Odenwald-Tauber. Die Landwirte haben von der Agrarpolitik der Berliner Ampel die Nase inzwischen gestrichen voll. Die Pläne der Koalition, Steuervergünstigungen beim Agrardiesel und bei der Kraftfahrzeugsteuer zu streichen, um Löcher im Haushalt zu stopfen, hat „für viele Bauern das Fass vollends zum Überlaufen gebracht“, spricht der Grünsfelder Landwirt Stefan Fiedler sicher zahlreichen Kollegen aus der Region aus der Seele. Es seien in den letzten Jahren politischerseits viele weitere Dinge auf den Weg gebracht worden, die dem gesamten Agrarbereich immer größere Probleme bereitet und das Höfesterben in Deutschland beschleunigt hätten.
Landwirte prangern Kürzungen an
Um mal zu verdeutlichen, was die Landwirte anprangern, hier mal eine Auflistung dessen, wo zuletzt gekürzt wurde:
- Streichung der Investitionsförderung von 195 Millionen Euro
- Abschaffung der Gewinnglättung; je nach Betrieb 20 bis 30 Prozent weniger Einkommensgrundstützung
- höhere CO2-Abgabe
- vier Prozent Flächenstilllegung ohne finanziellen Ausgleich; neue Vorgaben für Abferkelboxen für Muttersauen
- Ausweitung der Pflicht zur Stromstoffbilanz auf fast alle Betriebe
- fehlende Ausschreibungsmengen bei Biogas
- Investitionsförderung für den Umbau zu mehr Tierwohl; immer noch nicht vorhandene Lösung bei der Regulierung von großen Schäden durch Wolfsangriffe, Biber oder Krähen
Die Liste ließe sich nach Überzeugung der Bauernbände und der bundesweit aktiven Organisation „Land schafft Verbindung“ (LSV) beliebig fortsetzen. Die Landwirte sehen sich mittlerweile als Melkkühe einer verfehlten Agrarpolitik des Bundes – und wollen mit der Aktionswoche eine Trendwende herbeiführen, um der Branche wieder eine Perspektive zu geben.
Regelungsdichte führt zu Aufgabe von Landwirtschaftsbetrieben
Denn in den vergangenen Jahren habe sich die Regelungsdichte für landwirtschaftliche Betriebe schier ins Unerträgliche gesteigert, ist immer wieder zu erfahren, wenn man sich mit Bauern in der Region austauscht. Dies habe dazu geführt, dass viele Höfe aufgegeben und besonders die Tierhaltung eingestellt hätten. „Mit den durch Umwelt-, Tier- und Klimaschutz begründeten, oftmals sogar konträr zu diesen Zielen stehenden verabschiedeten Vorschriften ist ein wirtschaftliches Arbeiten in vielen Fällen nicht mehr möglich“, sage viele Funktionäre der Kreisbauernverbände Main-Tauber und Neckar-Odenwald immer wieder.
Die Landwirte werden während der Aktionswoche ab 8. Januar – krönender Abschluss ist am Montag, 15. Januar, eine Großkundgebung in Berlin, zu der auch viele Trecker aus der Region in der Bundeshauptstadt erwartet werden – stets in Bewegung bleiben. „Wir möchten nicht blockieren, sondern aufklären und möglichst viele Menschen positiv, aber deutlich erreichen“, sagt Stefan Fiedler. Viele seiner Mitstreiter betonen immer wieder, dass sie nicht nur für ihre Betriebe und Familien, sondern auch zum Wohl der Verbraucher auf die Straße gehen. Denn ihr Bestreben sei, auch in Zukunft regionale und gesunde Lebensmittel zu produzieren und dabei einen großen Beitrag zum Klima-, Umwelt- und Artenschutz zu leisten. Bei den stetig sinkenden Selbstversorgungsgraden von Lebensmitteln sei es im Sinne aller, für die regionale Landwirtschaft ein Zeichen zu setzen.
Protest der Landwirte: Öffentlichkeitswirksame Aktionen
In der kommenden Woche können sich die Menschen in der Region Odenwald-Tauber auf viele öffentlichkeitswirksame Aktionen der Landwirte einstellen – alles in enger Absprache mit den Behörden, dazu friedlich und gewaltfrei. Denn einerseits wolle man den großen Rückhalt unter der Bevölkerung – die überwältigende Mehrheit der Bürger solidarisiert sich mit den Bauern – nicht aufs Spiel setzen, andererseits gehe es darum, ein politisches „Weiter so“ zu vermeiden.
Hier könnte es zu Verkehrsbehinderungen kommen
Wie die FN erfahren haben, werden sich schon zum Auftakt in beiden Kreisen viele Landwirte mit mehreren hundert Trecken zusammenschließen und bei vielen bewusst dezentral geplanten Aktionen auf ihre Sorgen und Probleme aufmerksam machen. Zentrum des Protests werden die Autobahnauffahrten in der Region sein (etwa in Osterburken am Montag von 5 bis 10 Uhr). Doch nicht nur dort könnte es zu erheblichen Verkehrsbehinderungen kommen, mit denen bereits am frühen Morgen zu rechnen ist. Vor allem auf den Hauptverkehrsadern in den Neckar-Odenwald und Main-Tauber könnte im Verlaufe des Tages der Verkehr immer wieder mal komplett zum Erliegen kommen. Für Beschäftigte oder Schüler bedeutet die bisweilen, nur unter erschwerten Bedingungen zu Schule oder Arbeitsplatz zu gelangen. Es könnte Sternfahrten geben, ebenso Mahnfeuer oder spontane Kundgebungen. Dazu sei geplant, in kleinen Konvois durch Orte und über Straßen zu tuckern. Die Organisatoren hoffen auf Verständnis und Geduld der Bevölkerung. Auch in den darauffolgenden Tagen sei mit weiteren Aktivitäten zu rechnen. Wichtig sei zu betonen, dass man jederzeit mit der Polizei in Kontakt stehe und die Aktiven auffordere, nichts zu tun, was kontraproduktiv sei.
Unterstützung für Landwirte ist groß
Im Übrigen stehen die Landwirte ab Montag nicht allein mit ihren Protesten. Sie erfahren auch aus anderen Bereichen viel Unterstützung. So wird die Sägewerk Buchen GmbH am Montag keine Versorgungsfahrten durchführen, die Landmetzgerei Schmall in Uissigheim ihre Filialen schlossen lassen. Auch der Hofladen von Endres Ei aus Großrinderfeld lässt am Montag seine Pforten dicht, Spediteure solidarisieren sich mit den Landwirten, die UEG Hohenlohe mit Sitz in Niederstetten-Adolzhausen beteiligt sich ebenso aktiv an den Protesten wie die BAgeno in Bad Mergentheim, die BAG Creglingen, die LBV in Schrozberg, die BAG Hohenlohe, weitere Erzeugergemeinschaften und Spediteure.
Und auch die Herbsthäuser und die Distelhäuser Brauerei stehen auf der Seite der Landwirte, wie die Geschäftsführer Moritz Bauer und Christian Wunderlich unisono betonen. Ihre Unternehmen profitierten seit Generationen von regionalen Erzeugnissen der Landwirtschaft wie der Gerste. Man sei stets bestrebt, Leistungen und Arbeit der heimischen Bauern zu unterstützen – etwa durch gute Preise. Letztlich säßen alle in einem Boot und es lohne sich, für die Sache einzutreten.
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Fränkische Nachrichten Plus-Artikel Kommentar Odenwald-Tauber: Bauern im Einsatz für uns alle