in Stuttgart, Berlin oder Brüssel mehr Gehör finden, als wenn jeder einzelne seine Ziele verfolge.

In einer Diskussionsrunde, die von Fabian Greulich, Chefredakteur der Fränkischen Nachrichten, geleitet wurde, kam klar heraus, dass man nur gemeinsam das große Ziel erreichen könne, die gesamte Region fit für die Zukunft zu machen. Dieses Format wird anlässlich des Jubiläums des Vereins in allen fünf beteiligten Kreisen durchgeführt – Bronnbach war nach Schwäbisch Hall die zweite Station.

Um es vorwegzunehmen, die Veranstaltung kam bei den etwa 60 Besuchern sehr gut an. Greulich und Gurr-Hirsch freuten sich sehr, dass auch die Präsidentin der IHK Heilbronn-Franken, Kirsten Hirschmann, an der Veranstaltung teilnahm. Dies sei ein gutes Zeichen der Zusammenarbeit, „zumal die Wirtschaftsförderung ein großes Gebiet ist, das der Landkreis Main-Tauber zusammen mit seinen Nachbarlandkreisen anpackt“, betonte auch Landrat Christoph Schauder, der sich auf dem Podium den Fragen des FN-Chefredakteurs stellte. Zusammen mit Kreisentwicklungsdezernentin Ursula Mühleck hob er hervor, dass die Region ein starker Wirtschaftsstandort sei. „Wir sind eine stolze Wirtschaftsregion, aber auch ländlicher Raum“. Diesen Spagat zu bewältigen sei nicht einfach, aber er und seine Mitarbeitenden nähmen die Herausforderungen gerne an, so Schauder. Die Digitalisierung werde „voll gepusht“, nicht erst seit der Corona-Pandemie. Die Menschen hätten erkannt, dass der ländliche Raum viele Entwicklungsmöglichkeiten biete. Als Stichwort nannte er die Kampagne „Karriere daheim“, die von der Wirtschaftsförderung an den Start gebracht wurde, um junge Menschen in der Region zu halten und ihnen eine berufliche Perspektive zu bieten.

Das beginne schon in den Schulen, so Ursula Mühleck, wo man mit speziellen Ausbildungsbotschaftern um die jungen Menschen werbe. Wichtig sei, dass diese nach ihrer Ausbildung oder ihrem Studium in die Region zurückkommen.

Tourismus als Standortfaktor

Weitere große Themen der Wirtschaftsförderung seien die Energiewende und der Tourismus, so Mühleck. Landrat Schauder berichtete, dass der Tourismus der zweitstärkste Wirtschaftsfaktor im Main-Tauber-Kreis sei. Man habe im Jahr etwa 1,7 bis 1,8 Millionen Übernachtungsgäste. Auf diesem Sektor will man sich zukünftig noch besser in der Region Heilbronn-Franken abstimmen, da es von der Landesregierung viele Förderbereiche gebe, um den Tourismus zu stärken. Man werde natürlich nicht die Zusammenarbeit mit dem Tourismusverband Franken aufgeben, aber die Ausrichtung in Richtung Süden sei mit vielen Vorteilen verbunden, so der Landrat. Ein wichtiges Thema sei zudem die Fachkräftegewinnung, was angesichts der demografischen Entwicklung immer schwieriger werde. Auch hier seien gemeinsame Aktionen der beiden Regionen geplant, verriet Schauder. Eine bedeutende Rolle spiele hier die IHK Heilbronn-Franken, bestätigte der Landrat auf Nachfrage von Fabian Greulich. Man arbeite „vertrauensvoll zusammen“. Die Tür für die IHK bei „pro Region“ sei immer offen.

Inklusion im Blick

Auf die Frage nach den Stärken und Schwächen des Main-Tauber-Kreises antwortete zunächst Alfred Wolfert, Geschäftsführer der Gemeinnützigen Gesellschaft für offene Psychiatrie im Main-Tauber-Kreis, der als Vertreter der Liga (einem Zusammenschluss der im sozialen Umfeld tätigen Einrichtungen) sprach. Er sagte, dass man im eigenen Landkreis sehr gut vernetzt sei, Kooperationen der beiden Regionen Heilbronn und Main-Tauber aber eher eine untergeordnete Rolle spielten. Er wünschte sich eine bessere Zusammenarbeit bei der Inklusion und auf dem Wohnungsmarkt. „Die Menschen müssen teilweise in Obdachlosenunterkünfte, weil sie die hohen Mieten nicht mehr zahlen können“, bemängelte Wolfert, der den Blick auf sozial Schwächergestellte richtete. In der heutigen Leistungsgesellschaft „bleiben diese Menschen auf der Strecke“.

