Landkreis

Unterbringung von Kriegsflüchtlingen und Asylbewerbern ist Mammutaufgabe

Fremde Sprachen in den Fußgängerzonen der Kleinstädte, Containersiedlungen in vielen Ortschaften, mit Flüchtlingen belegte Kasernengebäude oder ehemalige Schulen. Die Landkreise und Kommunen ächzen unter der Last der Unterbringung.

Von 
Heike von Brandenstein
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Ein Zimmer in der Gemeinschaftsunterkunft in der Niels-Bohr-Straße in Tauber-bischofsheim: Dort befinden sich neben den normalen Unterkünften auch Familienzimmer und barrierefreie Räume. © Landratsamt Main-Tauber-Kreis/Aylin Wahl

Odenwald-Tauber. Die Flüchtlingsströme haben wieder zugenommen: aus Afrika, aus Syrien, aus Afghanistan. Seit Beginn des Jahres 2022 hat Deutschland rund 1,3 Millionen Flüchtlinge aufgenommen, darunter etwa eine Millionen Kriegsflüchtlinge aus der Ukraine, aber auch fast 250 000 Asylsuchende aus anderen Ländern. Rund 146 000 Ukrainer suchten allein in Baden-Württemberg im vergangenen Jahr Schutz vor Bomben und Zerstörung in ihrem Heimatland. Gut 28 000 kamen aus anderen Ländern und beantragten Asyl. „Wir kommen unserer Pflicht nach“, lautet ein mantraartiger Satz von Christoph Schauder, Landrat des Main-Tauber-Kreises. Doch er wiederholt auch immer wieder, dass man am Limit sei. Das unterstreicht die Aussage des Präsidenten des Deutschen Landkreistages, Reinhard Sager, nach dem Flüchtlingsgipfel Mitte Januar: „Die Landkreise sind an den Kapazitätsgrenzen angelangt und brauchen Erleichterung.“

Viele ukrainische Kinder sind mit ihren Müttern und Großmüttern geflohen und haben auch im Main-Tauber- und im Neckar-Odenwald-Kreis eine Bleibe gefunden. Die Integration ist jetzt eine wichtige Aufgabe für Kitas und Schulen. © dpa

Lage angespannt

Auch im Neckar-Odenwald-Kreis sei die Lage angespannt, wie Landrat Dr. Achim Brötel mitteilt. Sein Landkreis habe sich zwar in den vergangenen Wochen und Monaten kontinuierlich Objekte und freie Grundstücke für Modulanlagen gesichert. Dennoch: „Länger als vier Wochen können auch wir nicht mehr in die Zukunft blicken. Wir leben also sozusagen von der Hand in den Mund. Klares Ziel bleibt es aber, keine Sporthallen belegen zu müssen.“

Das sieht sein Kollege im Main-Tauber-Kreis ebenso. Beide Landräte wissen, wie wichtig der Sportunterricht und die Vereinsarbeit sind, die durch die Corona-Pandemie bereits arg gebeutelt waren. Die Sportler jetzt wieder aus den Hallen zu verbannen, wollen beide unbedingt vermeiden.

Hilfsbereitschaft für Ukrainer

Beide Landkreise haben gegenüber den Kriegsflüchtlingen aus der Ukraine eine große Hilfsbereitschaft aus der Bevölkerung erlebt. Viele haben Wohnraum bei Bekannten, Verwandten oder bei Privatleuten gefunden. Das Land weist den Städten und Gemeinden aber auch Menschen aus der Ukraine zu, die dann in Gemeinschaftsunterkünften unterzubringen sind. Im Main-Tauber-Kreis waren das im Januar 49 Personen. Für die nächsten Monate wird mit ähnlichen, wenn nicht gar höheren Zahlen gerechnet, sollte es eine Frühjahrsoffensive Russlands geben und sich noch mehr Menschen aufgrund der zerstörten Infrastruktur auf die Flucht begeben. Zum Jahresende waren 1648 Ukrainer im Main-Tauber-Kreis registriert, im Neckar Odenwald-Kreis waren es am 22. Februar 1613.

Mehr Menschen als 2015/16

Hinzu kommen die Asylsuchenden aus anderen Ländern. Dass 2022 und wohl auch 2023 wesentlich mehr Kriegsflüchtlinge oder Asylsuchende als in der Hochzeit 2015/16 in die Landkreise gekommen sind, zeigen allein die Zahlen aus hiesiger Region. 2015/16 wurden dem Main-Tauber-Kreis 2259 Personen zugewiesen, 2022 kamen 2300 Menschen. Für den Neckar-Odenwald-Kreis lautet die Aussage, dass 2022 rund 2500 Menschen Schutzsuchende kamen, 2015/16 waren es 2280.

Wohnraum ist rar

Bei ohnehin knappem Wohnraum wird es immer schwieriger, zusätzliche Zuweisungen oder Flüchtlingsströme zu bewältigen. Wenn der Neckar-Odenwald-Kreis alle Kapazitäten ausreizt, stehen gerade mal noch 114 belegbare Plätze zur Verfügung. Im Main-Tauber-Kreis sind es 93 Plätze, obgleich die Kapazitäten, wie auch im Nachbarlandkreis, erheblich ausgebaut wurden. Die Turmbergschule in Königshofen ist in diese Platzzahlen nicht eingerechnet, da sie speziell für die kurzfristige Aufnahme von Frauen und Kindern aus der Ukraine vorgesehen ist.

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Für die Landräte und ihre Verwaltung ist die Unterbringung eine Mammutaufgabe. Letztlich ist es damit aber noch nicht getan. Es geht um die Pflichtaufgabe Sozialbetreuung, um Integrationskurse, für die es kaum Plätze gibt, um Integration. Landrat Christoph Schauder: „Haupt- und ehrenamtliche Kräfte sind am Rande ihrer Leistungskraft, Kitas und Schulen zunehmend überlastet. Wichtig wäre, die Flüchtlinge viel besser in Europa zu verteilen, mit einem konsequenteren und ehrlichen Vorgehen in beide Richtungen: Einerseits sollten Bleibeberechtigte mit mehr Verbindlichkeit in den Arbeitsmarkt integriert werden, andererseits Nicht-Bleibeberechtigte zurückgeführt werden.“

Dr. Achim Brötel sagt: „Das System steuert in meinen Augen eindeutig auf eine Überforderungssituation zu.“ Auch er spricht sich für eine bessere europäische Verteilung aus. „Wenn Baden-Württemberg allein mehr ukrainische Flüchtlinge aufgenommen hat als ganz Frankreich zusammen, dann stimmt doch da einfach in Europa etwas nicht“, fordert er eine Lösung.

Redaktion Zuständig für die Kreisberichterstattung Main-Tauber

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