Main-Tauber-Kreis. Es ist kein alltägliches Bild, das sich derzeit an den Masten der Bahn-Stromtrasse bietet. Die Deutsche Bahn lässt zwischen Osterburken und Rohrbach aktuell komplett neue Leiterseile einziehen. Die Arbeiten sollen bis Mitte 2023 fertig sein.
Leichtfüßig klettern die beiden Monteure den Strommasten nach oben. Auf rund 25 Meter ist an diesem Tag ihr Arbeitsplatz. Sie haben ein wachsames Auge darauf, dass die Leiterseile sauber und problemlos über die Führung gehen.
Ohne den einsetzenden Nieselregen im Dezembergrau hätten sie einen hervorragenden Blick auf das Tauberbischofsheimer Naturschutzgebiet Brachenleite. Unten, am sogenannten Trommelplatz, stehen die Kollegen. Dort wird über eine Seilwinde das neue Leiterseil nach oben gezogen, das das alte Seil ersetzen soll.
Die 80 Kilometer lange Strecke der 110-Kilovolt-Freileitung zwischen den Unterwerken Osterburken und dem Karlstadter Stadtteil Rohrbach stammt aus dem Jahr 1975. Aktuell wird sie von der Deutschen Bahn modernisiert und auf den neuesten Stand der Technik gebracht (wir berichteten).
Letzter Baustein
Insgesamt mussten 79 der 241 Masten erneuert werden. Letzter Baustein dabei ist nun der Tausch alter stromführender Seile gegen neue. Zudem werden bei allen Masten die Armaturen und Isolatoren erneuert.
Zwei riesige Rollen hängen an einem Stahlausleger des Mastens, über die die neuen Seile gezogen werden. Mit gleichmäßiger Geschwindigkeit wandert das Luftkabel über die nächsten rund drei Kilometer und zwölf Masten in Richtung Großrinderfeld. Dort wird der alte Strang langsam herausgezogen und aufgewickelt, wie Bauleiter Hannes Tauchhammer von der ausführenden Firma Europten den FN beim Besuch auf der Baustelle berichtet. Eine Sektion nennen die Fachleute diesen Abschnitt. „Auf den Trommeln sind die Längen der Leiterseile für jede Sektion exakt bemessen“, so Tauchhammer.
Der Abspannmast ist schon zur Hälfte mit neuen Alumium-ummantelten Seilen mit Stahlkern bestückt. Diese sogenannten Stahlseelen führen bereits wieder Strom. Gleich mehrere solcher Abspannmasten, die durch das hängende Seil zwischen den Isolatoren zu erkennen sind, müssen auf der Sektion passiert werden. Und auf allen sitzen Freileitungsmonteure und beobachten mit kritischem Blick den Zug.
Seile im Ziehstrumpf
Wie werden die neuen Luftkabel „durchgezogen“. Hannes Tauchhammer, der selbst zwölf Jahre als Monteur auf den Masten gearbeitet hat, erklärt die Vorgehensweise: An den Enden der Leiterseile wird ein sogenannter Ziehstrumpf angebracht. So werden die beiden Enden mittels eines drehbaren Seilverbinders zum Ausgleich des Dralles von Zug- und Leiterseil verbunden. In die eine Seite der Kopplung wird das alte Seil eingespannt, in die andere das neue. Bei Zug legt sich das Stahlgeflecht immer enger um die beiden Seilenden, sodass sie nicht herausrutschen können. Per Seilwinde geht es dann nach oben zur Traverse des Masts.
Auf dem Mast ist der erste Strang fertig, der auf einem Kettenzug ruhen darf. Die beiden Freileitungsmonteure bereiten in luftiger Höhe und gut gesichert alles vor, damit der nächste folgen kann. Sind alle Luftkabel ausgetauscht, machen sich die Monteure an die nächste Arbeit: Der Durchhang der Seile, durch die künftig der Strom fließen wird, damit die Züge fahren, muss gemessen werden. Dazu werden die Seile mittels Kettenzug einreguliert und danach die neuen Abspannketten eingebaut. Alle Elektroarmaturen sind an der Traverse dann ebenfalls erneuert, etwa das Sprühhörnchen als Schutz des Isolators vor den Auswirkungen eines Lichtbogens. Zum Schluss werden die Schlaufen zwischen den Isolatoren geschlossen. Erst dann können an den Tragmasten die Leiterseile eingeklemmt, die Rollen wieder entfernt und mittels Leitungsfahrwagen die Abstandhalter eingebaut werden.
Zahlreiche Straßen werden während der Bauphase gequert. Ein Schutzgerüst dient dann der Sicherheit, sollte sich doch einmal ein Luftkabel lösen. Auch die Autobahn muss mehrfach passiert werden. „An der A 81 und der A 3 kommt ein Rollenleinenverfahren zum Einsatz“, so Tauchhammer.
Erstaunte Blicke
Dass die Arbeiten der Monteure der österreichischen Firma Europten bei so manchem Verkehrsteilnehmer für erstaunte Blicke sorgen, weiß der Bauleiter. Gelegentlich bleibe auch mal jemand stehen, beobachte das Geschehen und frage nach dem Hintergrund. Etwa am Radweg in der Tauberaue zwischen Dittigheim und Lauda.
Die Bahnreisenden merken von den aufwendigen Arbeiten nichts. „Die Leitungen werden nicht komplett außer Betrieb gesetzt, sondern immer nur Teilbereiche“, betont Tauchhammer, dass nur eines der zwei Systeme abgeschaltet wird. Deshalb werde stets versucht, die Sektionen so zu legen, dass die Arbeiten in der vorgegebenen Zeit auch bewerkstelligt werden können. Denn die Leitungen müssen nach dem Austausch sofort wieder in Betrieb gehen.
Die beiden Monteure oben auf dem Mast sind ein eingespieltes Team und schwindelfrei. Der leichte Nieselregen macht die Aufgabe nicht einfacher, aber davon lassen sie sich nicht aus der Ruhe bringen. Der Bauleiter freut sich, dass die Arbeiten bisher reibungslos und unfallfrei laufen. „Die Sicherheit der Mitarbeiter ist das A und O“, sagt Tauchhammer mit Blick auf die zwei Dutzend Mann starke, toll harmonierende Truppe.
Während in der „Brachenleite“ das letzte Leitungsseil für diesen Tag angekoppelt und durchgezogen wird, liegen die alten bereits abfahrbereit bei Großrinderfeld auf dem Lkw. Sie werden in Kürze abgeholt und soweit möglich dem Recycling zugeführt.
Die neuen Kabel glänzen silbrig, wie man auch als Laie unschwer erkennen kann, während die alten ihre 45 Jahre auf dem Buckel durch eine deutliche Schwarzfärbung nicht verbergen können. Bis Ende des Jahres werden noch die Rollen dieser Sektion abgebaut, „damit kein Seil unnötig in den Rollen liegt“, sagt der Bauleiter. Nach der Winterpause geht es Mitte Januar dann mit den restlichen Abschnitten bis ins bayerische Rohrbach weiter. Im August 2023 soll schließlich die komplette Stromtrasse der Deutschen Bahn auf ihren 80 Kilometern Länge erneuert sein.
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