Tauberbischofsheim. Im Verfahren gegen einen 32 Jahre alten Mann aus der Kreisstadt machte Richterin Melanie Lippert – im wahrsten Sinne des Wortes – kurzen Prozess. Nach einem voll umfänglichen Geständnis dauerte die Verhandlung vor dem Schöffengericht gerade mal zwei Stunden – anstatt zwei Tage. Auf die Aussage von 13 der insgesamt 15 Zeugen wurde verzichtet. Staatsanwältin Elena Föhl und Verteidiger Andreas Stößer waren sich rasch „handelseinig“. Das Gericht folgte den beiden Plädoyers und verurteilte den Angeklagten zu zwei Jahren Haft, die für drei Jahre zur Bewährung ausgesetzt wurden, und 500 Sozialstunden „gegen die Langeweile“, wie es die Richterin formulierte. Denn dies sei einer der Gründe für die Brandserie des „Feuerteufels“ gewesen.
Neun Brandstellen
Rückblick: Eine Brandserie hatte in der ersten Juni-Hälfte die Feuerwehren in Tauberbischofsheim und Umgebung regelrecht auf Trab gehalten. An vier Tagen und neun Stellen hatte der „Feuerteufel“ in den Gewannen Hamberg und Edelberg Brände gelegt. Vor Zeugen hatte er schließlich geprahlt – und genau diese Geltungssucht sei ihm zum Verhängnis geworden, was zu seiner Festnahme geführt habe. Es sei dem schnellen Eingreifen der Feuerwehren zu verdanken, dass lediglich geringer Schaden an der Vegetation entstanden sei, war im Sitzungssaal zu erfahren. Man mag sich aber nicht ausmalen, was hätte passieren können in einer Phase mit wenig Regen, Temperaturen bis 28 Grad und mittlerer Waldbrandgefahr (Stufe 3).
Der gebürtige Niedersachse, dem der Sachverständige Dr. Schramm aus Heidelberg ein eher „unterdurchschnittliches Intellektuell“ bescheinigte und der es von Kindesbeinen an sehr schwer gehabt habe, legte in seiner ersten Einlassung ein vollumfängliches Geständnis ab. Er habe in der knapp sechsmonatigen U-Haft genügend Zeit zum Nachdenken gehabt, bekannte er.
„Tatü-Tata fasziniert mich“
„Es tut mir leid und ich sehe ein, dass es scheiße war.“ Ihm sei ganz einfach langweilig gewesen, so der Angeklagte, und er verspüre eine große „Lust auf Blaulichter und Sirenen“ – „das Tatü-Tata fasziniert mich sehr“. Der Sachverständige ergänzte dies später noch um die Begriffe „Geltungsbedürfnis“ und „Angabe“. Wie sonst sei ein WhatsApp-Chat mit seiner Freundin zu verstehen? Aus dem zitierte ein Polizeibeamter, der als Zeuge zu Wort kam. Dort habe es geheißen: „Na Schatz, fuhr bei dir auch die Feuerwehr raus? Ich weiß wohin – nach Großrinderfeld. Dort brennt der ganze Wald. Das kann man sogar von Lauda aus sehen . . .“
Schnelles Eingreifen der Wehren
Dass es schlussendlich nicht so weit gekommen ist, sei ein Verdienst des raschen Eingreifens zahlreicher Feuerwehr-Abteilungen aus dem gesamten Main-Tauber-Kreis. Dies schien auch bei dem 32-Jährigen in der Zwischenzeit angekommen zu sein: „Ich danke den Feuerwehren, dass sie so schnell da waren und meinen Scheiß gelöscht haben.“ „Seine Schnapsidee“ sei „ein großer Fehler gewesen“, betonte er mehrfach in der Verhandlung und versicherte glaubhaft, dass er geläutert sei, was sich später auch im Urteil niederschlagen sollte.
Zur Aufklärung der Brandserie hatte beigetragen, dass sich der Mann, der in einem Wohnheim der Caritas untergebracht ist und dem ein Betreuer zur Seite steht, bei den Löscharbeiten unter die Schaulustigen gemischt hatte. Dabei zeigte er sich mitteilungsbedürftig und ließ andere Menschen an Insiderwissen der Brände teilhaben – für Zeugen war es im Anschluss ein leichtes Unterfangen, ihn zu identifizieren.
Beweise zutage befördert
Eine Durchsuchung der Wohnung des Brandstifters förderte schließlich noch weitere Beweise zutage. Letztlich konfiszierten die Ermittler knapp 60 Feuerzeuge, von denen einige beim Legen der Brände zum Einsatz gekommen waren. Zudem nahmen die Beamten ein Handy sowie einen Laptop mit, worauf weiteres belastendes Material gefunden worden war – darunter mehr als zwei Dutzend Fotos sowie ein Video, das der Angeklagte sogar besprochen hatte – „zu Schulungszwecken“, wie er meinte.
Im Internet recherchiert
Und weiterhin hatten die Polizisten herausgefunden, dass der „Feuerteufel“ im Internet recherchiert hatte. Die Auswertung des Browsers hatte ergeben, dass dabei Begriffe rund ums Thema Brände im Fokus gestanden hätten, wie der Zeuge bekundete. So sei bei der Suche „Waldbrandstufe in Tauberbischofsheim“ oder „Waldbrände Tauberbischofsheim“ ins Auge gestochen.
Eine Betreuerin als zweite Zeugin beschrieb den Angeklagten als einen, „der kann, wenn er will“. Allerdings müsse man manchmal Druck ausüben, damit er Tätigkeiten wie das Saubermachen seines Zimmers durchführe. Er besitze durchaus die Fähigkeit, den Haushalt zu führen, allerdings „braucht er immer eine engmaschige Betreuung“.Und wenn er bei seiner Lieblingsbeschäftigung „Computersucht“ sei, „lebt er in einer eigenen Welt“.
In der Umgebung seiner Wohnung sei er kaum negativ aufgefallen, etwa durch Zündeln. Allerdings sei er ein- bis zweimal pro Jahr weggelaufen, weshalb zwischendurch auch mal die Polizei auf den Plan gerufen worden sei.
Schwierige Verhältnisse
Schwierige familiäre Hintergründe mit „erzieherisch ungeeigneter Mutter“, Pflegefamilie, kein Regelschulbesuch, frühzeitiger Kontakt mit der Jugendpsychiatrie, keine Ausbildung – der Angeklagte habe es nie leicht gehabt, so der Sachverständige. Schon früher habe es eine Tendenz zum Weglaufen gegeben, er habe Kinder erpresst, gerne gezündelt – und ein Faible für Feuer, Sirenen, Blaulichter, Brandbekämpfung entwickelt, was sich wie ein roter Faden bis ins Heute durchgezogen habe. So sei auch ein gestörtes Sozialverhalten diagnostiziert worden.
Unterm Strich rangen sich Gericht, Staatsanwaltschaft und Verteidigung dazu durch, dem Brandstifter nochmals eine Chance zu geben, die genutzt werden solle. Das Urteil wurde angenommen und ist somit rechtskräftig.
URL dieses Artikels:
https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim_artikel,-tauberbischofsheim-tauberbischofsheimer-feuerteufel-zwei-jahre-auf-bewaehrung-_arid,2154700.html
Links in diesem Artikel:
[1] fnweb.de/ar.2094404
[2] https://www.fnweb.de/orte/tauberbischofsheim.html