Weikersheim. Schon von weit her hört man Axtschläge. Dann heult ein mobiles Sägewerk auf und schneidet einen dicken Stamm in lange Bretter: Die üblichen Forstarbeiten zwischen Weikersheim und Laudenbach?
Irgendwie schon, aber die Forstmitarbeiter sind Achtklässler der örtlichen Gemeinschaftsschule (GMS). Sie tauschen für mehrere Arbeitsphasen ein Jahr lang ihre Klassenräume an der Humboldtstraße gegen den Lernort Wald. Mit ihren Lehrern stehen sie bei eisiger Kälte schon frühs im Kappelberg, einem weitläufigen Waldgebiet oberhalb der Hammelsklinge, dem „Honsbronner Graben“. Hier wird ein Baum von Hand gefällt; mit Axt und Blattsäge. Gar nicht so einfach, dieses Arbeiten nur mit Geschick und Muskelkraft.
Waldarbeit ist ein komplexes Geschäft, erklärt Hans-Peter Scheifele vom Forstamt. Der Wald-Fachmann betreut das Projekt Waldpädagogik, das an mehreren Orten im Main-Tauber-Kreis im Schulterschluss mit Schulen und Kommunen angeboten wird. Das in Weikersheim ist dabei das jüngste. Vor knapp einem Jahr wurde das Konzept des Kreisforstamts dem Gemeinderat öffentlich vorgestellt. Fraktionsübergreifend wurde damals das Vorhaben sehr positiv aufgenommen. Künftig sollen alle achten Klassen der GMS über je ein Schuljahr hinweg Waldunterricht bekommen.
Physik mit Flaschenzug
Jetzt wird als erstes sichtbares Ergebnis eine Unterstandshütte im Schulwald errichtet. Schüler und Schülerinnen müssen dafür richtig ran. Mit Axt, Handbeil, Säge und Flaschenzug. „Das ist praktische Physik“, erklärt Scheifele den Schülern, die zusammen mit Techniklehrer Max Ortmeier einen dicken Baumstamm in Richtung Sägewerk bugsieren.
Die Schüler ziehen am langen Seil über Umlenkrollen. Der Baum bewegt sich zentimeterweise auf die mobile Säge des Assamstadters Michael Wiesner zu. Irgendwann ist es geschafft. Die Hydraulik der langgestreckten Apparatur übernimmt die Arbeit und wuchtet den Baumabschnitt an seinen Platz. Wenig später sind Bretter daraus geworden. Schülertrupps tragen sie an den Platz der künftigen Schutzhütte.
Im Wald lässt sich eigentlich alles lernen: nicht nur Biologie, sondern auch – zum Beispiel beim Baumfällen und -transportieren – Physik und Mathematik. Wirtschaftsthemen sind auch „drin“ – wie vermarktet man Holz? Und schließlich müssen die Schüler möglichst mobiltelefonfrei und zu Fuß raus in die Natur und können den Stoff hautnah begreifen. Zusammenhänge, Wechselwirkungen, globale Auswirkungen – all das wird den Achtklässlern der GMS nicht nur vermittelt; sie müssen bei allen Arbeitsschritten selbst Verantwortung übernehmen.
Bürgermeister Nick Schuppert schaut an diesem Vormittag interessiert zu. Als gelernter Forstwirt war er für die Stadt Schorndorf im Einsatz. Heute muss er den Schülern die Arbeit überlassen, obwohl es ihn in den Fingern juckt. In den laufenden Unterricht mischt er sich nicht ein, informiert sich aber bei Lehrern und Förster über das Projekt. Er sei überrascht, dass der Wald-Unterricht technisch mit fast allem aufwarte, was die Försterei ausmacht: von der traditionellen Handarbeit bis hin zu modernen Arbeitsgeräten. So entstehe kein romantisiertes Bild der Arbeit im Wald, sondern die Schüler erfahren beruflichen Alltag. Der sei zwar anstrengend, aber auch vielfältig, interessant und spannend.
In der Pause ans wärmende Feuer
Die Schüler sind allesamt fleißig bei der Sache: Wer ausgepowert ist oder aktuell nichts zu tun hat, darf auch mal Pause machen. An einem Waldfeuer. Doch auch hier gibt es Verantwortlichkeiten. Wenn schon mitten im Wald gefeuert wird, muss man mit Argusaugen auf den Brandschutz achten. Mal kurz weglaufen, das geht nicht. Und ihre Aufsichtspflicht nehmen die Achtklässler auch ernst.
Dass man aufs Holz nicht wild draufhackt, sondern mit Umsicht arbeiten muss, das zeigt eine Baumfällung am Eck zum Hauptweg, der Richtung Bergkirche führt. Zuerst muss in den Stamm eine Fallkerbe gehauen werden. Sie bestimmt die Fallrichtung. Dann wird auf der Gegenseite der Fallschnitt mit der langen Schrotsäge gesetzt. Mit jedem Zug und mit ratschendem Geräusch graben sich die Sägezähne tiefer ins Holz. Doch das kostet Kraft: Mehr als 15 Züge schafft kaum eines der behelmten Zweierteams.
Hans-Peter Scheifele beaufsichtigt den Vorgang: Er weiß genau, wann der Baum fallen wird. Mit Knackgeräuschen deutet sich das Finale an. „Nicht wegrennen“, so lautet Scheifeles Ansage. Denn wer rennt, kann stolpern und hinfallen. Wer sich wie vereinbart geordnet in die festgelegten Gassen zurückzieht, ist auf der sicheren Seite. Kleine Jubelschreie, als sich der Nadelbaum neigt und über den Waldweg hinweg auf den Boden kracht. Doch vorbei ist jetzt noch garnichts: Die nächsten Teams müssen den Stamm entasten und ihn in verarbeitungsgerechte Stücke schneiden. Pausenbrot: verdient.
Theorie und Praxis werden im Schulwald eins: Aspekte von Naturwissenschaft, Handwerk, Sozialkompetenz, sogar Kunst. Stärken und individuelle Qualitäten treten zutage – und die Erkenntnis, dass vieles nur im Team geht.
Natürlich erhofft sich das Forstamt durch das modulare Unterrichtspaket nicht nur Verständnis für die wichtigen Arbeiten im Wald: „Vielleicht bekommt der eine oder die andere Lust auf mehr“, sagt Hans-Peter Scheifele. Denn auch im Bereich Forsten gibt es Nachwuchsmangel. Die Weikersheimer Schülerinnen und Schüler hat er fürs Arbeiten im Wald jedenfalls begeistern können – trotz Nässe und Kälte.
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