Jahresrückblick

Gamburg: Bürgerproteste brachten ersten Erfolg

In Gamburg und Reicholzheim entzündet sich Widerstand gegen geplante Sicherheitsmaßnahmen an historischen Brücken. Bürger sehen das Kulturerbe gefährdet und fordern Mitsprache.

Von 
Heike Barowski
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Knapp 250 Menschen waren auf der historischen Tauberbrücke in Gamburg zusammengekommen, um ihren Unmut über das vom Straßenbauamt geplante Geländer zu zeigen. Ein paar Tage später trafen sich mehr als 150 Bürger in Reicholzheim auf der Brücke. © Heike Barowski

Gamburg. Bau- und Sicherungsvorschriften sind das Eine – Denkmalschutz und Erhalt historischer Bauwerke das Andere. Aber manchmal prallen sie als Gegensätze hart aufeinander – so wie in diesem Jahr in Gamburg und Reicholzheim. Nicht nur in diesen beiden Orten sollten historische Brücken ein Geländer bekommen. Doch die Bürger wehrten sich.

„Losgetreten“ wurde die Welle der Empörung von einem aufmerksamen Gamburger, der Vermessungsarbeiten an der Brücke über die Tauber beobachtet hatte und im April eine entsprechende Anfrage an den Werbacher Gemeinderat richtete. Auch Bürgermeister Georg Wyrwoll hatte keine Kenntnis vom geplanten Vorhaben. Nach der Landesbauordnung von Baden-Württemberg müssen Geländer, einschließlich der von Brücken, eine Mindesthöhe von 90 Zentimetern haben. An der historischen Tauberbrücke in Gamburg, erbaut 1776, beträgt das Innenmaß nur 60 Zentimeter. Allerdings ist diese Brücke nach Paragraf 2 des Denkmalschutzgesetzes klassifiziert. „Sie wird aufgrund ihrer historischen, architektonischen oder anderer Merkmale als schützenswertes Kulturdenkmal eingestuft und ist dementsprechend rechtlich geschützt. Alle Maßnahmen, die ihre Substanz oder Erscheinungsbild verändern könnten, benötigen in der Regel eine Genehmigung der zuständigen Denkmalschutzbehörde“, so Wyrwoll.

Die Nepomuk-Statuen in Reicholzheim und Gamburg (Bild) trugen symbolisch die Meinung der Bürger um den Hals. © Heike Barowski

Erst durch die Recherchen der Fränkischen Nachrichten und nach zahlreichen Nachfragen an unterschiedliche Verwaltungsstellen wurde bekannt, dass das zuständige Straßenbauamt beim Landratsamt Main-Tauber-Kreis für das Anbringen eines Geländers zur Herstellung der Verkehrssicherheit die Genehmigung beantragt hatte. Das Landesamt für Denkmalpflege (LAD) hatte allerdings hinsichtlich der Geländerart Bedenken geäußert und um Überarbeitung des Antrags durch das Landratsamt gebeten.

Sehr deutliches Zeichen der Bevölkerung

Nach Bekanntwerden der Hintergründe formierte sich Widerstand in der Bevölkerung. Knapp 250 Menschen aus Gamburg und den umliegenden Ortschaften waren am Pfingstsonntag gekommen, um ihren Unmut über das Vorhaben klar zum Ausdruck zu bringen. Auf den Transparenten stand zu lesen: „Schützt unsere historische Brücke vor hysterischen Sicherheitsfanatikern“, oder „Liebliches Taubertal ade“. Der Gamburger Ortsvorsteher Roland Johannes sprach während des „Flashmob“ von einem skandalösen Verhalten gegenüber der Bevölkerung. Er forderte mit Nachdruck die Behörden auf: „Reden Sie mit uns. Zeigen Sie uns ihre Pläne und hören Sie sich unsere Vorschläge an. Lassen Sie uns gemeinsam eine für alle verträgliche Lösung finden. Nur so kann man Akzeptanz in der Bevölkerung schaffen.“ Er versprach, dass weitere Aktionen folgen würden.

