Werbach. Als der Vorsitzende des Wahlausschusses, Bürgermeister Ottmar Dürr, und Hauptamtsleiter Tobias Schwarzbach die Veranstaltung kurz nach 19 Uhr eröffneten, drängten noch immer zahlreiche interessierte Bürger in die Tauberhalle. Einen Sitzplatz zu ergattern, war zu diesem Zeitpunkt schon lange nicht mehr möglich. Über 600 Menschen waren gekommen, um sich ein Bild von den vier zur Wahl angetretenen Kandidaten zu machen. „Die Zahl der Anwesenden macht deutlich, wie groß das Interesse an der Wahl ist“, sagte Dürr, bevor er noch einmal das Vorgehen an diesem Abend erläuterte.
Begonnen wurde mit der Vorstellungsrunde in der jeder Bewerber 15 Minuten Zeit hatte, etwas zu seiner Person, seinem Lebenslauf und vor allem zu seinen Zielen als Bürgermeister zu sagen.
Keiner der vier Kandidaten musste wegen Überschreitung der Zeit ermahnt werden. Alle vier lieferten nahezu eine Punktlandung und schöpften nacheinander ihre Redezeit aus. Die Reihenfolge der Auftritte wurde vom Eingang der Bewerbungen bestimmt. Während sich ein Kandidat vorstellte, mussten die anderen drei den Saal verlassen.
Georg Wyrwoll
Als erster hatte Georg Wyrwoll seine Unterlagen eingereicht. Er eröffnete somit die Vorstellungsrunde. In der Gemeinde finde er ein spannendes Umfeld vor, Menschen mit Stolz, Heimatverbundenheit und Geschichtsbewusstsein.
„Wir haben viel, aber wie bringen wir das rüber?“ Wyrwoll skizzierte am Beispiel einer Freizeitaktivität, wie er sich die zukünftige Homepage der Gemeinde vorstelle. In Sachen Vereine sagte er: „Ich bin für eine Feuerwehr in jedem Teilort, mit einer modernen Ausstattung.“ Weil Ehrenamt das treibende Element in der Gemeinde ist, will er die Vereine noch aktiver unterstützen. So habe er bereits einen Austausch mit den Vereinsvorsitzenden geplant. Entscheidungen will Wyrwoll transparent kommunizieren, offene Bürgersprechstunden in allen Ortsteilen anbieten.
Auch eine Bürgersprechstunde per Whatsapp könne er sich vorstellen. „Mit mir gibt es keine Verwaltungsbürokratie 1.0, sondern eine moderne Bürgernähe“, versprach er, genauso wie faire Bildung und seinen Umzug in die Gemeinde. Finanzieren will der Kandidat die Projekte mittels zahlreich auszuschöpfender Fördermittelprogramme.
Stefan Kempf
„Wie wollen Sie die Tätigkeit als Unternehmer und Bürgermeister unter einen Hut bringen?“ Stefan Kempf stellte und beantwortete noch einmal die mehrfach an ihn gerichteten Fragen. „Ich habe alles so geregelt, dass mein Unternehmen auch ohne mich weiterläuft.“ Kempf verwies auf langjährige Betriebsleiter und Geschäftsführer. Er habe sich seit Monaten aus dem operativen Geschäft zurückgezogen. Auf die Aufzählung seiner Lebensstationen verzichtete er. Dagegen skizzierte er als Vision einen Blick auf Werbach in 16 Jahren. Straßensanierung in Gamburg, Kindergartenbus in Brunntal, Nahwärmeversorgung in verschiedenen Orten, Ladestationen für E-Mobilität, insektenfreundliche Beleuchtung waren ein paar der dann realisierten Projekte. Die Aufnahme in das Programm „Flächenentwicklung durch Innenentwicklung“ gehöre genauso dazu, wie ein innovatives Leerstands-Management. Um all dies umzusetzen, schlug Kempf Workshops in den Ortsteilen vor, wo Ziele für die Zukunft formuliert und in einem Abstimmungsprozess gewichtet werden sollen. „Alles ist möglich, wenn wir an einem Strang ziehen“, sagte er.
Lutz Strobel
„Fühlen Sie sich beachtet von den Politikern in Brüssel, Berlin oder Stuttgart? – Ist es da nicht umso wichtiger, dass wir uns gegenseitig achten und unterstützen?“, Lutz Strobel plädierte in seiner Rede mehrfach für den Zusammenhalt der Menschen in der Kommune. „Ich will das Wir-Gefühl fördern, denn es sollte der Vergangenheit angehören, dass sich jemand wie ein fünftes Rad am Wagen fühlt.“
Immer wieder stellte er Parallelen zwischen seiner Tätigkeit in der Fliegerei und einer Arbeit als Bürgermeister her. „Ich stehe hier als jemand der sich verpflichtet fühlt, Ihnen zu dienen und die Gemeinde voranzubringen“. Dies will Strobel unter anderem durch Transparenz bei allen Entscheidungen erreichen, ob in Politik oder der Verwaltung. Der Kandidat will eine Wirtschaftspolitik im Sinne des Gewerbes betreiben, Lücken in der Infrastruktur schließen, regionale Selbstversorgung stärken, Umweltschutz mit Augenmaß umsetzen, Jugendarbeit und den Ausbau einer seniorengerechten Gemeinde sowie das Ehrenamt fördern. „Ich will der Gemeinde etwas zurückgeben, in der ich immer willkommen war“, so Strobel.
Thomas König
„Ich weiß, Sie und ich – wir passen einfach zueinander“, sagte Thomas König. Er will die Zukunft der Kommune gemeinsam mit den Bürgern gestalten. Dafür bringe er als Diplom-Verwaltungswirt die entsprechende Qualifikation mit. Als Bürgermeister wolle er das Rathaus unverzüglich für die Besucher öffnen, das digitale Serviceangebot deutlich ausbauen, frühzeitig und mit umfangreichen Informationen an die Öffentlichkeit gehen und so eine transparente und bürgernahe Politik betreiben. Die Interessen der Kommune nach außen zu vertreten sei für ihn elementar, eine Mitwirkung im Kreistag unerlässlich – genauso wie der Ausbau der Homepage. Naturschutz stehe für ihn nicht im Widerspruch zur sorgsamen Belebung von Wirtschaft und Tourismus.
Zukünftige Photovoltaikanlagen könnten über zu bildende Solargenossenschaften direkten Nutzen für die Bürger und die Gemeindefinanzen bringen. Gerechtigkeit gegenüber allen Ortsteilen will er durch regelmäßige Treffen mit den Ortsvorstehern erreichen. Die Förderung des Ehrenamts sei für ihn eine Herzensangelegenheit, betonte Thomas König.
Trotz der großen Besucherzahl herrschte die ganze Zeit Stille im Saal. Über 600 Anwesende hatten 75 Minuten sehr aufmerksam die Reden der Kandidaten verfolgt.
Ottmar Dürr
In Erinnerung an diesen Abend wird auch ein sehr gelöster Ottmar Dürr bleiben, der mit Bemerkungen die gespannte Stimmung im Saal lockerte. „So einen entspannten Wahlkampf habe ich seit 24 Jahren nicht erlebt“, sagte der scheidende Bürgermeister mit einem imaginären Augenzwinkern und alle lachten.
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