Tauberbischofsheim. Das war eine Sternstunde auf dem Tauberbischofsheimer Marktplatz: Man musste kein ausgesprochener Opernfreund sein, um von den vielen Solisten, dem Chor und dem großen Orchester der Festspieloper Prag nicht mitgerissen zu werden, den Alltag für über zwei Stunden zu vergessen und einfach nur gebannt das Geschehen auf der Bühne zu verfolgen.
Während das Orchester in einem doch eher nüchternen, mit weißem Licht erleuchteten und schwarzen Plastikplanen bedeckten Zelt links vom Rathaus platziert war, zeigte die Kulisse der Bühne mit der einbrechenden Dämmerung immer mehr ihren Charme. Verdis opulente Oper „Nabucco“ mit dem weltberühmten Gefangenenchor hat auch nach seiner Premiere im Jahr 1842 nichts von seiner Eindringlichkeit und seinem Drama verloren.
Als Bürgermeisterin Anette Schmidt in ihrer Begrüßung die über 100 Künstler und Tour-Mitarbeiter erwähnte, die an diesem Abend in der Stadt weilen, ging ein Raunen durch die Zuschauerreihen auf dem nahezu ausverkauften Marktplatz. Sie berichtete, wie sie von ihrem Büro im Rathaus aus beobachten konnte, wie schnell und effektiv der Bühnenaufbau am Morgen vonstatten ging.
Rathaussaal als Garderobe
Den Rathaussaal und den Gästeraum konnte der gesamte Tross als Garderobe und Lagerraum nutzen. Das Gelände wurde so eingezäunt, dass der Wochenmarkt bis 13 Uhr problemlos stattfinden konnte. Für das leibliche Wohl der Besucher war natürlich auch gesorgt. Um einen pünktlichen Wiederbeginn nach der Pause zu gewährleisten, konnten die Gäste ihre Essenswünsche vorbestellen. Das klappte reibungslos – zum dritten Gong waren wieder alle Zuschauer auf ihren Plätzen und verfolgten weiter gebannt die emotionalen und packenden Szenen auf der Bühne.
Richard Haan war in der Rolle des Nabucco zu erleben, Liana Sass spielte die Abigaille, Hana Dobesová die Fenená, Raman Hassymau war Ismaele, Andrij Charalmov Zaccharias, den Gran Sacerdote verkörperte Oldrich Kriz, der auch Regie führte, Abdallo war Matej Kotrba, Anna spielte Michaela Dvoráková. Als Dirigent brillierte Martin Doubravsky, der auch die musikalische Leitung innehatte.
Den verdienten stehenden Applaus der rund 500 Zuschauer genossen die Darsteller sichtlich – und schenkten den Zuschauern gerne noch eine Zugabe: Noch einmal war der stimmgewaltige Gefangenenchor live zu erleben.
Die Besucher und Verantwortlichen für diesen Abend kamen denn auch aus dem Schwärmen gar nicht mehr heraus. Bürgermeisterin Anette Schmidt sagte gegenüber den FN: „Wir freuten uns schon im Vorfeld sehr auf diesen Abend. Es war ja zu erwarten, dass es ein richtiges Highlight für Tauberbischofsheim wird, etwas, das es vorher noch nie gab. Unsere Erwartungen wurden sogar übertroffen. Wir sind alle überwältigt von den Stimmen, Darbietungen und Emotionen hier auf unserem Marktplatz. Das war ein richtiges Wow-Erlebnis. Wir sind stolz, dass wir diese Veranstaltung hier in der Stadt erleben durften.“
Fortsetzung durchaus möglich
Auf die Frage, ob eine Fortsetzung im nächsten Jahr denkbar wäre, antwortete sie: „Die Agentur hat uns auch aufgrund der guten Zusammenarbeit im Vorfeld schon signalisiert, dass sie sich durchaus vorstellen könnte, 2025 hier mit einer anderen Veranstaltung zu gastieren. Es muss ja nicht wieder eine Oper sein, aber ein anderes Highlight ist durchaus denkbar.“
Der Külsheimer Bürgermeister a. D. Günther Kuhn sagte: „Ich bin von den Stimmen absolut begeistert und überwältigt. Das war richtig toll. Ein großes Kompliment an die Künstler und an die Stadt Tauberbischofsheim, die das hier organisiert hat.“
Die Leiterin der Stabsstelle Wirtschaftsförderung der Stadt, Dr. Sabine Münch, sagte: „Ich bin bekennender Opernfan und habe unter anderem eine Lehre zur Damenschneiderin bei der Staatsoper in München gemacht. Deswegen war und bin ich bei vielen Opern. Für mich sind Opern ein Gesamtkunstwerk mit Musikern, Schauspielern, Sängern sowie einem Szenenbild, das ich alles auf mich wirken lasse. Wenn ich Gänsehaut bekomme, ist es gut. Und ich hatte das heute Abend oft. Der ausdrückliche Wunsch der Künstler war übrigens stilles Wasser.
Eine Besucherin erzählte den FN: „Schon immer wollte ich mir einmal eine Oper anschauen. Das war heute meine erste. Nur habe ich leider mein Opernglas zu Hause vergessen (lacht). Die Karten habe ich meiner Schwester zum Geburtstag geschenkt, weil ich ,Nabucco‘ unbedingt hier erleben wollte. Auch wenn sie mitgehen ,musste‘, ist auch sie total begeistert. Ich war schon oft in Musicals, aber keines hat mich so berührt wie dieser Abend heute.“
„Der Marktplatz im Verdi-Land“
Ein Bürger sagte, ebenfalls noch ganz beseelt von diesem Erlebnis: „Von der Tauber an den Euphrat, über 2500 Jahre zurück, wir auf unserem Marktplatz im Verdi-Land: Verzaubert von der Musik, gefesselt von den Stimmen, in Ausdrucksstärke, Mimik und Kostümwelt in die Ferne entführt, um im Gefangenenchor so viel Gegenwärtiges zu spüren. Verona und Tauberbischofsheim für drei ,Nabucco’-Stunden verschwistert. So kann es in Tauberbischofsheim weitergehen!“
Elena Umnus, die im Auftrag von „Great Performances“ die Tournee der Festspieloper Prag begleitet, sagte den FN: „Die Straßen zum Rathaus sind sehr eng, deshalb mussten wir unseren Bus ein bisschen weiter weg parken. Die Instrumente wurden deshalb zum Marktplatz geshuttelt. Wir freuten uns sehr über die Garderoben und Toiletten im Rathaus – es ist immer schön, wenn man nicht im Zelt untergebracht ist. Manchmal spielt man bei Open Airs ja irgendwo im Nirgendwo, wo dann Zelte als Garderoben dienen und Dixie-Toiletten in der Landschaft stehen. Wir sind sehr begeistert von Tauberbischofsheim, und auf einem Marktplatz haben wir in diesem Jahr auch noch nicht gespielt.“
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