Beim Thema „Demografie“ stellte Wolfert fest, dass nun die geburtenstarken Jahrgänge in das Senioren-Alter kommen. „Wer übernimmt dann die Aufgaben in der Pflege, wenn immer mehr Pflegekräfte fehlen“, fragte er provokant.

Zwar sei man im Bereich der klassischen Pflegeplätze sehr gut aufgestellt, bei der Kurzzeit- und Tagespflege gebe es allerdings noch Nachholbedarf, so Schauder. Er habe allerdings beobachtet, dass in den letzten 26 Monaten ein Umdenken in Politik und Gesellschaft stattgefunden habe, was die Wichtigkeit der Pflegekräfte angehe. Nur sei davon bisher bei den Betroffenen wenig angekommen. Das dauere sicher noch einige Zeit.

Aufhorchen ließen die Aussagen von Jürgen Umminger, Vorsitzender des Fußballkreises Tauberbischofsheim. Nicht erst seit der Pandemie sei im Vereinssport vieles im Umbruch. Viele Vereine spürten den demografischen Wandel, was sich unter anderem in der Zunahme von Spielgemeinschaften zeige. Ortschaften, die sich vor Jahren noch „spinnefeind waren“, würden heute zusammenspielen, um überhaupt noch einen Spielbetrieb aufrecht erhalten zu können. Dabei sei der Sport „identitätsstiftend“, das sei für ihn nach wie vor klar. Probleme des ländlichen Raums seien nicht unbedingt die Probleme in den Städten. Man brauche nicht nur den Nachwuchs – auch bei den Ehrenamtlichen müsse man aufpassen, dass diese bei ihrer Tätigkeit unterstützt werden. „Man muss in der Politik und bei den Verbänden umdenken“, forderte Umminger. Erste Schritte seien schon unternommen. So gebe es mittlerweile dezentrale Übungsleiter-Ausbildungen. „Die Verbände kommen inzwischen auf die Vereine zu.“ Da finde ein Umdenken statt. Erfolge erreiche man jedoch nicht kurzfristig. „Was nicht da ist, kann man nicht zurückgewinnen.“ Auf die Frage, was man in Zukunft von „pro Region“ erwarte, wünschte sich Ursula Mühleck, dass die Bürgerinitiative verstärkt in kleinere Kommunen geht und die Menschen vor Ort hört. Das sah auch Jürgen Umminger so. „Es muss auf dem Land Präsenz gezeigt werden.“ Viele Dinge müssten einfacher werden, um die Menschen, die sich engagieren wollen, von Bürokratie und Gesetzeswahn zu entlasten.

Landrat Christoph Schauder versprach, weiter daran zu arbeiten, dass das Kirchturmdenken aufgeweicht wird. „Bei den wichtigen Themen kommen wir nur gemeinsam voran.“ Er freue sich auf die Zusammenarbeit in den nächsten Jahren. FN-Chefredakteur Fabian Greulich würdigte am Ende der Diskussion die offenen Worte.

Beiratsmitglied Wolfgang Vockelsprach das Schlusswort: Er sei seit 1998 Mitglied in der Bürgerinitiative „pro Region“ und habe den Beitritt nie bereut. Er gab zu, anfangs skeptisch gewesen zu sein, als ihn Fechtlehrer Emil Beck zum Verein brachte, aber schnell habe er die Chancen erkannt, die „pro Region“ biete. Die „Plattform für jedermann“ wie er sie bezeichnete, werde weiter Themen aufgreifen, die über das Tagesgeschäft hinausgehen.

Den Beitritt zu „pro Region“ habe er nie bereut, so Tauberbischofsheims früherer Bürgermeister Wolfgang Vockel. © Matthias Ernst

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