Recht sollte er behalten. Denn inzwischen wurde bekannt, dass es sich in Gamburg nicht um einen Einzelfall handelte, sondern insgesamt sechs Brücken im Kreis betroffen waren: die Tauberbrücke Gamburg (Kulturdenkmal), die Nassauerbachbrücke Schäftersheim (Kulturdenkmal), die Aschbachbrücke und die Höllwegklingenbrücke Rüsselhausen, die Welzbachbrücke Wenkheim (Kulturdenkmal) und die Tauberbrücke Reicholzheim (Kulturdenkmal).

Am 2. Juni veranstaltete der Reicholzheimer Ortschaftsrat das Treffen „Nein zum Geländer“ auf der Tauber-Brücke (Baujahr 1772). Der Treff stand unter dem Motto „Wein & Brückenschlag“. Rund 150 Menschen machten sich Luft über das Vorhaben. Beide Aktionen wurden von einer Unterschriftensammlung gegen die geplanten Geländer auf den historischen Brücken flankiert, in der zahlreiche Bürger unterschrieben hatten. Wie die Ortsvorsteher Roland Johannes und Sebastian Sturm mitteilten, waren die vielen Unterschriftenlisten dem Landratsamt oder dem LAD bis dato noch nicht übergeben worden.

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Nur wenige Tage vor dem Treffen in Reicholzheim kam dann an einem Sonntag eine vorerst erlösende Pressemeldung aus dem Landratsamt. Markus Metz, Straßenbauamtsleiter beim Landratsamt Main-Tauber-Kreis, teilte mit: „Wir begrüßen das große bürgerschaftliche Engagement und nehmen die Bedenken der Bevölkerung sehr ernst. Die historischen Brücken sind prägend für das Landschaftsbild im Main-Tauber-Kreis. Aus diesem Grund werden die Planung und die Umsetzung bei allen Maßnahmen bis auf Weiteres gestoppt. Gemeinsam mit dem Landesamt für Denkmalpflege suchen wir jetzt nochmals nach Alternativlösungen, die sowohl der Verkehrssicherungspflicht als auch dem Wunsch der Bürger Rechnung tragen und mit dem Denkmalschutz vereinbar sind. Zudem muss eine solche Lösung auch den haftungsrechtlichen Fragestellungen genügen. Des Weiteren werden wir gezielte Aufklärungsarbeit vor Ort betreiben. Niemand braucht also Sorge haben, dass in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Fakten geschaffen werden.“

Aktuelle Stellungnahme der Landkreisverwaltung

Inzwischen sind sechs Monate ins Land gegangen. Welche Pläne wurden vom Straßenbauamt weiterverfolgt? Für welche Brücken werden Alternativen erarbeitet? Mit welchen Bürgern hat man inzwischen gesprochen? Beim Landratsamt haben die FN vor wenigen Tagen genau diese Fragen gestellt. Die Antwort: „Derzeit ist das Straßenbauamt des Landratsamts in der Abstimmung, wie mit den zuvor festgestellten Mängeln an der Absturzsicherung an Brücken verfahren wird. Dies wird jedoch noch einige Zeit in Anspruch nehmen.“ Und weiter heißt es in dem Schreiben: „Allgemein gilt für alle historischen Brücken im Landkreis nach wie vor das, was wir bereits Ende Mai mitgeteilt haben: Niemand braucht Sorge haben, dass in einer Nacht-und-Nebel-Aktion Fakten geschaffen werden. Eine Abstimmung mit der betreffenden Kommune erfolgt in jedem Fall, bevor eventuelle Arbeiten vorgenommen werden.“

Die Ortsvorsteher von Reicholzheim und Gamburg bestätigten übereinstimmend, das es bisher seitens der Landkreisverwaltung noch keine Kontaktaufnahme gegeben habe.

Redaktion Im Einsatz für die Lokalausgabe Wertheim

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