Gottersdorf. Im Odenwälder Freilandmuseum wurde von Donnerstag bis Sonntag wieder Regionalgeschichte „lebendig“. Diesmal ging es um die demokratischen Bestrebungen der 1848er Revolution, die auch im Raum Buchen-Walldürn-Amorbach ihre Auswirkungen zeigten.
Die damalige Bevölkerung begehrte unter anderem gegen zu entrichtende Abgaben auf. Aktivisten stürmten sogar die Rentämter – die damaligen Finanzbehörden – in Amorbach und Buchen und vernichteten für die Besteuerung erforderliche Akten. Die Beamten flüchteten oder wurden vertrieben und Fruchtspeicher wurden geplündert.
Auch in Walldürn war die Lage gereizt. Hier richtete sich der Zorn von Teilen der Bevölkerung gegen den katholischen Gemeindepfarrer, Franz Joseph Faulhaber. Der hatte im Zuge von Verpflichtungen der Walldürner zu Gemeindeholzabgaben für Unmut gesorgt. Die Dürmer Revolutionäre brachten die Stadttrommel an sich und zogen hinter ihr her zum Wirtshaus „Stern“. Dort redeten sich in Rage. „Während der Bürgermeister sich weigerte, sich ihnen anzuschließen, zog man weiter zu Faulhabers Haus, drang dort gewaltsam ein und zwang den Pfarrer zur Unterschrift unter eine Verzichtserklärung“, erläutert die wissenschaftliche Leiterin des Freilandmuseums die damaligen Vorkommnisse, Margareta Sauer.
„Schon am 11. März aber, erreichten großherzogliche Truppen aus Mannheim und Karlsruhe die Gegend Buchen-Amorbach. Eine Kompanie bezog auf Kosten der Bevölkerung in Walldürn Quartier. Die Rädelsführer wurden festgenommen.“
Die Ereignisse jener Tage in Walldürn, stellte die „Interessengemeinschaft (IG) Lebendige Geschichte 1848/49“ dar (revolution1848-1849.eu). Unter der Leitung von Christian Wolff bezeichnet sich die Truppe von Laiendarstellern als „eine Gemeinschaft für Revoluzzer, Bürger, Bauern, Handwerker und Pickelhauben“ die es sich zur Aufgabe gemacht hat, die „deutsche“ Revolution von 1848/49 so originalgetreu wie möglich darzustellen, um sie „anfassbar, das heißt lebendig, spannend und interessant erlebbar“ zu machen.
Geschichte vermittelt
In täglich fünf inhaltlich miteinander verbundenen Szenarien, stellten Wolff und seine Mitstreiter die damaligen Vorkommnisse in Walldürn im Freilandmuseum nach – Living History. So unter anderem die Übergabe einer Fahne an die Bürgerwehr, den Zug der Bürger zum Gasthaus „Stern“, verschiedene Streitgespräche und die schlussendlich Aufregung unter den Menschen, als das Militär anrückte. Natürlich wurden auch Revolutionslieder von damals abgesungen.
Aus der „Fürstenjagd“, einem dieser Lieder der Zeit, rezitierte Wolff: „Das Schwarz der Knechtschaft schwindet in Kampfes blut’gem Rot. Der Freiheit Gold verkündet das Ende aller Not.“ Im Pressegespräch mit ihm erläuterte er, dass zahlreiche Menschen heute nicht mehr verstünden, was es mit der badischen, besser: deutschen Revolution von 1848/49 auf sich habe – bis hin zur Unkenntnis darüber, warum die Bundesflagge die Farben Schwarz-Rot-Gold zeige.
Die IG Lebendige Geschichte 1848/1849 wolle dazu anregen, sich mit der Historie, den damaligen Lebensumständen sowie den seinerzeit eingeforderten Werten und daraus abgeleiteten Rechten zu beschäftigen, um daraus für die lebendige Demokratie von heute zu lernen. Wolff allerdings: „Wir geben Impulse aus der Historie. Auf aktuelle politische Diskussionen, lassen wir uns in keinerlei Richtung ein.“
Die Veranstaltung erreichte an vier Tagen rund 500 Besucher, wobei der Fronleichnamstag mit 300 Besuchern der best frequentierte war, resümiert Sauer. Für das kommende Jahr haben Christian Wolff und sein Freundeskreis ihre Teilnahme an einer Living History-Veranstaltung im Freilandmuseum Gottersdorf bereits wieder fest eingeplant. Dann werde es um die Erinnerung an das Ende der bürgerlichen Revolution im Jahre 1849 gehen, die dann vor 175 Jahren zu Ende gegangen ist.
Über die demokratische Revolution 1848/49 in unserer Region informieren über Veranstaltungen in loser Reihenfolge das Freilandmuseum Gottersdorf, aber auch das Bezirksmuseum Buchen (bezirksmuseum.de).
In dessen Publikationsreihe „Der Wartturm“ (Heft 1/1998) etwa, beschreibt Jürgen Schuhladen-Krämer die revolutionären Ereignisse 1848/49 in Buchen und Umgebung. Gerlinde Trunk zeigt in derselben Ausgabe die Unruhen im Frühjahr 1848 im Odenwald im Spiegel der amtlichen Berichte auf.
Christan Wolff hat unter dem Titel „Das Blut der Freiheit“ im Frühjahr 2022 seinen Debütroman veröffentlicht, der zeitlich-inhaltlich in den Revolutionsjahren 1848/49 verortet ist und zahlreiche zeitgenössisch-historische Hintergründe beleuchtet (erschienen im A-Verlag, Wittlingen).
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